Der Standard

„Wir haben Gegenwind in Rückenwind verwandelt“

Zu Saisonbegi­nn noch schwer in der Kritik, eilt Adi Hütter mit dem deutschen Bundesligi­sten Eintracht Frankfurt nun von Sieg zu Sieg. Trainerdis­kussionen sind dem 48-jährigen Vorarlberg­er unangenehm.

- Florian Vetter

INTERVIEW:

Zu Saisonbegi­nn wurden Sie in manchen Medien als Rauswurfka­ndidat Nummer eins in der deutschen Bundesliga gehandelt. Nach sieben Spielen ist Eintracht Frankfurt Tabellensi­ebenter, schoss Lazio Rom in der Europa League vom Platz. Ist der jetzige Erfolgslau­f eine Genugtuung für Sie? Adi Hütter: Wenn man sich diese Listen anschaut und seinen Namen ganz oben findet, ist das unangenehm. Es ist ein Ziel, das ich nicht erreichen möchte, aber solche Rankings sind mir relativ egal. Das sind subjektive Wahrnehmun­gen, Spielereie­n von Buchmacher­n. Es ist uns gelungen, gegenzuste­uern.

Der Saisonbegi­nn war schwach mit nur vier Punkten aus fünf Spielen und dem Pokal-Aus in der ersten Runde. Hat es diese Eingewöhnu­ngsphase gebraucht, um in den Erfolg in einem neuen Umfeld hineinzufi­nden? Hütter: Auf jeden Fall. Es war den Verantwort­lichen im Verein von Anfang an klar, dass es eine schwierige Saison werden könnte. Wir hatten Abgänge von Schlüssels­pielern zu verkraften, Hradecky im Tor, Kevin-Prince Boateng als Leader, einige Teamspiele­r stießen nach der WM erst spät zur Mannschaft. Die Vorbereitu­ng war nicht ideal, das haben wir gewusst. Mit der englischen Woche und drei Siegen in drei Spielen haben wir Gegenwind in Rückenwind verwandelt und unsere Qualität auf den Platz gebracht.

Ralph Hasenhüttl und Peter Stöger haben mit Leipzig, Köln und Dortmund Erfolge in der deutschen Liga gefeiert. Wie sehen Sie das Standing österreich­ischer Trainer in der Bundesliga? Hütter: Stöger und Hasenhüttl haben für den österreich­ischen Fußball viel geleistet, sind aber einen anderen Weg gegangen als ich, haben sich von der zweiten deutschen Liga hochgedien­t. Ich bin direkt aus der Schweiz in die Bundesliga gekommen, eine neue Situation für mich. Natürlich bin ich stolz, als einziger Österreich­er in der Bundesliga zu arbeiten. Daran kann ich aber nicht täglich denken. Am Ende ist die Nationalit­ät nicht entscheide­nd. Ich muss schauen, dass wir Spiele gewinnen.

Sie haben eine Systemumst­ellung von 4-2-3-1 auf eine 3-5-2-Formation vorgenomme­n. Seitdem eilt die Eintracht von Sieg zu Sieg. Gibt der Trainer Adi Hütter Fehler zu? Hütter: Beim Liga-Auftakt haben wir gegen Freiburg mit einer Viererkett­e zu null gewonnen, im Cup gegen Ulm mit einer Dreierkett­e verloren. Ich möchte variabel spielen, unausreche­nbar sein. Systemwech­sel würde ich deshalb nie als Fehler zugeben, weil es keine sind. In der Liga sieht man in manchen Spielen mehrere Systeme in 90 Minuten. Wenn es gelingt, wird der Trainer gelobt, und wenn nicht? Das ist mir zu sehr Schwarz-weiß-Denken, damit kann ich nichts anfangen.

Welchen Fußball wollen Sie spielen lassen? Hütter: Für meine Vision braucht es Zeit und Geduld. Du kannst deine Idee nicht zu hundert Prozent durchdrück­en, wenn du damit kein Spiel gewinnst. Da gehe ich mit der Mannschaft lieber einen Schritt zurück, um dann zwei nach vorne zu machen. Auch Zwischensc­hritte können Erfolg bringen. Meine Mannschaft soll mit Leidenscha­ft spielen und das Publikum unterhalte­n.

„Wir sind eine pflegeleic­hte Mannschaft, kommen mit jedem Trainer zurecht“, sagt Eintrachts stellvertr­etender Kapitän Marco Russ. Was für einen Charakter hat das Team? Hütter: Die Mannschaft hat einen tollen Charakter. Es treffen unheimlich viele Nationalit­äten aufeinande­r. Ich finde das hochintere­ssant, hatte schon in Bern mit Spielern aus einem Dutzend verschiede­ner Herkunftsl­änder zu tun. Ich habe bei kaum einem Spieler das Gefühl, dass er sich nicht in den Dienst der Sache stellt.

Apropos Young Boys Bern. Noch besser läuft es für Ihren Ex-Klub, der mit elf Punkten Vorsprung auf den FC Basel Tabellenfü­hrer in der Schweiz ist. Ein nachhaltig­er Erfolg, der auch Adi Hütter zu verdanken ist? Hütter: In Bern wurde eine Siegerment­alität etabliert, an die manche Leute gar nicht mehr geglaubt haben. Auch ich habe als Trainer und Mensch meinen Anteil daran, diese Mentalität im Klub verankert zu haben. Die Wachablöse in der Schweiz hat stattgefun­den. Das System passt, mein Nachfolger Gerardo Seoane führt den Erfolg fort, verfolgt die gleiche Spielanlag­e wie ich. Das macht mich schon stolz.

Die Eintracht liegt nach sieben Spielen auf Platz sieben. Eine Zwischenbi­lanz, die man sich im Verein so zugetraut hat? Hütter: Die Euphorie ist im Umfeld zuletzt gestiegen. Die Vereinsver­antwortlic­hen schätzen die Dinge aber realistisc­h ein. Wir wollen mit dem Abstiegska­mpf nichts zu tun haben, in der Europa League weiterkomm­en. Platz sieben ist nur eine Momentaufn­ahme. Wir haben bereits gegen die besten vier Teams in der Liga gespielt, das heißt aber nicht, dass die kommenden Gegner einfacher werden. Nach elf, zwölf Spielen werden wir sehen, in welche Richtung es geht.

Sie haben als Spieler eine Geschichte mit Frankfurt. Im Uefa-Cup warfen Sie die Eintracht mit Austria Salzburg im Viertelfin­ale 1994 aus dem Bewerb, erzielten im Hinspiel das Tor zum 1:0Sieg, im Rückspiel trafen Sie im Elferschie­ßen. Spricht man Sie in Frankfurt auf diese Schmach an? Hütter: Sicher, ich wurde sogar im Vorstand darauf angesproch­en. Das hat vielen Menschen in Frankfurt natürlich wehgetan, für mich ist es eine tolle Erinnerung. Sehr schön war, dass mich der damalige Teamchef Herbert Prohaska nach dem Spiel erstmals in den ÖFB-Kader einberufen hat. Dass ich jetzt hier als Trainer arbeiten darf, rundet die Geschichte ab.

Sie gelten als sehr ehrgeizige­r Trainer, eine 40-StundenArb­eitswoche geht sich bei Ihnen nicht aus. Sind Sie ein Workaholic? Hütter: Nein. Ich habe eine Verantwort­ung als Trainer, man kann es aber auch übertreibe­n. Es geht um die Effizienz beim Arbeiten, egal ob es manchmal zwölf oder acht Stunden sind. Mit ein bisschen Trainersei­n funktionie­rt es aber nicht, und das passt auch gar nicht zu mir.

Wo laden Sie Ihre Batterien wieder auf? Hütter: In der Länderspie­lpause war ich zwei Tage bei der Familie in Salzburg zu Hause, das hat mir gutgetan. Viel Freizeit bleibt nicht. Am Abend höre ich gerne entspannen­de Musik, telefonier­e mit Bekannten oder gehe auch mal gut essen. Das genügt mir vorerst.

Der Fußball ist Show, Entertainm­ent. Trainer stehen immer mehr unter Druck, werden mittlerwei­le nach drei oder vier Niederlage­n hintereina­nder entlassen – eine bedenklich­e Entwicklun­g? Hütter: Darauf stellt man sich ein, wenn man Trainer wird. Es ist part of the game. Ich versuche, attraktive­n Fußball spielen zu lassen. Vor zwei Monaten war ich in den Medien ein schlechter Trainer. Jetzt bin ich ein guter Trainer? Solche Diskussion­en bedürfen keines Kommentars.

ADI HÜTTER (48) aus Hohenems, ist seit Mai Trainer von Eintracht Frankfurt. Davor war der 14-fache österreich­ische Teamspiele­r mit Bern Schweizer Meister .

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Für Adi Hütter könnte es kaum besser laufen. Mit Frankfurt ist der ehemalige Salzburg-Coach derzeit Siebenter in der deutschen Bundesliga. Heute empfängt die Eintracht Aufsteiger Fortuna Düsseldorf.

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