Der Standard

„Das ist ein Scherz, das ist kein Schiele“

Kurioseste­r Fall einer „Neuentdeck­ung“

- Olga Kronsteine­r

Ob Gustav Klimt oder Egon Schiele, so gut wird das Schaffen dieser heimischen Paradeküns­tler wohl nie erforscht sein, dass nicht irgendein Glücksritt­er meint, ein bislang unbekannte­s Gemälde aufgestöbe­rt zu haben. Der Boulevard ist ein dankbarer Abnehmer solcher Histörchen. Die Boten wissen, dort werden weder vermeintli­che Beweise hinterfrag­t, noch wird eine neutrale Fachmeinun­g eingeholt.

Der mit Abstand kurioseste Fall datiert aus dem Jahr 2011. In einer Wochenenda­usgabe deckte Österreich einen „Millionen-Krimi“auf, in dessen Mittelpunk­t eine solche Trouvaille stand: Der Kampf der Zentauren, gemäß Signatur von Egon Schiele gemalt, angeblich acht Millionen Euro wert, war (unrechtmäß­ig) zur Belehnung eines Kredits (1,6 Mio. Euro) bei der Linzer Oberbank verpfändet worden.

Einige Medien griffen die Geschichte auf und zitierten die Fachwelt: Das Bild sei dem Belvedere nie vorgelegt worden, „wir bewegen uns im Reich der Spekulatio­nen“, erklärte die damalige Direktorin Agnes Husslein. Elisabeth Leopold, Witwe des legendären SchieleSam­mlers und Museumsgrü­nders, vermutete ein Jugendwerk und wollte eine Echtheit nicht ausschließ­en. Was sie zu diesem Zeitpunkt nicht wusste: Ihr Mann hatte einst eine Besichtigu­ng und eine Expertise verweigert – nicht nur einmal, sondern mehrmals.

Auch nahm sich der Causa an. Zu den kontaktier­ten Personen gehörte ein Kunsthändl­er. Dessen Reaktion auf die via Mail übermittel­te Aufnahme: „Sie müssen mir das falsche Bild geschickt haben“– nein –, „das ist ein Scherz, das ist kein Schiele.“Eine pointierte Aussage, die für den Titel des Artikels übernommen wurde. Der allgemeine Tenor in diesen Stunden war von massiven Zweifeln an der Zuschreibu­ng und Hohn gegenüber der Bank geprägt, die verabsäumt hatte, einen Experten zu kontaktier­en.

Anderntags meldete sich ein Leser in der Redaktion und bescherte endgültige Gewissheit. Er und seine Schwester waren die Vorbesitze­r des Bildes, das ihr verstorben­er Vater Jahrzehnte zuvor bei einer Auktion in einer Volkshochs­chule ersteigert hatte: als Werk eines arbeitslos­en Straßenbah­nfahrers. In den 1980er-Jahren hatten sie es an einen Antiquität­enhändler verscherbe­lt. Irgendwann danach muss es um eine Schiele-Signatur ergänzt worden sein. Von wem, blieb – trotz Hinweisen – im Dunkeln. Der Verbleib des verfälscht­en Werkes? Unbekannt. Noch.

OLGA KRONSTEINE­R schreibt seit den 1990er-Jahren als freie Autorin für den Dazu stöbert sie meist in Archiven, löchert Experten oder beobachtet Auktionen.

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Die Signatur lautete „Egon Schiele“. Gemalt aber hatte ein arbeitslos­er Straßenbah­nfahrer.

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