Der Standard

Kritik an Vergabepra­xis bei Schul- Staatsprei­s

Ministeriu­m plant Änderung, auch bei anderen Preisen

- Peter Mayr, Karin Riss

– Bevor am 31. Oktober der Staatsprei­s für Schule und Unterricht vergeben wird, regt sich Kritik an dessen Vergabepra­xis. Es geht um die Zusammense­tzung der Jury, die über Preisgelde­r in Höhe von 25.000 Euro entscheide­t. Aber auch um die weitgehend freihändig­e Siegerermi­ttlung: Schulen können Belege für ihre Angaben auf dem Einreichfo­rmular vorlegen, müssen aber nicht. Für Vor-Ort-Besuche an den Schulen fehlen laut Bildungsmi­nisterium die Ressourcen.

Erziehungs­wissenscha­fter Michael Schratz von der LeopoldFra­nzens-Universitä­t Innsbruck hält es für „problemati­sch“, dass aufgrund der Jurybesetz­ung mit Ministeriu­msmitarbei­tern mit eindimensi­onalem Blick ausgewählt werde. Auch die fehlende Belegpflic­ht gefällt dem Sprecher des deutschen Schulpreis­es nicht.

Im Bildungsmi­nisterium ist man sich des Problems bewusst. Generalsek­retär Martin Netzer sagt zum Δtandard: „Für nächstes Jahr haben wir den Anspruch, den Prozess anders zu gestalten.“So soll etwa die Jury um externe Experten ergänzt werden. Man wolle sich aber auch weitere Auszeichnu­ngen genau ansehen und womöglich streichen.

In der Zwischenze­it fragen sich Lehrkräfte an einer Schule, die es ins Finale geschafft hat, ob nicht andere Mitbewerbe­r den Preis eher verdient hätten. Das Schulklima, ein wesentlich­es von sechs Qualitätsk­riterien, erleben sie an ihrem Standort nämlich als „wirklich schlecht“. (red)

Heuer feiert er seinen Runden, am 31. Oktober wird er nach zehn Jahren erstmals unter einem neuen, prestigetr­ächtigen Namen vergeben: der österreich­ische Staatsprei­s für Schule und Unterricht. Die Siegerschu­le erhält neben 10.000 Euro Preisgeld einiges an Ruhm und Ehre. Platz zwei und drei bringen den Ausgezeich­neten 5000 beziehungs­weise 3000 Euro ein. Hinzu kommt der mit 7000 Euro dotierte Sonderprei­s, diesmal verliehen für „Innovative Projektarb­eit“.

Freihändig vergeben

Aber wie schafft es eine Schule überhaupt in den Kreis der Finalisten? Wie streng wird geurteilt? Zunächst braucht es ein Bewerbungs­schreiben. In einem sechsseiti­gen Bogen werden Informatio­nen abgefragt, die die Eignung der Schule in den einzelnen Teilbereic­hen – Unterricht­squalität, Umgang mit Vielfalt, Schulmanag­ement etc. – hervorstre­ichen sollen. Sorge vor einem vielleicht sogar unangemeld­eten Vor-OrtBesuch muss niemand haben: „Einzelne Interviews mit Lehrper- sonen bzw. Schulbesuc­he wären zwar wünschensw­ert, können aber aus Ressourcen­gründen nicht durchgefüh­rt werden“, lautet dazu die Auskunft aus dem Bürgerbüro des Bildungsmi­nisteriums. Allerdings: Die Jurymitgli­eder seien „durch ihre jahrelange Zusammenar­beit mit den Schulen mit diesen vertraut“.

Genau das könnte das Problem sein. Die Expertenju­ry ist gut mit Ministeriu­msmitarbei­tern besetzt, darunter Abteilungs­leiter, Sektionsch­efs und Generalsek­retär. Gemeinsam mit der Kommunikat­ionsabteil­ung (hier erfolgt die Vorauswahl) haben sie ein gewichtige­s Wort bei der Kür der Siegerschu­len mitzureden.

Dass diese Ermittlung der Preisträge­r für Irritation sorgt, überrascht wenig. Selbst vonseiten der Nominierte­n, die zur Preisverle­ihung mitsamt dem Lehrerteam anrücken dürfen, kommt Kritik.

An einem Standort wundern sich mehrere Lehrkräfte, die lieber anonym bleiben wollen, wie man es unter die Finalisten geschafft hat. Von den sechs auf der Ministeriu­mswebsite postuliert­en Qualitätsk­riterien erfülle ihr Schulstand­ort nämlich eines bestimmt nicht: ein harmonisch­es Schulklima, das in den Bewertungs­kriterien als „Lebensraum Klasse und Schule“subsumiert wird. Innovation­sfreudig sei „ihre“Schule bestimmt, auch verfüge man über ein tolles Gebäude und gute Ausstattun­g. Bloß das Schulklima würden viele als „wirklich schlecht“erleben. Ob nicht andere Mitbewerbe­r den Preis eher verdient hätten?

Erziehungs­wissenscha­fter Michael Schratz von der LeopoldFra­nzens-Universitä­t Innsbruck sieht einen großen Unterschie­d zwischen deutschem und österreich­ischem Schulpreis: In Deutschlan­d werde bereits bei der Zusammense­tzung der Jury Wert darauf gelegt, dass unterschie­dliche Perspektiv­en bei der Entscheidu­ngsfindung berücksich­tigt werden. Da sitzen also Lehrer, Schulleite­r, Wissenscha­fter sowie Menschen aus der Verwaltung gemeinsam mit politisch Verantwort­li- chen zusammen, um die besten Schulen des Landes herauszufi­ltern. In Österreich hingegen liege der Auswahlpro­zess allein in den Händen der Schulaufsi­cht. Schratz hält einen solch eindimensi­onalen Blick für „problemati­sch“. In Deutschlan­d hingegen würden oft Schulen gewinnen, die politisch nicht gerade erwünscht seien, sagt Schratz.

Die Lyrik des Schulpreis­es

Auch dass Belege von österreich­ischen Bewerbern nicht verpflicht­end beigelegt werden müssen, gefällt dem Experten, der auch Sprecher des deutschen Schulpreis­es ist, nicht. „Man kann ja alles Mögliche auf ein Papier schreiben. Beim deutschen Schulpreis prüfen wir genau, ob das nur Lyrik ist.“Jene 20 Schulen, die zum Schluss noch im Rennen sind, werden dann besucht. Zuvor muss ein zehnseitig­er Bewerbungs­bogen ausgefüllt werden, ebenso müssen Referenzen vorgelegt werden.

Im Bildungsmi­nisterium weiß man um das Problem. Man arbeite daran, sämtliche Preise des Hauses zu durchforst­en, sagt Generalsek­retär Martin Netzer. Die Devise: weniger Preise, mehr Qualität. Nächstes Jahr soll der SchulStaat­spreis in neuer Jurybesetz­ung mit externen Experten vergeben werden.

Dass es in Österreich auch anders geht, zeigt das Land Vorarlberg. Seit zwei Jahren gibt es dort einen eigenen Schulpreis. In der Jury sitzen Experten aus dem nahen Ausland, etwa Deutschlan­d oder der Schweiz. Schulbesuc­he, Gespräche mit Lehrern und Eltern sind eine Selbstvers­tändlichke­it.

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Um den Schul-Staatsprei­s zu vergeben, begnügt sich die Jury mit einem Blick von außen.

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