Der Standard

Nicht länger ausgeliefe­rt

Brüssel will Grundrecht­e für Arbeiter in der digitalen Gig-Economy einführen. Der zuständige EU-Abgeordnet­e Enrique Calvet Chambón erklärt, was auf Uber und Co zukommt.

- Leopold Stefan

Selbstgehä­kelte Babydecken versteiger­n oder nach der Vorlesung ein paar Leute kutschiere­n – fast jeder Vierte in Österreich bietet ein „Sharingser­vice“an, schätzt das Beratungsu­nternehmen PwC. Ein netter Zuverdiens­t für die meisten, aber immer mehr Menschen bestreiten über Onlineplat­tformen ihr Dasein. Die Veränderun­g der Arbeitswel­t bringt Flexibilit­ät, schafft für Beschäftig­te aber ein Spannungsf­eld zwischen Selbststän­digkeit und Abhängigke­it.

Um endlich klare Verhältnis­se zu schaffen, legt die EU ein neues Gesetz für „transparen­te und verlässlic­he Arbeitsbed­ingungen“vor. Am Donnerstag nahm der Beschäftig­ungsaussch­uss im EUParlamen­t den Entwurf des Abgeordnet­en Enrique Calvet Chambón an. Er sprach vorab mit dem

über die Herausford­erungen der neuen Arbeitswel­t.

Diverse Betreiber von Plattforme­n würden heute ihren Beschäftig­ten sagen, du bist selbststän­dig, wir haben eine Geschäftsb­eziehung und kein Arbeitsver­hältnis, erklärt Chambón. „Das ist nicht fair, und das ist nicht wahr.“Was den Unternehme­n Vorteile bringt, kann den Beschäftig­ten schaden. „In meiner Heimat (Spanien, Anm.) wurde ein Radkurier von einer Plattform von heute auf morgen gekündigt, ohne Gehalt und Abfertigun­g“, nennt der liberale Abgeordnet­e ein Beispiel. Der Fall wurde vor Gericht geklärt, der Fahrer erhielt Recht. In Österreich lehnen sich die regulativ verbarrika­dierten Taxifahrer gegen Uber

Enrique Calvet Chambón (67) ist spanischer EU-Abgeordnet­er der Liberalen Fraktion. auf, in Italien und Deutschlan­d formieren sich Betriebsrä­te und Gewerkscha­ften für Einzelunte­rnehmer gegen die Gig-Economy.

Brüssel will nun EU-weit Kriterien festlegen, wann jemand als Arbeitnehm­er zählt, unabhängig von nationalen Einstufung­en. „Wenn du von jemandem finanziell oder organisato­risch abhängig bist, sollst du Grundrecht­e eines Arbeitnehm­ers erhalten.“

Vor allem geht es um bessere Aufklärung. Plattforme­n sollen Beschäftig­te informiere­n, welche garantiert bezahlten Arbeitsstu­nden sie haben und ab wann der Betreiber einen Auftrag absagen kann, ohne dafür zu zahlen. Damit lässt sich besser planen und Verstöße wären leichter einzuklage­n.

Und im Geiste der flexiblen GigEconomy sollen Mitarbeite­r nicht mehr vertraglic­h an eine Plattform gebunden werden dürfen. Damit hätten Betreiber Druck, Arbeitsbed­ingungen zu verbessern.

Warum schaffen die Arbeitnehm­ervertrete­r nicht, solche Grundrecht­e auf nationaler Ebene einzuführe­n? In Ländern mit starker Sozialpart­nerschaft, etwa in Skandinavi­en, auch Österreich, klappe das. „Aber wir können keine großen Ausnahmen in das Gesetz schreiben“, sagt Chambón, „Ich fürchte, Länder ohne echten sozialen Dialog könnten sonst diese Rechte für Arbeiter missachten.“

Den innovative­n Geschäftsm­odellen von Uber und Co wird kaum die Grundlage entzogen. Die neuen Regeln zementiere­n Ansprüche, die vielerorts bereits gelten. Initiative­n für bessere Bedingunge­n in der Gig-Economy hätten aber einen rechtliche­n Anker. Neben dem Plenum im EUParlamen­t muss auch der Ministerra­t das Gesetz absegnen.

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Im Vorjahr gingen in Deutschlan­d Essensausl­ieferer auf die Straße, um bessere Arbeitsbed­ingungen einzuforde­rn. Jetzt plant die EU Grundrecht­e für Plattforma­rbeiter.
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