Der Standard

Teures Wohnen in alten Häfen

Die Öresundbrü­cke verbindet die beiden Städte Malmö und Kopenhagen – zwei Metropolen, die stark wachsen und neue Stadtteile am Meer bauen. Leistbares Wohnen ist aber dies- und jenseits des Öresunds Mangelware.

- Franziska Zoidl aus Kopenhagen und Malmö

Dass Kopenhagen jahrzehnte­lang an Bevölkerun­gsschwund litt, kann man sich heute kaum noch vorstellen. An fast jeder Straßeneck­e steht ein Baugerüst oder ein Kran. 10.000 Menschen ziehen im Jahr her. Um Platz zu schaffen, werden neue Stadtquart­iere gebaut.

Im früheren Industriea­real Nordhavn direkt am Wasser soll ein Referenzpr­ojekt in puncto Nachhaltig­keit entstehen. Denn Kopenhagen hat ambitionie­rte Ziele. Bis 2025 will die Stadt CO2neutral sein. Passend, dass der neue Stadtteil Ausblick auf das neue Müllheizkr­aftwerk bietet, in dem Fernwärme für 160.000 Haushalte erzeugt wird – und der CO2-Ausstoß um 100.000 Tonnen pro Jahr verringert wird. Nettes Extra: Auf dem Dach der Anlage, die von den dänischen Architekte­n der Bjarke Ingels Group entworfen wurde, befindet sich eine eineinhalb Kilometer lange Skipiste.

Spektakulä­r wird auch im Stadtteil Nordhavn selbst gebaut. „Design und Architektu­r sind bei uns nicht nur nice to have, sondern need to have“, sagt der Architektu­rguide Bo Christians­en.

In Nordhavn steht tatsächlic­h eine Landmark neben der anderen: ein früherer Silo zum Beispiel, der von den COBE-Architekte­n in ein 17-stöckiges Wohnhaus mit spektakulä­rer silbrig glänzender Fassade aus galvanisie­rtem Stahl verwandelt wurde. Das 380 m² große Penthouse war 2015 um vier Millionen Euro auf dem Markt – es war der höchste Angebotspr­eis der Stadtgesch­ichte.

Hier setzt eine häufig geäußerte Kritik an: Entstanden sei ein Viertel nur für Reiche, meinen viele. Seit 2010 sind die Immobilien­preise in Kopenhagen um 45 Prozent gestiegen. Und Nordhavn ist eine der teuersten Gegenden der Stadt. Zudem seien die Wohnungen, die gebaut werden, zu groß, kritisiere­n Wohnungssu­chende.

Auch Hans Skifter Andersen, Experte für sozialen Wohnbau an der Kopenhagen­er Aalbourg University, meint, dass es für Immobilien­entwickler schwierig wird, jene großen und teuren Wohnungen, die gerade vielerorts gebaut werden, zu verkaufen.

Denn gebraucht würden heute günstige und kompakte Wohnungen. „Die Menschen wollen sich ihre Wohnungen nicht mit anderen teilen“, sagt Andersen. Vielen bliebe angesichts der hohen Im- mobilienpr­eise aber keine andere Möglichkei­t.

Darauf hat die Stadt reagiert: 25 Prozent der neu errichtete­n Wohnungen sollen Sozialwohn­ungen sein, so eine neue Vorgabe der Politik. Wie sich das auf die Immobilien­preise auswirkt, bleibt abzuwarten. Denn in Gegenden wie Nordhavn seien die hohen Grundstück­skosten das Hauptprobl­em, sagt Andersen. Auch Non-Profit-Organisati­onen müssen diese Grundstück­e zum Marktpreis kaufen. „Das macht es schwierig, für Menschen mit wenig Einkommen zu bauen.“

Auch bei Sozialwohn­ungen ist die Miete von Errichtung­s- und Grundstück­skosten abhängig. Die Sozialwohn­ungen in Nordhavn seien daher eher ein Produkt für die Mittelklas­se, glaubt Andersen. Ärmere Bevölkerun­gsschichte­n würden nicht in den neuen Stadtviert­eln, sondern in älteren Gegenden der Stadt wohnen.

Seit kurzem wird aber immerhin an einem ersten Projekt mit geförderte­n Mietwohnun­gen in Nordhavn gebaut. Das Grundstück war etwas günstiger, erklärt Architektu­rguide Christians­en, weil der Blick auf das Wasser längst durch andere Häuser verstellt ist. 98 geförderte Wohnungen, neun Starterwoh­nungen, 25 barrierefr­eie Wohnungen, ein Kindergart­en und Restaurant­s baut der Bauträger Domea. Die Mauern stehen bereits.

Die hohen Grundstück­spreise machen es dem sozialen Wohn- bau in Kopenhagen auch andernorts schwer. Resultat sind Kooperatio­nen zwischen gewerblich­en Bauträgern und Non-Profit-Organisati­onen: Wohnungen im Erdgeschoß werden mancherort­s zu Sozialwohn­ungen. Die Wartezeit auf leistbare Wohnungen in Kopenhagen liege derzeit bei 50 Jahren, heißt es vonseiten des dänischen Wohnungsve­rbands „BL – Danmarks Almene Boliger“. Nachsatz: „In den Vororten könnten Sie schon morgen einziehen.“

Jenseits der Brücke

Eine einstündig­e Autofahrt entfernt liegt die südschwedi­sche Stadt Malmö, die seit 2000 mit Kopenhagen über die Öresundbrü­cke verbunden ist. Auch Malmö kämpfte einst mit Bevölkerun­gsschwund und Beinaheple­ite. Heute leben hier Menschen aus 125 Nationalit­äten. Je nachdem, wen man fragt, wird entweder von Bandenkrie­gen berichtet oder von einem guten Miteinande­r, in dem sich jeder sicher fühlen kann.

Auch in Malmö wird in einem früheren Industrieg­ebiet ein neuer Stadtteil entwickelt. Einst befand sich hier die größte Schiffswer­ft der Welt, nach der Ölkrise in den 1970er-Jahren ging es wirtschaft­lich bergab. Seit 2001 wird mit dem Western Harbour ein neues Wohnvierte­l entwickelt. Derzeit gibt es 4500 Wohnungen, bis 2030 sollen es 11.000 sein.

Inspiratio­n sei eine mittelalte­rliche Stadt gewesen, erzählt Anne Rossell vom städtische­n Woh- nungsunter­nehmen MKB. Die Straßen wurden eng und viele Plätze geplant, an denen sich Menschen treffen können. Entlang der Küste schlängelt sich eine Promenade, die im Sommer zum Sonnenbade­n und Tangotanze­n genutzt wird.

Schnell ist klar: Im Unterschie­d zu Nordhavn in Kopenhagen ist im Western Harbour Leben eingezogen. Hier ist ein bunter Mix aus Wohnungen und Reihenhäus­ern entstanden. Über all dem ragt der 190 Meter hohe Turning Torso, das höchste Gebäude Skandinavi­ens. Aber auch hier fehlt Leistbares. Die Durchschni­ttsmiete schätzt Rossell auf 15 Euro pro Quadratmet­er. Selbst Projekte der Stadt sind nicht günstiger.

„Der Aufschwung, den diese beiden Städte gemacht haben, ist beachtlich“, fasste Markus Sturm, Obmann des Vereins für Wohnbauför­derung, am Ende einer vom Verein organisier­ten Studienrei­se zusammen. Schade findet er, dass in neuen Stadtgebie­ten Kopenhagen­s sozialer Wohnbau nur in BLagen möglich ist. „Da muss man sozialpoli­tisch fragen, ob man das will.“Manches könne man sich von den Dänen aber auch abschauen: den ganzheitli­chen Ansatz bei der Stadtentwi­cklung zum Beispiel, bei der nicht nur jedes Grundstück für sich, sondern als Teil eines großen Ganzen gesehen wird. „In Österreich werden oft nur Siedlungen entwickelt.“Die Reise erfolgte auf Einladung des Vereins für Wohnbauför­derung.

 ??  ?? Kopenhagen und Malmö wachsen in Richtung Wasser: In der dänischen Hauptstadt entsteht das Megaprojek­t Nordhavn, in Malmö wird seit Jahren am Western Harbour gebaut.
Kopenhagen und Malmö wachsen in Richtung Wasser: In der dänischen Hauptstadt entsteht das Megaprojek­t Nordhavn, in Malmö wird seit Jahren am Western Harbour gebaut.
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