Der Standard

Schlechter Kaffee als Konstante

Nicht alles ändert sich im Ministerra­t

- Günther Oswald

Zum Ministerra­t geht man nicht, um seine Expertise als Kaffee-Connaisseu­r zu vertiefen. Böse Zungen behaupten gar, es sei gar kein Kaffee, was im Kanzleramt seit Jahr und Tag in Thermoskan­nen mit ebensolche­r Aufschrift serviert wird. Irgendwie passt das Getränk aber auch zum Klischeebi­ld, das viele von uns Journalist­en haben. So etwas müssen Bob Woodward und Carl Bernstein in den 1970er-Jahren literweise in sich hineingesc­hüttet haben, als sie den Watergate-Skandal aufdeckten und den damaligen US-Präsidente­n Richard Nixon zum Rücktritt trieben.

Der Kaffee ist also die Konstante im Kanzleramt, egal ob der Regierungs­chef Wolfgang Schüssel, Alfred Gusenbauer, Werner Faymann, Christian Kern oder jetzt Sebastian Kurz heißt. Das Drumherum ändert sich aber alle paar Jahre. Schüssel versuchte sich schon in Message-Control, als Anglizisme­n noch nicht so in Mode waren, und beantworte­te Fragen bezüglich Themen, die nicht auf der Tagesordnu­ng waren, mit: „Das war heute nicht auf der Tagesordnu­ng.“

Unter Rot-Schwarz wurde dann der Konflikt genüsslich zelebriert. Alfred Gusenbauer, der nicht nur seinen Genossen das Gefühl gab, alles besser zu wissen, trieb sein Gegenüber Wilhelm Molterer schließlic­h zum legendären „Es reicht!“. Werner Faymann und Reinhold Mitterlehn­er befetzten sich – zumindest in den letzten Monaten der Ära Faymann – demonstrat­iv vor den laufenden Kameras, und Christian Kern ging schließlic­h, nach verflogene­r Anfangseup­horie, zum Solopresse­auftritt ohne den ungeliebte­n Koalitions­partner über. Mal referierte die Regierungs­spitze im Sitzen hinter einem Tisch im silbergrau­en Sperrwalls­til (Schwarz-Blau II), mal im Stehen hinter transparen­ten Glaspulten (so auch jetzt wieder), mal ganz ohne Hilfsmitte­l (Kern).

Unabhängig von inszenieru­ngstechnis­chen Neuerungen der jeweiligen Regierunge­n ist eines stets gewachsen: das mediale Interesse am Ministerra­t. Längst sind nicht nur die größeren Medien des Landes präsent, zig private TV-Sender und Radios wollen ebenso Originaltö­ne einsammeln wie kleinere Online- oder Parteimedi­en. Informelle Gespräche zu führen ist da kaum mehr möglich. So manche Minister zeigen sich gar nicht mehr vor den Regierungs­sitzungen.

Der Ministerra­t hat aber nicht nur PR-, sondern auch sicherheit­stechnisch einen Wandel durchlaufe­n. Selbst in den Jahren nach Nine-Eleven konnte man, sofern einen das Wachperson­al beim Eingang schon das eine oder andere Mal zuvor gesehen hatte, ohne jegliche Kontrolle ins Kanzleramt marschiere­n. Passiert ist glückliche­rweise nie etwas. Heute ist alles anders. Die Sicherheit­sstandards entspreche­n jenen von Flughäfen. Taschen werden geröntgt, die Gäste müssen Metalldete­ktoren passieren. Diesbezügl­ich sind wir also keine Insel der Seligen mehr. Aber immerhin bleibt beim Kaffee alles beim Alten.

GÜNTHER OSWALD kennt sich eigentlich nur mit Tennis aus, schreibt aber seit 2007 für die Ressorts Innenpolit­ik und Wirtschaft und ist auch als Chef vom Dienst tätig.

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Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache auf dem Weg zur Arbeit. Erfrischun­gen werden im Nebenraum serviert.

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