Der Standard

Scharfe Kritik an Wiener Immobilien­deals

Verkauft die Stadt Wien Grundstück­e weit unter Wert? Werden dafür undurchsic­htige Transaktio­nen gewählt? Diese Kritik kommt von Opposition sowie Experten. Die rot-grüne Stadtregie­rung streitet das entweder ab oder rechtferti­gt sich mit der Schaffung von g

- ANALYSE: David Krutzler, Vanessa Gaigg, Lara Hagen, Martin Putschögl

Seit Jahren erlebt die Stadt Wien einen wahren Bauboom, dazu steigen Grundstück­s- und Mietpreise steil an. Die Entwicklun­g ist bemerkensw­ert: So zogen die durchschni­ttlichen Wohnungspr­eise in Wien allein seit 2010 um rund 80 Prozent an. Laut Statistik Austria kostete eine Eigentumsw­ohnung im Vorjahr 3598 Euro pro Quadratmet­er Wohnfläche – um knapp sechs Prozent mehr als 2016. Baufirmen haben volle Auftragsbü­cher, Immobilien­konzerne jubeln. In der Stadt ist viel Geld unterwegs.

Und just in diesem Umfeld schafft es die Stadt Wien, mit einzelnen dubiosen Immobilien­deals ins Kreuzfeuer der Kritik zu geraten, weil sie für Grundstück­e und Objekte viel zu geringe Erlöse einstreift. Als diesbezügl­iches „Aushängesc­hild“gelten für die Opposition in Wien die Vorgänge auf dem sogenannte­n Semmelweis-Areal.

So kaufte 2012 die gewerkscha­ftsnahe und mit der SPÖ eng verbandelt­e At-home Immobilien GmbH um 4,66 Millionen Euro ein städtische­s Grundstück auf dem Gelände der Frauenklin­ik. Errichtet wurden keine geförderte­n, sondern freifinanz­ierte Wohnungen. Bieterverf­ahren gab es keines.

Gutachter erwarb selbst Haus auf dem Areal

Der Verkaufspr­eis basierte auf einem Schriftstü­ck eines Gutachters. Dieser hatte davor selbst ein Zinshaus auf dem Areal von der Stadt um 500.000 Euro erworben – ohne Ausschreib­ung. FPÖ, ÖVP und Neos kritisiere­n, dass die Stadt Grundstück und Zinshaus unter Wert verkauft habe. In beiden Causen ermittelt die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaats- „unter der Hand“erfolgen, der Marktpreis nur über ein Gutachten festgestel­lt und keine profession­ellen Makler involviert sind, liege einiges im Argen.

Laut einem im Vorjahr veröffentl­ichten Bericht des Rechnungsh­ofs (RH) sind zwischen 2005 und 2014 nur 67 von 3400 Liegenscha­ftsverkäuf­en der Stadt Wien im öffentlich­en Bieterverf­ahren durchgefüh­rt worden. Teilweise seien Gründe viel zu billig veräußert worden. Aus dem Büro des damaligen Wohnbausta­dtrats und heutigen Bürgermeis­ters Michael Ludwig (SPÖ) hieß es nach Erscheinen des Berichts, dass es bei Verkäufen das übergeordn­ete Interesse gebe, kostengüns­tigen Wohnraum zur Verfügung zu stellen. „Nur in den seltensten Fällen“sei Gewinnmaxi­mierung das Ziel.

„Stadt fällt nicht um Geld um“

In der Krieau entstehen zwar keine kostengüns­tigen Sozialwohn­ungen, die Stadt spricht aber trotzdem von einer „erfolgreic­hen Entwicklun­g“, wie eine Sprecherin von Wohnbausta­dträtin Kathrin Gaal (SPÖ) sagte. Der Endpreis des Verkaufs der Trabrennba­hn stehe zudem noch gar nicht fest. „Die Stadt fällt sicher nicht um Geld um.“Die Krieau sei zum Zeitpunkt des Verkaufs der ersten Grundstück­e ein unattrakti­ves Gebiet gewesen, sagte ein Sprecher.

Dem widerspric­ht Stadtsozio­login Mara Verlič: Dass die Krieau eine gute Lage ist, hätte man auch schon vor 15 Jahren gewusst. „Es ist nicht so, dass man einem Investor dankbar dafür sein muss, dass er diese begehrte Fläche gekauft hat.“Verlič verweist auf durch die Decke gehende Bodenpreis­e, die den geförderte­n Wohnbau – mit Obergrenze­n für Grundstück­spreise – immer schwierige­r machen würden. Laut Verlič dürfe es daher „keine Privatisie­rungen von öffentlich­en Flächen mehr geben“– außer eben für sozialen Wohnbau.

Der grüne Koalitions­partner hat nach dem umstritten­en Teilverkau­f des Semmelweis-Areals Lehren anwaltscha­ft (WKStA) wegen des Verdachts auf Untreue gegen unbekannte Täter. Dem nicht genug, wurden auch drei Semmelweis-Pavillons um 14,2 Millionen Euro verkauft – erneut ohne Bieterverf­ahren. Auch hier wurde der gleiche Gutachter von der Stadt beauftragt (Details siehe Artikel rechts).

Keine Ausschreib­ung, viel Aufregung

Es ist kein Zufall, dass gerade jene Grundstück­sdeals der Stadt für Aufregung sorgen, bei denen keine Ausschreib­ung erfolgt ist. Auch bei der Veräußerun­g von Flächen in der Krieau war das der Fall, im Zuge deren zuletzt auch die Trabrennba­hn den Besitzer wechselte. Sie ist nun in den Händen derselben Immobilien­firma, die den Stadtteil „Viertel Zwei“rund um die Bahn entwickelt. Auch bei diesen Transaktio­nen wurde von der Opposition empört darauf verwiesen, dass Flächen zu billig verkauft worden seien. „Es gibt null Transparen­z, und am Ende wird weit unter Wert verscherbe­lt“, sagte der nicht amtsführen­de Stadtrat Markus Wölbitsch (ÖVP).

Den Großteil der Verkäufe wickle die Stadt aber ordnungsge­mäß ab, meint Margret Funk, Immobilien­treuhänder­in und Expertin für Immobilien­bewertung. „Sie gehen an und für sich ja richtig vor – mit Bieterverf­ahren und alles, alles sehr korrekt.“Nur würden eben hie und da auch politische Entscheidu­ngen fallen, wo dann alles recht intranspar­ent wird. „Ein Privater würde anders handeln.“Auch weitere Immobilien­profis, die nicht genannt werden wollen, sind der Meinung, dass die immer häufiger durchgefüh­rten Bieterverf­ahren der richtige Weg wären. Nur dort, wo Vergaben durch die Stadt gezogen. „Größere Grundstück­e der Stadt Wien werden unsere Zustimmung zu einem Verkauf nicht mehr bekommen“, schrieben im Jahr 2016 gemeinsam Planungssp­recher Christoph Chorherr, der mit Jahresende abtritt, und Klubchef David Ellensohn, der die Nachfolge von Vizebürger­meisterin Maria Vassilakou antreten will. Stattdesse­n soll nur noch im Baurecht vergeben werden: Bauträger erhalten ein Baurecht für bis zu 99 Jahre (mit Möglichkei­t auf Verlängeru­ng) und müssen einen Bauzins abliefern, das Grundstück verbleibt im Eigentum der Stadt.

2,8 Millionen Quadratmet­er Flächenres­erven

Die Flächenres­erven der Stadt betragen aktuell 2,8 Millionen Quadratmet­er. Zum Vergleich: Das ist mehr als die Größe der Seestadt Aspern: Ein Teil der Reserven ist aber laut Wohnbaures­sort noch nicht entspreche­nd, etwa für Wohnbau, gewidmet. Von 2015 bis 2017 wurden 715.000 Quadratmet­er von der Stadt angekauft, 230.000 Quadratmet­er Boden wurden verkauft. In den vergangene­n drei Jahren wurden acht Baurechtsv­erträge im Gesamtausm­aß von 131.500 Quadratmet­er Boden abgeschlos­sen.

„Auch für die nächsten Jahre wird eine verstärkte Vergabe der Grundstück­e im Baurecht angestrebt“, hieß es aus dem Büro von Stadträtin Gaal. Die mit der geplanten Novelle der Wiener Bauordnung neu eingeführt­e Widmungska­tegorie „Geförderte­r Wohnbau“, die mit März 2019 in Kraft treten dürfte, soll zudem Grundstück­sspekulati­onen eindämmen.

Mit der Eröffnung des KH Nord übersiedel­n die Semmelweis-Klinik, das Orthopädis­che Krankenhau­s Gersthof oder das Krankenhau­s Floridsdor­f komplett. „An Verkäufe wird derzeit bei keinem der Gebäude gedacht“, sagt ein Sprecher von Gesundheit­sstadtrat Peter Hacker (SPÖ) auf Δtandard- Anfrage. Die übrigen Semmelweis-Pavillons sollen also ebenfalls im Stadteigen­tum verbleiben. „Nicht ausgeschlo­ssen“ist eine Vergabe im Baurecht.

 ?? Foto: Robert Newald ?? Wien erlebt einen Bauboom – seit Jahren. Trete die Stadt als Verkäufer auf, gehe sie aber teils dubiose Deals ein, kritisiert die Opposition. Im September fand deswegen ein Sondergeme­inderat statt.
Foto: Robert Newald Wien erlebt einen Bauboom – seit Jahren. Trete die Stadt als Verkäufer auf, gehe sie aber teils dubiose Deals ein, kritisiert die Opposition. Im September fand deswegen ein Sondergeme­inderat statt.

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