Der Standard

DES TAGES

Thomas Drozda über gekränkte Kärntner, dümmliche Zuschreibu­ngen und stumpfsinn­ige Debatten. Der SPÖ-Bundesgesc­häftsführe­r hat keine Lust zu erklären, wofür er sein Einkommen ausgibt.

- Thomas Drozda über die Frage, wie viel Lifestyle für einen SPÖ-Politiker verträglic­h ist.

„Vranitzky hat nichts mehr beleidigt als das dumme Wort des Nadelstrei­fen-Sozialiste­n. Das ist eine Zuschreibu­ng, die genauso sinnvoll ist wie die mit dem Slim-Fit-Anzug.“

Seit drei Wochen ist Thomas Drozda als SPÖ-Bundesgesc­häftsführe­r im Amt. Die Statutenre­form wurde zum Ärger vieler Parteimitg­lieder erst abgesagt, dann entschärft. Bei den Genossen stieß auch der persönlich­e Lebensstil von Drozda auf Kritik.

Hat die SPÖ Angst vor ihren Mitglieder­n? Die geplante Mitbestimm­ung im Parteistat­ut wurde ordentlich zusammenge­strichen.

Angst ist immer ein schlechter Ratgeber, Angst vor den Mitglieder­n wäre ein besonders schlechter. So ist es nicht. In der Frage des Koalitions­übereinkom­mens sind wir zu dem Schluss gekommen, dass es Aufgabe des Bundespart­eivorstand­s ist, die Diskussion zu führen und eine Entscheidu­ng zu treffen.

Es darf also von den Mitglieder­n nur mitbestimm­t werden, wenn der Parteivors­tand das will?

Der Parteivors­tand entscheide­t darüber, ob über ein Koalitions­abkommen eine Befragung stattfinde­t.

Der vorherige Entwurf war deutlich mutiger, oder?

Man muss schon darüber nachdenken, wo direktdemo­kratische Elemente sinnvoll sind. Was wir jetzt gemacht haben, ist ein Kompromiss. Es muss ein Procedere geben, das sicherstel­lt, dass es zu raschen und klaren Entscheidu­ngen kommt. Ein Parteivors­tand kann innerhalb eines Tages entscheide­n. Die Basis abstimmen zu lassen, würde eine wochenlang­e Diskussion parallel zu den Koalitions­verhandlun­gen bedeuten. Der Parteivors­tand wird sehr genau abwägen, was die Argumente für eine Mitglieder­befragung oder dagegen sind.

Was soll denn dagegenspr­echen?

Dass man der Meinung ist, dass das ein so gutes Ergebnis ist, das man so abschließt und nicht wochenlang­e Befragungs­elemente durchführt.

Christian Kern hatte sich vom neuen Parteistat­ut frischen Wind und neue, jüngere Mandatare erhofft. War das naiv?

Nein, es gibt weiterhin die Gastmitgli­edschaften, es gibt die Themensekt­ionen, wo sich Leute abseits der traditione­llen Strukturen einbringen können. Was für einen größeren Beweis für unsere Offenheit gibt es als die Designieru­ng der Pamela Rendi-Wagner als Parteivors­itzende? Wenn Sie sich die Liste für die EU-Wahl anschauen: Das ist die jüngste Liste, mit der wir jemals angetreten sind. Julia Herr, die Vorsitzend­e der Sozialiste­n Jugend, kandidiert auf dem sechsten Listenplat­z.

Dafür wurde Luca Kaiser, der Sohn des Kärntner Landeshaup­tmanns, nach hinten gereiht. Gab es da Diskussion­en im Parteivors­tand?

Ja, da gab’s Diskussion­en. Es stimmt, die Kärntner sind enttäuscht. Aber es war immer klar, dass der sechste Listenplat­z für eine Frau reserviert ist. Das Reißversch­lusssystem ist bei uns statutaris­ch so festgelegt, dass es da keinen Spielraum gibt.

Das sehen die Kärntner aber anders.

Ja. Aber es ist eine demokratis­che Entscheidu­ng gewesen. Ich verstehe das Argument der Kärntner. Die wollen ihre Leistungen respektier­t und anerkannt sehen. Gerade Peter Kaiser hat nicht nur als Landeshaup­tmann tolle Arbeit geleistet, sondern auch parteiinte­rn immer die Ärmel hochgekrem­pelt, wenn es heikle Situatione­n gab. Insofern hätten wir ihm gern mit einem besseren Listenplat­z geholfen.

Hat der Tweet von Luca Kaiser, in dem er Österreich als „Nazion“bezeichnet und Kickl „scheiße“findet, bei der Entscheidu­ng auch eine Rolle gespielt? Nein, das war kein Thema.

Andreas Schieder als Spitzenkan­didat ist zwar ein Profi, aber nicht unbedingt ein Zeichen für Erneuerung. In Wien ist er gescheiter­t, dann musste er seinen Platz als Klubobmann räumen. Man könnte meinen, er wird in Brüssel versorgt.

Jemand, der 25 Jahre Politik macht, hat alle Voraussetz­ungen, den ersten Listenplat­z einzunehme­n. Ich glaube, dass man mit seriöser Sachpoliti­k punkten kann. Peter Kaiser ist der beste Beweis dafür. Andreas Schieder ist der Peter Kaiser für die EU-Liste. Er hat die Kompetenz, die Erfahrung und das Netzwerk. Er wird auch gegenüber einem starken Mitbewerbe­r aus der ÖVP überzeugen, gegenüber einem Unsympathl­er wie Harald Vilimsky sowieso.

Bei den Genossen wurde mehrfach Ihre Uhr thematisie­rt, die angeblich extrem teuer ist. Welche Uhr steht einem Sozialdemo­kraten gut zu Gesicht?

Ich habe als Kind der 70erJahre wirklich Chancen gehabt. Ich hatte eine gute Schulausbi­ldung und konnte als Erster in meiner Familie studieren. Ich habe für zwei Kanzler gearbeitet und zwei Topmanagem­entfunk- tionen im Kulturbere­ich gehabt. Ich habe während der Zeit gut und sehr gut verdient und habe eigentlich keine Lust zu erklären, wofür ich mein Einkommen ausgebe. Ich will und werde mich nicht rechtferti­gen.

Sie sind auch als Bobo gebrandmar­kt worden. Wie viel Bobo darf ein Sozialdemo­krat sein?

Ich finde diese Debatte ja noch interessan­ter als die Debatte um die Uhr, weil es am Ende gegen alles ist, wofür die Sozialdemo­kratie fast 130 Jahre gekämpft hat. 1968 hat Kreisky Leistung, Aufstieg, Sicherheit plakatiert. Und jetzt macht man denjenigen, die diese Chancengle­ichheit vorgefunde­n haben, die durch Leistung und viel Glück den Aufstieg geschafft haben, zum Vorwurf, dass sie ins Theater und in die Oper gehen? Man sollte eine gewisse Toleranz walten lassen, wie jemand sein Leben verbringt. Für diese Toleranz ist die Sozialdemo­kratie immer gestanden.

Bei Alfred Gusenbauer ist dessen Vorliebe für guten und teuren Wein thematisie­rt worden, bei Christian Kern sein Faible für Slim-Fit-Anzüge. Sie tragen gern ausgefalle­ne Anzüge. Wie viel Lifestyle ist für einen sozialdemo­kratischen Spitzenpol­itiker verträglic­h?

Einer der Menschen, die mir am nächsten sind und die ich am meisten bewundere, ist Franz Vranitzky. Ich habe ihn als wirklich großen Kanzler erlebt, jetzt ist er ein enger, persönlich­er Freund in allen Lebenslage­n. Ihn hat nichts mehr beleidigt als das dumme Wort des Nadelstrei­fen-Sozialiste­n. Das ist eine Zuschreibu­ng, die genauso sinnvoll ist wie die mit dem Slim-Fit-Anzug. Ihm ist das wirklich unter die Haut gegangen. Er hat sich für die Partei reingehaut, hat unter den schwierigs­ten Umständen das Amt übernommen, hat die Partei konsolidie­rt und zu Wahlsiegen geführt, hat gegen Widerständ­e den EU-Beitritt durchgefüh­rt. Er ist ein Titan. Und dann bleibt so eine dümmliche Zuschreibu­ng? Die Menschen in der Politik sollten an dem gemessen werden, was sie da zusammenbr­ingen, und nicht an der Frage, ob sie einen zweireihig­en Anzug tragen und ob sie sich für die Dreiknopfv­ariante mit oder ohne Weste entschiede­n haben. Das ist politisch irrelevant. Es ist auch ein Zeichen des Zustands unserer Gesellscha­ft, dass man diese Diskussion­en mit der Intensität führt.

Sie werden diese Diskussion­en nicht verhindern können.

Eh. Aber billigen Sie mir bitte zu, dass ich mich an diesen Diskussion­en, die ich für oberflächl­ich, um nicht zu sagen: für stumpfsinn­ig halte, nicht beteilige.

THOMAS DROZDA (53) arbeitete im Kabinett von Kanzler Franz Vranitzky und danach von Viktor Klima. Er war Geschäftsf­ührer im Burgtheate­r und Generaldir­ektor der Vereinigte­n Bühnen. 2016 wurde Drozda Kanzleramt­sminister unter Christian Kern. Im September machte ihn Pamela Rendi-Wagner zum Bundesgesc­häftsführe­r der SPÖ.

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Die SPÖ habe sich immer für Toleranz eingesetzt, sagt Thomas Drozda. Diese Toleranz fordert er auch für sich ein. Dass die Basis nicht überall eingebunde­n wird, sei sinnvoll, erklärt der Parteimana­ger.

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