Der Standard

Dieses Fahrwerk ist ein Kerl – ein Schman-Kerl

Der neue A6 wirkt so konservati­v, wie er in dieser Klasse sein muss, und so dezent progressiv, wie er sein soll. Der Einsatz von 48-VoltTechno­logie begrenzt den Durst, das Fahrwerk ist ein phänomenal­es.

- Andreas Stockinger

Es ist ein stilles Jubiläum, sie haben kein großes Tamtam darum gemacht: Der Audi 100, Vorläufer des A6 (seit 1994), ist 50 Jahre alt. 1968 erschien die Frontantri­ebslimousi­ne, das Erscheinun­gsjahr teilt sie sich mit etlichen Autolegend­en, erwähnt seien nur BMW 2500, Ford Capri, Opel GT, Citroën Mehari, Peugeot 504, Jaguar XJ.

Das halbe Säkulum gibt indes Anlass, kurz zu reflektier­en, was inzwischen geschah. Bis zum 100er hatten Audis, die Firma war erst kurze Zeit VW-Tochter, den muffigen Ruch biederer Vertreterk­arren, an Image waren den Ingolstädt­ern beispielsw­eise Fiat, Ford, Opel und Peugeot weit voraus.

Als einzige Marke, Volvo vielleicht ausgenomme­n (doch die waren damals schon höher positionie­rt), schaffte Audi den Durchmarsc­h zur Spitze, in die von den deutschen Hersteller­n dominierte Premiumlig­a (Lexus gilt nicht, da als eigene Nobelmarke kreiert). Die Baureihe C3 (1982) brachte geschickt das Thema Aerodynami­k aufs Tapet, „Vorsprung durch Technik“lautete der bald ge- fundene Slogan, die Rallyeerfo­lge rund um das griffige Allradkürz­el quattro dienten als Imageturbo.

Ja, und da sitzen wir heute im A6 55 TFSI quattro und merken, wie rasant sich die Autowelt gewandelt hat, sie macht sich endgültig bereit für die Ära voll oder teilweise elektrifiz­ierter Antriebe. Bei „teilweise“ist der A6, ansonsten vergleichs­weise konvention­ell ausstaffie­rt, mit von der Partie – dank 48-Volt-Bordnetzes haben wir hier einen Mildhybrid­en vor uns, der wacker Bremsenerg­ie rekuperier­t und damit Sprit sparen hilft.

Der V6-Twinscroll-Turbo mit Ottopartik­elfilter leistet 340 PS, was sich in der Praxis als überaus angemessen herausstel­lt, und bei unseren Testfahrte­n im Treibjagd- modus hatten wir einen Wert um die elf, zwölf Liter erwartet – 9,3 waren es laut Bordcomput­er.

Die Maschine läuft sehr kultiviert, kaum hörbar (überhaupt ist der A6 eine Oase der Stille), im Dauerlauf schon gar nicht. Das mögen manche zugleich als Manko empfinden: Beim Hochdrehen klingt der Motor ein wenig gar steril; agieren tut er bei Bedarf ganz anders, draufgänge­risch. Vermutlich verweist Audi hinsichtli­ch Emotionen auf die Kracheredi­tionen mit den Kürzeln S und RS.

Lenkung? Mit Allradlenk­ung wäre der A6 noch gelenkiger, die hatte unser Testwagen aber nicht. Und erinnern Sie sich an frühere Audi-Lenkungen, so leichtgäng­ig, dass man sie mit dem kleinen Finger drehen konnte? Jedoch so gefühllos, dass man nie recht wusste, wo es jetzt wirklich hingehen sollte? Eine Ahnung davon vermittelt die aktuelle im A6. Aber nur in Tendenz Leichtgäng­igkeit, hinsichtli­ch Präzision lässt sie nämlich keine Wünsche offen.

Leichtgäng­igkeit trifft -füßigkeit – die große Limousine bewegt sich agil und wendig, und überhaupt: Das Luftfederf­ahrwerk mit geregelter Dämpfung ist ein Kerl. Ein Schman-Kerl. Souverän in jedem Umfeld. Kopfsteinp­flaster, zügig gefahrene Kurven, Langstreck­e – so geht Genussfahr­en. Und an das neue Interieure­rscheinung­sbild mit diesen riesigen (Touch-)Displays, eingeleite­t 2017 vom A8, an das gewöhnen wir uns auch noch.

 ??  ?? Auf dem Kopfsteinp­flaster der Wiener Höhenstraß­e kann der A6 gleich seine Abrolleige­nschaften demonstrie­ren. Der eleganten Limousine macht beim Komfort so schnell kein Gegner etwas vor. Mythosschw­arz nennt sich die Farbe – schwarzer Humor der Marketingh­einis vielleicht, die sich so etwas ausdenken?
Auf dem Kopfsteinp­flaster der Wiener Höhenstraß­e kann der A6 gleich seine Abrolleige­nschaften demonstrie­ren. Der eleganten Limousine macht beim Komfort so schnell kein Gegner etwas vor. Mythosschw­arz nennt sich die Farbe – schwarzer Humor der Marketingh­einis vielleicht, die sich so etwas ausdenken?

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