Sexueller Missbrauch: Verurteilter Skitrainer muss nicht in Haft
Ein Skitrainer, der einen 15-Jährigen missbrauchte, wurde auch in zweiter Instanz verurteilt. Das Strafmaß wurde deutlich verringert. Für Nicola Werdenigg ist der Schüler, der die Tat angezeigt hat, „ein großes Vorbild“.
Graz – Ein Skitrainer, der im November 2017 einen 15-jährigen Schüler der Ski-Akademie Schladming missbraucht hatte, wurde auch in zweiter Instanz verurteilt. Das Strafmaß wurde am Oberlandesgericht Graz allerdings reduziert, der Mann muss nun nicht in Haft. Die Familie des Opfers will zivilrechtlich auf Schadenersatz klagen. Der Jugendliche sah sich nach seiner Anzeige Mobbing ausgesetzt und ist nicht mehr im Spitzensport.
Nicola Werdenigg, die auch anhand ihres eigenen Schicksals Missbrauch im Skisport aufgedeckt hat, zeigt „maßlosen Respekt vor dem Buben und der Familie“. Deren Weg sei kein leichter gewesen. „Dieser Bub ist jetzt ein großes Vorbild.“(red)
Er habe im November 2017 an einem 15-jährigen Schüler „geschlechtliche Handlungen vorgenommen“respektive „vorzunehmen versucht“. So lautete der Vorwurf der Staatsanwaltschaft gegen einen Trainer der Schladminger Ski-HAK (oder SkiAkademie), ein Vorwurf, dem im April im Landesgericht Leoben stattgegeben wurde. Am Mittwoch hat ein Dreirichtersenat des Oberlandesgerichts Graz das erste Urteil bestätigt und den Trainer (Jahrgang 1966) ebenfalls für schuldig befunden.
Hans-Moritz Pott, der Anwalt des Trainers, hatte gegen das am 24. April in Leoben gesprochene Urteil Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde eingelegt, denen nicht stattgegeben wurde. Durchgekommen ist Pott mit seiner Berufung gegen die Höhe der Strafe. Im April war der Trainer zu zwölf Monaten Haft, davon vier unbedingt, verurteilt worden, er hätte demnach ins Gefängnis müssen. Nach dem Spruch der zweiten (und letzten) Instanz muss er nicht, das OLG hat die Strafe deutlich verringert, auf acht Monate bedingt auf drei Jahre, dazu kommt noch eine Geldstrafe von 3600 Euro Geldstrafe (240 Tagsätze à 15 Euro).
Der Trainer hatte den Schüler im Auto zu einem Arzttermin gebracht. Im Arztzimmer und während der Heimfahrt kam es zu Übergriffen. Schon in der ersten Verhandlung hatte der Richter die Glaubwürdigkeit des Trainers auch dadurch beschädigt gesehen, dass dieser mehreren Schülern Whatsapp-Nachrichten u. a. mit einem sogenannten „Dick Pic“schickte und dabei auch aufs Onanieren zu schreiben kam.
Die Abmilderung der Strafhöhe ist für Pott, wie der Anwalt dem
Δtandard sagt, „ein großer Er- folg“. Das OLG habe den zuvor „tadellose Lebenslauf“seines Mandanten gewürdigt. Dieser sei nun als Lkw-Fahrer tätig, und es gehe ihm „sehr schlecht“, sagt sein Verteidiger Pott.
Der nun 16-jährige Schüler, der sich an der Schladminger SkiAkademie nach seiner Anzeige gegen den Trainer Mobbing ausgesetzt sah, besucht mittlerweile eine Schule, die mit Spitzensport nichts zu tun hat. Seine Hoffnung, an einer anderen Skisportschule unterzukommen, hat sich nicht erfüllt, seiner Karriere droht ein frühes Ende. Der Vater des Schülers kündigt im Gespräch mit dem
Δtandard an, er werde den verurteilten Trainer zivilrechtlich auf Schadenersatz klagen. Die Familie hat zunächst zumindest eine fünfstellige Summe in die Karriere des talentierten Sohnes investiert und auch nicht wenig Geld für psychologische Betreuung ausgegeben.
Die Familie des Schülers ist mit Nicola Werdenigg in Kontakt, die im November 2017 ihre Vergewaltigung durch einen ÖSV-Teamkollegen sowie sexuellen Missbrauch am Skiinternat Neustift durch einen pädophilen Heimleiter in den 1970er-Jahren öffentlich gemacht hatte. Später gründete Werdenigg gemeinsam mit der Psychologin Chris Karl die Plattform #WeTogether, eine Initiative gegen Machtmissbrauch im Sport. Nicht zuletzt kümmert sie sich um Missbrauchsopfer, auch den ehemaligen Schüler der Ski-Akademie Schladming und dessen Familie hat #WeTogether über Monate beratend begleitet.
Werdeniggs Reaktion
Werdenigg hat das Urteil gegen den Schladminger Skitrainer „mit gemischten Gefühlen“zur Kenntnis genommen, sie will das Strafmaß „nicht kommentieren“. Aber: „Immerhin ist es jetzt einmal so weit gekommen, dass ein Täter verurteilt wurde. Jetzt kann niemand mehr behaupten, dass Missbrauch im Skisport kein aktuelles Thema mehr wäre, sondern ausschließlich Jahrzehnte zurückliegen würde.“Die in Wien lebende Tirolerin sagt, sie habe „maßlosen Respekt vor dem Buben und der Familie“, die den Trainer vor Gericht gebracht haben. „Der Weg, den sie gehen mussten, war kein leichter. Dieser Bub ist jetzt ein großes Vorbild.“
Dass sich Missbrauchsopfer künftig vermehrt trauen, Übergriffe zur Anzeige zu bringen, ist eine große Hoffnung von Nicola Werdenigg. „Sie müssen wissen, dass sie nicht allein sind, sondern dass es wirklich viele gibt, die hinter ihnen stehen.“