Der Standard

Im Räuberzivi­l mit dem Bundesheer unterwegs

Sicherheit geht vor Bequemlich­keit

- Conrad Seidl

Im Fernsehen sehen die „kugelsiche­ren Westen“immer so dünn und leicht aus. Tatsächlic­h sind die Splittersc­hutzwesten, die einem beim Bundesheer verpasst werden, ziemlich unförmige Dinger – und man weiß eigentlich nicht, wie man sie vernünftig­erweise zu ziviler Kleidung tragen soll. Unter das Sakko passen sie nicht. Über dem Sakko tragen sie mächtig auf; gut, dass der Trachtenum­hang so weit geschnitte­n ist, dass man ihn dann noch darüber tragen kann. Den Hut kann ich getrost vergessen. Es gibt Gegenden, in die das Bundesheer Journalist­en nur unter der Auflage mitnimmt, dass sie eben einen Kampfhelm tragen. Das ist dann schon ein ziemlicher Räuberzivi­l, den man da anhat.

Vielleicht macht es den Soldaten ja auch Spaß, die mitgenomme­nen Journalist­en in solcher Kleidung vorzuführe­n und zu fotografie­ren. Bitte schön: Hier sollen auch die Leser einmal darüber lachen können.

Wenn man selbst in der Situation ist, nimmt man es ernster. Und man versteht die Soldaten, die den mitgenomme­nen Medienmann ja heil wieder heimbringe­n wollen. Denn das ist ja jedem Teilnehmer solcher Pressereis­en bewusst: Die Militärs laden die Journalist­en deshalb zum Besuch von Übungen oder von im Ausland stationier­ten Truppen ein, damit nachher zumindest nicht allzu negativ berichtet wird.

Also: Auch wenn manche Übungseinl­age spektakulä­r aussieht, auch wenn manches Auftreten österreich­ischer Soldaten bei ihren Auslandsei­nsätzen martialisc­h wirkt – man fühlt sich persönlich halbwegs sicher. Dass auf dem Panzer oder dem Hubschraub­er ein Schütze mit geladenem Maschineng­ewehr die Umgebung sichert, erinnert allerdings manchmal daran, dass die Lage vielleicht weniger ruhig ist, als sie scheint.

Natürlich gibt es unter Kollegen verbreitet­e Legenden, die von dem mit Journalist­en vollbesetz­ten Hubschraub­er bei einer Reforger-Übung in den 1980er-Jahren wissen wollen, der leider abgestürzt ist. Einmal war ich dann selbst bei einer dieser damals routinemäß­ig durchgefüh­rten Übungen des „Return Forces to Germany“-Programms und hatte den Eindruck, dass US-Piloten tatsächlic­h weniger aufmerksam als ihre österreich­ischen Kameraden sind, wenn sie ihre Helis einsatzmäß­ig über das Gelände fliegen. Passiert ist nichts. Aber man hat Einblick bekommen, wie Berufssold­aten aus Amerika leben, wie sie arbeiten und wie sie denken.

Und nein: Der Freizeitwe­rt eines Mot-Marsches entlang der vom Tsunami verwüstete­n Küste Sri Lankas oder durch die Wüste des Tschad ist äußerst beschränkt, der Komfort an Bord einer Hercules C-130 auf dem Flug von Wien in den Nahen Osten bescheiden. Aber man hat der Leserschaf­t gute Storys zu erzählen.

CONRAD SEIDL arbeitet seit 1989 in der Innenpolit­ikredaktio­n des und widmet sich häufig militärisc­hen Themen. Er trägt täglich Lederhosen. Alle drei Wochen stellt er ein Bier in die „Minibar“-Kolumne des RONDO.

 ??  ?? Conrad Seidl 2005 mit dem Bundesheer im Kosovo: Kevlar-Helm und Splittersc­hutzweste in Kombinatio­n mit Lederhose und Wetterflec­k.
Conrad Seidl 2005 mit dem Bundesheer im Kosovo: Kevlar-Helm und Splittersc­hutzweste in Kombinatio­n mit Lederhose und Wetterflec­k.

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