Menschen, Tiere, Traditionen
Der russischen Avantgarde war er eine große Inspiration. Dennoch starb der Maler Niko Pirosmani 1918 völlig mittellos. Die Albertina zeigt nun das Werk des Autodidakten, den Georgien als Nationalkünstler feiert.
Ein Wald voller Trauben. Bauern, die sich nachts an großen Feuern wärmen. Männer auf Bärenjagd, reich gedeckte Festtafeln. Kirchliche Prozessionen. Dralle Dorfschönheiten. Auch Bären an der Kette und exotische Tiger im Kampf mit Elefanten. Elegant trippelnde Keiler und anmutige Rehdamen bildfüllend in Szene gesetzt. Schwarzgetupfte Giraffen, die dem Betrachter geradewegs ins Auge zu blicken scheinen.
Es ist die heile Welt des einfachen bäuerlichen Lebens, von Weinlesen, Hochzeiten und religiösen Festen, die Niko Pirosmani sen, von denen die georgischen Märchen erzählen. Sie erinnern an den Prinzen Tari, den „Recken im Tigerfell“, aus Schota Rustawelis mittelalterlichem Nationalepos, der erst einen Tiger erschlagen musste, bevor die Prinzessin ihn letztlich erhörte.
Heute zieren Pirosmanis Motive Teller, Geschirrtücher und Socken in den Souvenirläden der Hauptstadt Tiflis. Der Mann allerdings, der heute stolz als Nationalkünstler gefeiert wird und die EinLari-Geldnote ziert, starb obdachlos unter einer Kellertreppe und wurde in einem unbekannten Armengrab bestattet. Dennoch sollte er in bürgerlichen Lebenskonzepten scheitern. Der künstlerische Autodidakt versuchte sich mit einem Geschäft als Schildermaler, als Bremser bei der Transkaukasischen Eisenbahn und als Betreiber eines Milchladens.
Schließlich entschied er sich für Kunst und Freiheit. Als Vagabund zwischen Stadt und Land malte Pirosmani für Kost und Logis direkt in den Schenken und Gasthäusern – also im geselligen Ambiente jener Menschen, für die seine Arbeiten bestimmt waren. Stets als nett und umgänglich beschrieben, lebte er von der Hand in den Mund und setzte das ins demismus suchten die Künstler nach dem Unverfälschten. Naivität und kulturelle Unberührtheit sollten den angestrebten Neuanfang ermöglichen. Und so verband sich die Ferienreise der Petersburger Kunststudenten Kirill Sdanewitsch und Michail Le-Dantju ins schöne Tiflis auch mit der Hoffnung, dort auf anonyme Volkskunst zu stoßen.
Charme von Gelb und Blau
Und tatsächlich: In den düsteren Tavernen fanden sie Pirosmanis Bilder, deren Gelb, Blau, Rot und Weiß intensiv aus dem Dunkel des schwarzen Wachstuch- seiner Bilder in Moskau in der Ausstellung Die Zielscheibe gemeinsam mit Werken von Malewitsch, Chagall oder Tatlin ausgestellt. Von der Kritik ignoriert, änderte das an seiner Position als künstlerischer Außenseiter nichts. Pirosmani blieb der einflussreichste unbekannte Maler für die Künstler der russischen Avantgarde.
Auch der 1916 gegründeten Gesellschaft georgischer Künstler kehrte er den Rücken. Alles, was nötig sei, so Pirosmani bei einer Versammlung über seine Utopie des offenen Austausches, sei ein zentrales Haus mit einem großen