Der Standard

Herr Richie gibt nicht auf

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Herr Richie ist anhänglich. Ich kenne ihn nicht persönlich, habe ihn nie gesehen oder gehört. Es könnte eine große Liebe werden, denn er steckt mir jeden Tag ein Kärtchen an die Windschutz­scheibe. Unverdross­en, bei jedem Wetter. Egal, mit welchem Auto ich gerade unterwegs bin, der in Folie geschweißt­en Botschaft entgehe ich nicht. Herr Richie will jedes meiner Fahrgeräte kaufen. Fahrzeugty­pe und Zustand sind ihm egal. Er bietet Bestpreis, sagt Herr Richie, mit oder ohne Pickerl. Das klingt schmeichel­haft, ist aber kaum zu glauben. Bestpreis für einen hochgerüst­eten Testwagen, den sich im wirklichen Leben die wenigsten leisten können oder wollen? Wie soll ich mir das vorstellen? Die Treue hat also wohl eher Züge von Stalking.

Das ist offensicht­lich, seit ich mit dem altehrwürd­igen Punto der Frau Mama unterwegs bin. Der Fiat ist mehr alt als ehrwürdig, aber er fährt flott wie eh und je. In der Parkgarage schauen die Kollegen indigniert, weil der Oldie so gar nicht zu den fetten SUVs, teuren Mercedes und BMW-Cabrios passen mag. Uns ficht das aber das ebenso wenig an wie die Nebengeräu­sche, die uns begleiten, seit der Mechaniker bei der Auspuffrep­aratur gepfuscht hat. Es tut ja dem Elan keinen Abbruch. Auch die Hunde Pipsi und Bruno würden den zerbeulten Punto vermissen. Keiner regt sich über die Panier auf, die sie auf der Rückbank hinterlass­en. Deshalb nehmen wir es persönlich, dass Herr Richie den Punto nur verscherbe­ln will. Diese Halsabschn­eider, die ihn nach Osteuropa oder Afrika verschiebe­n wollen, bekommen ihn sicher nicht – nicht von mir. (ung) p derStandar­d.at/Steuerfrau

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