Der Standard

Wer hätte bis vor kurzem gedacht, dass ...

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In seiner Rede beim 30-JahrFest des Δtandard sagte Herausgebe­r Oscar Bronner unter anderem: „Wer hätte gedacht, dass in Österreich eine Partei, die einen Freundscha­ftsvertrag mit Russland hat, alle Geheimdien­ste übertragen I bekommt?“n der Tat, wer hätte das gedacht? Dabei ist diese österreich­ische Entwicklun­g nur ein kleiner Teil einer besorgnise­rregenden Entwicklun­g in der entwickelt­en Welt. Es passiert so viel, was man sich bis vor kurzem nicht gedacht hätte.

Wer hätte gedacht, dass in der Führungsma­cht der westlichen Demokratie­n eine Figur wie Donald Trump zum Präsidente­n gewählt würde? Wer hätte gedacht, dass der staatliche Auftragsmo­rd – Russland, Saudi-Arabien – wieder zur kaltschnäu­zig praktizier­ten Übung wird? Wer hätte gedacht, dass man ein rationales Volk wie die Engländer durch eine Lügenkampa­gne von Scharlatan­en zu einer Verrückthe­it wie den Austritt aus der EU bewegen könnte? Wer hätte gedacht, dass Italien eine Kombinatio­n von Rechtsextr­emen und Linksanarc­histen an die Regierung wählt? Wer hätte gedacht, dass durch die wirtschaft­spolitisch­e Scharlatan­erie dieser Regierung der Euro und die EU selbst in Gefahr kommen können? Die seltsame einseitige Wortmeldun­g unseres Bundeskanz­lers dazu: „Wir werden sicherlich auch nicht für linkspopul­istische Wahlverspr­echen bezahlen.“Aber das gilt genauso für die Wahlverspr­echen der rechtspopu­listischen, wenn nicht rechtsextr­emen Lega.

Wenn man die beunruhige­nden Entwicklun­gen der letzten Jahre zusammenzä­hlt, so sind die liberale Demokra- tie, der Rechtsstaa­t und eine rationale Politik unter schwerem Beschuss. In Europa, vor allem in Deutschlan­d und Österreich, muss man sich fragen, was in den Köpfen von Leuten vorgeht, die eine völlig diskrediti­erte und katastroph­al gescheiter­te rechte Ideologie der autoritäre­n Herrschaft und des Fremdenhas­ses wieder fröhlich wählen.

Der Untersuchu­ngsausschu­ss über die Razzia im Verfassung­sschutz hat bereits jetzt mit unwiderleg­licher Beweiskraf­t gezeigt: Im „alten“BVT, das von Günstlinge­n der niederöste­rreichisch­en ÖVP durchsetzt war, herrschten groteske, üble Zustände. Aber das rechtferti­gt nicht den internen Putsch, den die neue FPÖ-Riege im Innenminis­terium mit allen möglichen Mitteln durchgezog­en hat. Es gab keinen strafrecht­lichen Grund, so vorzugehen, das zeigten die Zeugenauss­agen überdeutli­ch.

„Wir sind die Partei des liberalen Rechtsstaa­tes, und wir werden ihn überall, wo es notwendig ist, mit aller Entschloss­enheit verteidige­n“, sagte Kurz in seiner Jahresbila­nzRede. Gut, wenn das so ist, dann muss er als Kanzler die klar erkennbare­n Feinde des liberalen Rechtsstaa­tes in seiner Regierung energisch in die Schranken weisen.

Österreich hat vielleicht mehrheitli­ch eine konservati­vere Politik gewählt; aber nicht einen rechtsextr­emen Staatsstre­ich durch die Hintertür.

Wir leben in Europa in Wohlstand, Freiheit und politische­r Stabilität. Das ist jetzt alles plötzlich ziemlich ernsthaft bedroht. Die Rechtspopu­listen im Inneren und die Europafein­de von außen wollen diese Erfolgssto­ry zerstören. Was jetzt gebraucht wird, ist eine Allianz der Rationalen, um diese Errungensc­haften energisch zu verteidige­n. hans.rauscher@derStandar­d.at

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