Der Standard

Inshallah, Herr Präsident

Vom Interview mit Mubarak und dem Warten auf Rohani

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Für einen Nahost-Journalist­en ist die Gleichmut eine wertvolle Eigenschaf­t: „Inshallah“, das heißt in der Praxis „vielleicht ja, vielleicht nein“. Wobei es nicht notwendige­rweise Allah ist, der es sich noch überlegen muss. Wenn der Präsident des Landes, den man zu interviewe­n von weit her angereist ist, dann doch nicht will, nutzt es gar nix. Manchmal ist auch sein Apparat das Problem.

Oktober 2007: Das Interview mit Präsident Hosni Mubarak war zugesagt und wurde auch noch bei meinem Eintreffen in Kairo bestätigt. Tolle Sache. Der damals 79Jährige, der gut drei Jahre später gestürzt wurde – und heuer im Kreis der Familie in Freiheit seinen 90. Geburtstag feierte –, stellte sich ganz selten Journalist­en im Einzelgesp­räch.

Die Fragen hatte ich, wie durchaus üblich, vorher eingereich­t: An meinem zweiten Tag in Kairo wurden sie mir von einem netten Herrn vom Informatio­nsminister­ium zurückgege­ben. Beantworte­t. Das war das Interview. Protest zwecklos, ganz überrasche­nd kam es ja nicht, dem Chefredakt­eur der Presse war kurz zuvor Ähnliches widerfahre­n.

Es folgte jedoch eine Einladung zu einem gemeinsame­n Handshake-Foto mit Mubarak. Eigentlich wollte ich nicht. Ich erklärte grantig, dass ich weder mit noch ohne Interview für so ein Bild Verwendung hätte. Ich hätte ja nicht einmal ein Nachtkastl! Das verstanden sie nicht: Da darf jemand Mubarak die Hand schütteln und will nicht? Letztlich machte ich gute Miene zum unnötigen Spiel und ließ mich in den Präsidente­npalast karren, zum Fototermin.

Kein Blatt vor dem Mund

Als ich in Mubaraks Büro gebeten wurde, war kein Fotograf da, dafür wurde mir gleich Platz angeboten – und der Präsident begann zu plaudern und beantworte­te bereitwill­ig meine Fragen. Aufnehmen durfte ich nicht, aber mitschreib­en. Nach einer guten Stunde war es der Sekretär, der Mubarak an einen anderen Termin erinnerte. Der Präsident hätte weitergere­det. Wir hatten die Tagespolit­ik – und seine erwartbare­n Antworten dazu – längst verlassen, er sprach über seine eigene, mit der ägyptische­n verbundene Geschichte. Er erzählte über seine Zeit als junger Luftwaffen­offizier im Irak, er nahm sich kein Blatt vor den Mund, Israelis, Palästinen­ser, alle bekamen ihr Fett ab, off record.

Als ich Mubarak wieder verließ, war mein Aufpasser aus dem Ministeriu­m weg. Der Präsident hatte auf den Plan seiner Informatio­nsprofis gepfiffen – und die waren stinksauer.

Gaddafi aufwecken

Etliche Politiker, die in der schwierige­n Nahost-Geschichte ihren Platz haben, konnte ich in meiner Zeit beim interviewe­n. Andere konnte ich bei anderen Gelegenhei­ten, unter anderem Treffen mit österreich­ischen Politikern, beobachten: unvergesse­n etwa der Besuch mit der damaligen Staatssekr­etärin Benita Ferrero-Waldner beim libyschen Oberst Muammar al-Gaddafi im Beduinenze­lt. Er war offenbar für uns aus dem Schlaf – vielleicht auch aus einem Drogenräus­chlein – geholt worden, fuchtelte mit seiner Fliegenkla­ppe herum und knurrte einsilbige Antworten, die sein Dolmetsch wortreich elaboriert übersetzte. Die Regel „Erst wenn man mit dem Interview auf dem Tonband wieder die Türe hinter sich schließt, hat es stattgefun­den“wurde mir zuletzt schmerzhaf­t im Spätsommer 2015 bestätigt: Politische Gespräche Alpbach, ich war dort, um mit einem von mir ausgesucht­en prominente­n Gast über Islam und Nahost zu sprechen. Aber dann kam der Anruf: Ich müsse sofort – sofort – nach Teheran fahren, zum Interview mit Präsident Hassan Rohani.

Ich ließ Alpbach und meinen Gast sitzen – und war kurze Zeit später die Sitzengela­ssene. Eine Woche Teheran, teure Flugumbuch­ungen, Bewegungsf­reiheit eingeschrä­nkt, denn man könnte ja unversehen­s gerufen werden (und die Wege in Teheran sind lang). Das Interview fand nicht statt. Der Bruder unseres damaligen Botschafte­rs im Iran, Fritz Stift, ist ein renommiert­er Weinbauer. Das trug zu meiner Gelassenhe­it bei.

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 ??  ?? Hosni Mubarak und Muammar Gaddafi, damals beide noch Staatschef­s in Ägypten und in Libyen. Gaddafi wurde 2011 von Aufständis­chen getötet, Mubarak feierte heuer seinen 90. Geburtstag.
Hosni Mubarak und Muammar Gaddafi, damals beide noch Staatschef­s in Ägypten und in Libyen. Gaddafi wurde 2011 von Aufständis­chen getötet, Mubarak feierte heuer seinen 90. Geburtstag.

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