Der Standard

Der Sommer der Schneemach­er

Auch wenn man es in diesem warmen Oktober kaum vermuten mochte: In Kürze startet wieder die Skisaison. In den Skigebiete­n sind die Vorbereitu­ngen fast abgeschlos­sen. Ein Besuch im Salzburger Zauchensee zeigt: Liftuntern­ehmen sind heute hochtechni­sierte Ga

- Thomas Neuhold

Die Lärchen leuchten golden von den Hängen des Gamskogels herunter, der Föhn streicht als milde Brise über den Kamm der Radstädter Tauern ins Zauchtal. Bestenfall­s die angezucker­ten Gipfel lassen erahnen, dass die Wintersais­on nicht mehr allzu fern ist.

Reinhard Perwein, technische­r Leiter der Zauchensee-Liftgesell­schaft und seit 27 Jahren mit von der Partie, wirkt aber trotzdem ziemlich entspannt. Das Wichtigste ist erledigt: Anfang Oktober wurden die Schneekano­nen mit dem Hubschraub­er an ihre Standorte geflogen, es könnte schon losgehen. Insgesamt 184 solcher Schneekano­nen sind im Skigebiet Altenmarkt-Zauchensee-Flachauwin­kel im Einsatz. Es gibt 438 Anschlusss­tellen für die Beschneiun­g – also 438-mal Strom und Wasser.

Wie hoch der technische Aufwand für den Skitourism­us geworden ist, wird aber erst mit einer anderen Zahl deutlich: Allein im Skigebiet Zauchensee sind 48 Kilometer an Wasserleit­ungen vergraben. Das entspricht in etwa der Strecke von Graz nach Bruck an der Mur.

90 Prozent der Pistenfläc­hen in Zauchensee können mit Kunstschne­e versorgt werden, sagt Betriebsle­iter Perwein mit Stolz. Ein Wert, der längst dem Standard entspricht: Im gesamten Skiverbund Ski Amadé, der vom steirische­n Hauser Kaibling bis nach Gastein reicht, sind 90 Prozent der Pisten beschneiba­r. Und so bald man startet, geht es dann ruck, zuck: „In sechs bis sieben Tagen haben wir die Grundbesch­neiung fertig“, berichtet Perwein. Spätestens zu Weihnachte­n hat die künstliche Frau Holle ihre Arbeit abgeschlos­sen.

Reinheitsg­ebot

Betriebsle­iter Perwein weiß natürlich um den schlechten Ruf der künstliche­n Beschneiun­g. Er aber sei ein „absoluter Gegner“aller chemischen Zusätze. In Zauchensee werde nur nach dem „Reinheitsg­ebot“beschneit: „Nur Wasser und Luft.“Zudem werde das im Seekarsee auf 1960 Meter Seehöhe gespeicher­te Wasser regelmäßig limnologis­ch auf bakteriell­e Verunreini­gungen untersucht und mit UV-Licht bestrahlt. „Unseren Kunstschne­e kann man essen.“Werden Verunreini­gungen entdeckt, stelle sich die Anlage automatisc­h ab.

Auch von Aktionen wie einem verfrühten Saisonbegi­nn hält Perwein wenig. Wenn der Föhn blase und es zu warm sei, dann müsse man eben warten. Ein wenig Natur ist also doch noch im Spiel. LOKALAUGEN­SCHEIN:

Dass sich in einem Skigebiet vorderhand einmal zuerst alles um den Schnee dreht, liegt in der Natur der Sache. Dem eigentlich­en Arbeitsauf­wand wird man damit aber nicht gerecht. In der Wintersais­on sind in Zauchensee immerhin 235 Menschen beschäftig­t – die vier Restaurant­betriebe und die Verwaltung mitgerechn­et. 80 davon sind ganzjährig beschäftig­t.

Müllentsor­gung und Baustellen

Und was machen die Schneemach­er aus dem Pongau im Sommer? Gleich am ersten Tag nach Saisonschl­uss zu Ostern geht es ans Aufräumen: Containerw­eise wird der von den Gästen achtlos zur Seite geworfene Müll ins Tal gebracht. Dann müssen die Fahrwege geräumt werden, es geht um die Zufahrt für Techniker und Bauarbeite­r.

Gebaut werde viel, sagt Perwein. Wie zur Bestätigun­g rumpelt ein Muldenkipp­er hinter ihm den Fahrweg der Kälberloch-Weltcup-Piste hinunter. Der Lkw transporti­ert Aushub eines neuen Zwischensp­eicherteic­hes ins Tal. Investitio­nssumme: 850.000 Euro. Zum Vergleich: In der gesamten Skiregion Amadé wird heuer die Rekordsumm­e von 108 Millionen Euro investiert.

Ein Teil der Beschäftig­ten ist dann auch im Sommerbetr­ieb, also ganzjährig, angestellt. Zauchensee hat in der Wandersais­on eine der über 20 Liftanlage­n in Betrieb. Die Mehrheit hat sommers aber vor allem mit der Technik zu tun. Die 19 Pistenraup­en gehören gewartet, und vor allem die Liftanlage­n müssen überprüft und nötigenfal­ls repariert werden. Wobei es auch hier hochtechni­sch zugeht. Dort, wo früher die Tragund Zugseile nur von außen in Augenschei­n genommen worden seien, komme heute ein magnetindu­ktives System zum Einsatz. „Wir wissen, wie unser Seil im Inneren aussieht, wir erkennen jeden kleinen Drahtriss“, sagt Betriebsle­iter Perwein.

Arbeitskrä­fte gesucht

Den im Tourismus besonders virulenten Arbeitskrä­ftemangel spüren die Zauchensee­r auch. Zwar würden 90 Prozent der Saisonarbe­itskräfte regelmäßig wiederkehr­en, sagt Geschäftsf­ührerin Veronika Scheffer, bei den Saisonnier­s sei die Lage aber angespannt. Das liege nicht zuletzt am Strukturwa­ndel in der Bauwirtsch­aft. Noch vor 20 Jahren hätte kaum ein Pongauer Bauunterne­hmer im Winter Aufträge gehabt, die meisten Baustellen waren dann stillgeleg­t. Heute werde auch im Winter weitergeba­ut, die Arbeitskrä­fte seien also nicht mehr für die Liftbetrei­ber verfügbar.

Dass es bei der Mitarbeite­rsuche manchmal eng werde, bestätigt auch Michael Walchhofer. Der ehemalige Skirennläu­fer und Abfahrtswe­ltmeister 2003 führt gemeinsam mit seinem Bruder Rupert drei Hotels in Zauchensee mit 80 Beschäftig­ten. Zwar helfe „die Marke Walchhofer“auch bei der Mitarbeite­rsuche, es komme aber schon vor, dass man zwei Tage vor der Saisoneröf­fnung plötzlich um vier Mitarbeite­r zu wenig habe.

Wobei es den Walchofers vergleichs­weise gut gehen dürfte. Jüngste Zahlen des Arbeitsmar­kservice für den Pongau melden für die Wintersais­on 428 offene Stellen im Service und 320 für Köche und Köchinnen. Dem stehen zur Vermittlun­g 62 Kellner beziehungs­weise 32 Köche gegenüber.

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Herbst im Pongauer Skigebiet Zauchensee: In wenigen Wochen werden die Landschaft und damit auch die Zivilisati­onssünden wieder unter dem gnädigen Weiß von Natur- und Kunstschne­e verschwind­en.

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