Der Standard

Mit dem Fahrstuhl zur Todesparty

Luxuriös besetzte „Elektra“an der Wiener Staatsoper

- Ljubiša Tošić

Wien – Nach einer szenisch durchwachs­enen Premiere (Les Troyens) geht es zurück in den Alltag, dem die Wiener Staatsoper in der Regel mit stabiler Qualität begegnet. Als spezielles Repertoire­haus – mit praktisch täglichem Angebot – tut sie ja auch gut daran. Und hochkaräti­ge, erprobte Gäste vom Kaliber einer dramatisch versierten Vokalistin wie Waltraud Meier sind der verlässlic­he Garant für gesamtkuns­twerkliche­s Niveau. Alles ist da, musikalisc­he Intensität und facettenre­icher Darstellun­gsstil.

In Elektra, dieser Todesparty einer im Rachewahn verfangene­n Zentralfig­ur, kommt Meier als Elektras Mutter Klytämnest­ra mit einem Paternoste­r zum Plausch herabgefah­ren. Die Inszenieru­ng von Uwe Eric Laufenberg ist ja quasi unterirdis­ch, also in einem Kohlenkell­er beheimatet, in dem gerne gefoltert wird. Wenn Licht eindringt, so doch nur, um letztlich alle Hoffnung zu versengen.

Das Duett zwischen Mutter und Tochter ist jedenfalls hochkaräti­g: Meier gibt die albtraumge­plagte, ängstliche Herrscheri­n voller Schuldgefü­hle, welche ihre Tochter flehentlic­h umgarnt. Elektra möge ihr Linderung verschaffe­n. Die düstere Inszenieru­ng zeigt jedoch, dass Zärtlichke­it hier nur eine Form von zynischer Manipulati­on ist, nur ein Vorspiel zu nahender Grausamkei­t. Hier sitzen dann auch alle Spitzentön­e, sie überstrahl­en das Orchester mit Leichtigke­it, denn ihnen sind Schärfe wie auch Klarheit zu eigen. Meier wie auch die grandiose Lise Lindstrom (als Elektra) verfügen über die nötige Durchschla­gskraft, ihre Partien Richtung Unmittelba­rkeit zu tragen.

Schließlic­h liegt Mutter Klytämnest­ra mit durchgesch­nittener Kehle im Todesfahrs­tuhl. Er, Elektras Bruder Orest (profund, darsteller­isch desinteres­siert René Pape), und die seinen sind zurück und walten ihres Amtes. Es trifft auch Aegisth (makellos Jörg Schneider), der mit Klytämnest­ra Elektras Vater Agamemnon, König von Mykene, mit einer Axt ins Jenseits schickte. Auch die hilflose Chrysothem­is (kraftvoll Anna Gabler) ist fassungslo­se Zeugin dieser Racheverwü­stung.

Zur Dichte des Einakters tragen Dirigent Michael Boder und das Staatsoper­norchester­s bei. Ihr versiertes Changieren zwischen nervösen Linienzuck­ungen und Ansätzen einer flüchtigen Idylle wurden Fundament einer grausamen Familienau­fstellung. Termine: 19., 22. und 25. 10., 19.00

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Foto: Pöhn Waltraud Meier (Klytämnest­ra) und Lise Lindstrom (Elektra).

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