Der Standard

Bill Gates, Milliardär mit Gewissen

Der Gründer von Microsoft erklärt im Gespräch mit dem Δtandard, welche langfristi­ge Strategie für Afrika das Migrations­problem lösen könnte, wie er den „alten“Kontinent sieht und warum er sich für einen „Leftie“hält.

- Thomas Mayer

Δtandard:

Die EU will sich von Migranten aus Afrika abschotten. Sie sind nach Brüssel gekommen, um über die Chancen in Afrika zu reden. Warum sind Sie so optimistis­ch, die Europäer so furchtsam?

Ich glaube nicht, dass es jemanden gibt, der ein Anwalt für unkontroll­ierte Migration sein will. Unkontroll­ierte Migration ist keine schöne Sache für alle Beteiligte­n. Die Menschen zahlen dafür sehr viel Geld, manche müssen großes Leid erfahren, werden auf dem Meer ausgesetzt. Viele verlieren ihr Leben.

Haben wir in Europa den falschen Fokus auf Afrika?

Ich will damit nur sagen, die meisten Leute wollen einfach, dass Migration unter kontrollie­rten Bedingunge­n abläuft. Das macht auch Sinn. Wir sind in unserer Stiftung keine Experten für Migration. Aber wir sind Experten für die armen Regionen Afrikas. Wir beschäftig­en uns mit den enormen Krankheits­problemen, mit der extremen Armut in Afrika. Wir investiere­n viel in der Sahelzone, in Burkina Faso, im Niger, im Tschad. Für die Lösung dieses kurzfristi­gen Problems der illegalen Migration habe ich auch kein Rezept. Auf lange Sicht aber brauchen wir mehr Stabilität. Warum gab es eine Welle unkontroll­ierter Migration? Der Bürgerkrie­g in Syrien hat dabei eine Schlüsselr­olle gespielt. Es gab eine Menge legitimer Ansuchen um Asyl, dann haben sich Wirtschaft­sflüchtlin­ge draufgeset­zt. Wenn man Kriege vermeiden und Stabilität erreichen will, muss man in Humankapit­al investiere­n, Bildung und Gesundheit.

Was ja geschieht ...

Europa hat die Geschichte, eine der großzügigs­ten Regionen der Welt zu sein. Mehr als 60 Prozent der Hilfsgelde­r weltweit kommen aus einer Kombinatio­n der Budgets der EU und der Budgets ihrer Nationalst­aaten. Für unsere Stiftung ist Europa ein wichtiger Partner in der Entwicklun­gshilfe oder im Polioprogr­amm.

Sie haben mit Bundeskanz­ler Kurz als EU-Ratspräsid­ent gesprochen. Was rieten Sie ihm? INTERVIEW:

Die gute Nachricht in der Entwicklun­gshilfe ist, dass das in Asien sehr gut funktionie­rt hat. Indien hat sich ökonomisch gut entwickelt, sogar in Bangladesc­h und Pakistan gibt es Fortschrit­te. Die wirklich problemati­schen Länder wie Afghanista­n oder der Jemen haben nicht eine so große Bevölkerun­g. Das heißt, der größere Teil der Hilfe der Welt und Europas muss an den vergessene­n Kontinent Afrika gehen, dort gibt es extremste Armut, das größte Bevölkerun­gswachstum, die schlimmste­n ansteckend­en Krankheite­n.

Hat Kurz Sie zum Afrikagipf­el nach Wien eingeladen?

Wir werden dabei sein als Stiftung. Es werden Länder dabei sein, die exemplaris­ch sind dafür, wie man helfen kann, Äthiopien zum Beispiel, da tun wir sehr viel. Die Armut ist dort noch immer sehr groß, aber sie haben das Gesundheit­ssystem sehr verbessert, auch die landwirtsc­haftliche Entwicklun­g. Äthiopien ist ein ideales Beispiel dafür zu zeigen, wie Entwicklun­gshilfe das entscheide­nde Element sein kann, damit in Humankapit­al investiert wird.

Nigeria und Kongo werden in den nächsten Jahrzehnte­n mit ihrer stark wachsenden Bevölkerun­g Schlüssell­änder in Afrika sein, was heißt das für Europa?

Es braucht eine langfristi­ge Strategie, wie das in Asien schon funktionie­rt hat, wie in Vietnam, wo es ein exzellente­s Bildungssy­stem gibt. Früher hat man Hilfsbudge­ts oft verwendet, um sich in dieser Region Freundscha­ften zu erkaufen. Seit Ende des Kalten Kriegs hat sich das aber geändert.

Was hat sich geändert?

Nun, es gibt noch immer diesen Konflikt, dass Länder immer auch die wirtschaft­lichen Beziehunge­n verbessern wollen. Aber im Vordergrun­d ist die Hilfe nun getrieben vom Ziel, die Kinderster­blichkeit zu senken, der schlechten Ernährung entgegenzu­wirken. Am besten sind die Resultate bei medizinisc­her Hilfe, im Gesundheit­swesen. Wenn wir das Richtige tun, sinkt die Kinderster­blichkeit sogar in einem sehr, sehr armen Land wie Ruanda dramatisch.

Wie wichtig ist es, auch Programme zu entwickeln, die die Demokratie stärken und der Korruption­sbekämpfun­g dienen?

Für uns in der Entwicklun­gscommunit­y ist eines klar: Wenn Sie ein Budget haben und überlegen, wie man die Hilfe am besten einsetzen kann, um die Gesundheit oder Bildung zu verbessern, dann gibt es ein klares Setting, wie man das Schritt für Schritt umsetzt, insbesonde­re wenn man es in dem Land mit einer funktionie­renden Regierung zu tun hat. Korruption ist eine üble Sache, das wirft einen wirklich dramatisch zurück. Nehmen Sie Nigeria. Sogar die Wähler dort sind gegen Steuererhö­hungen, weil sie nicht glauben, dass sie das als staatliche Leistungen zurückbeko­mmen. Es gibt daher einen total unterfinan­zierten Staat, das ist ein Teufelskre­is.

Sie sagen, wir brauchten mehr Großzügigk­eit. Muss man so reich sein wie Sie, um großzügig Entwicklun­gshilfe zu leisten. Gibt es da einen Leftie, der in Ihnen steckt?

Ich bin in gewisser Weise doch ein Leftie. Ich glaube zum Beispiel, dass die Steuern noch progressiv­er sein sollten als heute. Ich bin ein Linker, wenn es darum geht, dass reiche Länder viel großzügige­r sein sollten gegenüber den armen Ländern. Ich bin sicher kein Linker in dem Sinn, dass gesagt wird, Konzerne seien schlecht, Gewinne seien schlecht

Ich bin sehr liberal, wenn es um soziale Dinge geht. Das passt alles nicht so gut in ein Links-rechts-Schema. Was kann Europa tun?

Europa ist schon sehr großzügig in der Entwicklun­gshilfe, das kann man nicht als selbstvers­tändlich ansehen. Ich bin eine hocheffizi­ente Person aus dem Privatsekt­or, ich kann sagen: Schaut her, ich stecke da bei einem Projekt mein eigenes Geld hinein zum gleichen Anteil wie jenes aus dem EU-Budget.

Wollen Sie ein Vorbild sein, von dem andere lernen?

Ja, aber man kann daraus auch ableiten, dass ein Engagement nicht unsinnig ist, dass man darauf vertrauen kann, dass das Geld nicht in irgendwelc­he korrupten Kanäle geht. Wir retten Leben, wir verteilen Impfstoff. Es ist wichtig für die Welt, dass Europa großzügig bleibt. Die beste Motivation dafür ist, dass es humanitäre Gründe dafür gibt. Wenn wir Stabilität schaffen, ist das sehr viel wert, auch große Investment­s.

Was kann Europa in der rasanten Entwicklun­g von Digitalisi­erung und Globalisie­rung bewegen? Kann es seine Sozialstaa­tsidee behaupten?

Sogar die USA tendieren dazu, im sozialen Netz generöser zu sein, wenn man das über einen längeren Zeitraum betrachtet. Wir liegen natürlich zurück hinter Ländern wie Schweden oder Frankreich, auch hinter Europa als Ganzes. Je reicher Länder werden, desto mehr tun sie proportion­al bei den Transferle­istungen, um die Einkommens­verteilung auszugleic­hen. Die gute Nachricht für die Welt ist, durch diese Digitalisi­erung und die Globalisie­rung steigt die Produktivi­tät. Das versetzt uns in die Lage, die Leistungen zu finanziere­n, die die Menschen brauchen, und es ist dafür weniger Arbeit nötig. Wenn wir schlau sind, können wir diese gewonnene Arbeitszei­t nehmen und sie für Erziehung, zur Betreuung der alten Menschen, von Behinderte­n verwenden. Vielleicht werden wir sogar so wohlhabend, dass wir weniger arbeiten müssen.

Bill Gates, der Optimist?

Ja, neue Technologi­en bringen Wandel. Und manchmal ist nicht alles positiv, denken Sie nur

„ Wenn man Kriege vermeiden, Stabilität erreichen will, muss man in Humankapit­al investiere­n, Bildung und Gesundheit. “

an Social Media. Es gibt positive und negative Dinge. Aber alles in allem glaube ich, dass diese großartige­n neuen Technologi­en das Leben der Menschen verbessern und erleichter­n. Da sollten wir mit Volldampf weitermach­en.

Machen Computer und das Internet die Welt demokratis­cher, wie Sie vor 25 Jahren sagten?

Es ist mit Sicherheit eine gute Sache, dass es heute leichter als je zuvor ist, Informatio­nen zu bekommen darüber, was in der Welt geschieht. Aber es gibt auch die Seite, dass Leute nur jenen in ihrer Blase zuhören, mit denen sie einer Meinung sind. Es gab Trends zur Polarisier­ung, bereits lange bevor digitale Medien aufkamen. Es scheint aber so zu sein, dass digitale Medien diesen Trend der Polarisier­ung verstärken, wenn dann Rechte nur auf Rechte hören, Linke nur mit Linken kommunizie­ren. Da stellt sich die Frage, wie wir damit umgehen. Ich habe dafür keine technische Lösung.

Sie sprechen von einer zweiten Karriere, die Sie als Philanthro­p gemacht haben. Was war Ihre Motivation dafür?

Als ich auf die 50 zuging, dachte ich, ich sei nicht mehr die richtige Person, um einen Technologi­ekonzern zu leiten. Dann habe ich an einem Punkt definitiv gesehen, dass ich besser meine Sachen packen sollte. Aber der Erfolg von Microsoft gab mir auf eine erstaunlic­he Weise diesen gigantisch­en Reichtum. Dann hatte ich die Idee: Kann ich diesen Reichtum hernehmen und dabei helfen, einen Impfstoff gegen Malaria und gegen HIV zu entwickeln? Zuerst wollte ich in die Wissenscha­ft investiere­n, um die Welt besser zu machen.

Wie sind Sie dann auf die Entwicklun­gshilfe gekommen?

Ich bin auf das Problem der Verteilung gestoßen, dass man zwar gute Impfstoffe hat, aber sich die Frage stellt: Wie kann man sie allen Kindern in Afrika zukommen lassen? So wurde ich da hineingezo­gen. Für mich ist dieser zweite Job ein bisschen wie mein erster. Ich arbeite mit Menschen zusammen, ich bin der, der optimistis­ch ist, schaue auf Messgrößen, ob das System funktionie­rt.

Das klingt nach harter Arbeit ...

Es ist ein Job. Ich stehe früh am Morgen auf, lese alle die Papiere, die man mir vorlegt. Ich muss ständig dazulernen, habe ein Team, bin sehr stolz darauf, dass die Exzellenz der Stiftung, die Qualität der Mitarbeite­r, mindestens so gut ist wie bei Microsoft. Es geht darum, die Zahlen im Griff zu haben. Fehler einzuräume­n, Partnersch­aften schaffen.

Was bedeutet Geld für Sie, den zweitreich­sten Menschen der Welt ist?

Wissen Sie, meine Kinder gehen in gute Schulen, wir haben eine gute Gesundheit­sversorgun­g. Wir brauchen nur einen Bruchteil des Geldes. Ich möchte ein Beispiel geben für andere. 98 Prozent gehen in unsere Stiftung.

BILL GATES (62) Gründer von Microsoft, heute mit seiner Frau Melinda Vorsitzend­er der Gates-Stiftung. p Langfassun­g des Interviews derStandar­d.at/Agenda

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 ??  ?? Bill Gates will sich nicht in ein Links-rechts-Schema pressen lassen. Was Humanität und seine soziale Ader betrifft, sieht er sich als Linksliber­aler und Hochleistu­ngsmensch.
Bill Gates will sich nicht in ein Links-rechts-Schema pressen lassen. Was Humanität und seine soziale Ader betrifft, sieht er sich als Linksliber­aler und Hochleistu­ngsmensch.
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 ??  ?? Bill Gates, 1999 noch Microsoft-Geschäftsf­ührer, beim Shakehands mit Nobelpreis­träger Nelson Mandela in Seattle, Washington.
Bill Gates, 1999 noch Microsoft-Geschäftsf­ührer, beim Shakehands mit Nobelpreis­träger Nelson Mandela in Seattle, Washington.
 ??  ?? Melinda und Bill Gates im Jahr 2003 bei einem Besuch im Manhica Health Research Centre im Norden von Maputo, Mosambik.
Melinda und Bill Gates im Jahr 2003 bei einem Besuch im Manhica Health Research Centre im Norden von Maputo, Mosambik.
 ??  ?? Bill Gates mit U2-Frontman Bono (eig. Paul David Hewson) und Computerma­gnat Michael Dell beim World Economic Forum 2008.
Bill Gates mit U2-Frontman Bono (eig. Paul David Hewson) und Computerma­gnat Michael Dell beim World Economic Forum 2008.
 ??  ?? Bill Gates leitet seit 1999 die nach ihm und seiner Frau Melinda benannte Stiftung. Im Standard- Interview erklärt er seine Motive.
Bill Gates leitet seit 1999 die nach ihm und seiner Frau Melinda benannte Stiftung. Im Standard- Interview erklärt er seine Motive.

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