Wie aus Alexa, Siri und Cortana ein Katzerl wird
Den Künstlern der Ausstellung „Under Pressure“im frei_raum Q21 des Wiener Museumsquartiers geht es um Freiheitsverlust und wirtschaftliche sowie staatliche Kontrolle im digitalen Paradies.
Wie wär’s, wenn eine künstliche Intelligenz die Weltherrschaft übernähme? Und diese KI sich das Aussehen eines Katzerls gäbe, das über die Monitore aller Internetuser kommuniziert? In ihrer Videoinstallation Kitty AI: Artificial Intelligence for Governance vermittelt die aus der Türkei stammende US-amerikanische Künstlerin Pinar Yoldas, wie sich so etwas anfühlen könnte.
Yoldas’ Arbeit, in der Katzenliebe den politischen Diskurs bestimmt, ist Teil der Gruppenausstellung Under Pressure, die derzeit im frei_raum Q21 des Wiener Museumsquartiers läuft.
Darin verleiht Kuratorin Sabine Winkler den gerade exponentiell wachsenden Bedenken gegenüber den Entwicklungen der digitalen Technologien Ausdruck und zeigt, wie sich die Wachstumskurve der Kritik in der bildenden Kunst nie- derschlägt. Die Künstler, erklärt Winkler, „befassen sich mit dem Verhältnis von Freiheit, Kontrolle und Selbstbestimmung“, vor allem auf der Ebene unbewusster Prozesse.
Wo liegt das Problem? Die Kuratorin stellt fest, dass einerseits „die vom Neoliberalismus betriebene Marginalisierung des Politischen sowie die Finanzkrise zu einem beschleunigten autoritären Kapitalismus“geführt habe. Und dass andererseits „der autoritäre Neonationalismus“der jüngeren Zeit „eine Reaktion auf diese Entwicklung“darstellen könne.
Beide Politiken verfolgen dasselbe Ziel: Kontrolle. Zur Veranschaulichung dessen simuliert die Französin Stéphanie Lagarde in ihrem Digitalvideo Déploiements (dt. Einsätze, Aufstellungen) diverse Inszenierungen von staatlichen Kontrollsystemen im öffentlichen Raum. Mit computerani- mierten Gesten wird eine Flugshow angedeutet, und mit einer Demonstration läuft auch ein Trainingsprogramm für Polizisten zur Überwachung von Demonstrationen einher.
Und jene Strategien, die mit der ökonomischen Nutzung von Verhaltensmustern und Userprofilen verbunden sind, macht der Serbe Vladan Joler in seinem Video Monologue of the Algorithm: how Facebook turns users data into its profit nachvollziehbar.
Sie wissen, was du tun wirst
Interessant für die Politiken von Konzernen und Staaten ist die verlässliche Prognose. „Durch informationstechnische Antizipation und technische KI-Assistenten wie Siri, Cortana oder Alexa“werden, so Winkler, „Handlungsprogramme und ,Bedürfnisse‘“von Nutzern verarbeitet und Entscheidungen vorherberechnet. Sie fragt, was es für die Idee von einem autonomen Selbst bedeutet, wenn angeblich „Algorithmen mehr über uns wissen als wir selbst“und auf dieser Basis unsere künftigen Entscheidungen vorweggenommen werden.
So ist auch der Untertitel dieser Schau zu verstehen: Über Formen des Autoritären und die Macht der Entscheidung. Sabine Winkler zum Hintergrund: „Suchmaschinen entscheiden für uns, KI-Systeme haben einen Wissensvorsprung, weil sie sowohl Zugriff auf unsere persönlichen Daten als auch auf neueste wissenschaftliche Forschungsergebnisse haben und diese verknüpfen können.“
Wie mathematische Systeme zur Prognose von Verhaltensweisen verwendet werden, untersucht der Brite Rod Dickinson. In seiner Installation Zero Sum können die Besucher Trittbrettfahrer sein oder das Freiwilligendilem- ma kennenlernen. Dabei wird Zusammenarbeit – oder deren Verweigerung – simuliert.
Aus mehreren Perspektiven also werden in der Ausstellung „Dispositionen der Entscheidung sowie Formen des Involviertseins und der Mittäterschaft in autoritären politischen und algorithmischen Systemen“dargestellt.
Dabei erweitert sich der Fragenhorizont unter anderem auf die Definition von Werten ( The Substance of Value, Isabella Kohlhuber), das Phänomen des Lobbyismus (Minna Henriksson) und die Repräsentation von Repression in der Architektur (bei Inci Eviner).
Der Bogen der Schau reicht schließlich bis hin zu einem Spiel mit der Kuratierung von Kunst durch Automaten, das ein kollektives Start-up namens Hard-Core unter dem Titel The Universal Blob (2) als „Robotic Curating“vorstellt. Bis 25. 11.