Der Standard

DORON RABINOVICI

- DORON RABINOVICI, geb. 1961 in Tel Aviv, ist Schriftste­ller und Historiker. Zuletzt erschien sein Roman „Die Außerirdis­chen“2017 im Suhrkamp-Verlag.

Ich erinnere mich gut. In manchen Lokalen der Innenstadt kam das Gerücht auf, Oscar Bronner plane eine neue Zeitung. 1988 standen viele noch unter dem Eindruck der Debatten rund um Kurt Waldheim und den Wahlkampf von 1986. Die österreich­ischen Medien hatten der Kritik an dem Kandidaten, an dieser Personifik­ation für die österreich­ische Geschichts­lüge, kaum Platz geboten. Die Kro

ne wurde zum Leibblatt kleinforma­tiger Antisemite­n, während einige Kommentato­ren in der Zeitung Die Pres

se den alten Ressentime­nts nachhingen.

Was wir über Bronner hörten, nährte die Hoffnung auf einen liberalen Journalism­us, der den Maßstäben westlicher Öffentlich­keit gerecht werden sollte. Tatsächlic­h erlebten wir 1988 hierzuland­e die Einführung dessen, was in anderen Ländern der Standard ist. der Δtandard unterschie­d sich von den anderen österreich­ischen Zeitungen, war weder das Zentralorg­an einer Partei noch einer Institutio­n der Sozialpart­nerschaft unterworfe­n und schmiegte sich nicht dem Boulevard an. Hier wurden Stimmen wiedergege­ben, die zuvor kaum zu Gehör gekommen waren. Ich spreche nicht nur vom Kommentar der anderen, der zu einem Markenzeic­hen wurde und die Streitkult­ur Österreich­s nachhaltig prägte, sondern ebenso von der neuen Tonlage, in der nun über die Vergangenh­eit, doch ebenso über Kunst geredet werden konnte.

Diese Umformung des heimischen Journalism­us wirkt zwar bis heute nach, doch seit einigen Jahren erleben wir den Niedergang bürgerlich­er Öffentlich­keit im Zeitalter digitaler Medien. Die Qualitätsp­resse wird als Lügenpress­e verleumdet, während Verschwöru­ngstheorie­n und rassistisc­he Verleumdun­gen im Netz wie ein Lauffeuer die Runde machen und von einem Kontinent zum anderen überspring­en. Autoritäre Populisten speisen auf ihren Plattforme­n die Vorurteile ihrer Anhänger, verbreiten alternativ­e Fakten, verkünden stichhalti­ge Gerüchte und schüren zugleich den Hass gegen kritische Redakteure und Redakteuri­nnen.

Längst sind diese Rechtsextr­emen in Regierungs­ämter aufgestieg­en. Sie machen gegen den liberalen Journalism­us mobil. Niemand muss deshalb erstaunt sein, dass vor kurzem im Innenminis­terium veranlasst wurde, unbequeme Medien nicht mehr mit Informatio­nen zu versorgen, sondern stattdesse­n nur die einschlägi­g bekannten Hetzblätte­r zu bedienen – und zwar mit Nachrichte­n über jene Verbrechen, die rassistisc­he Emotionen bestärken. Wen wundert’s indes, dass

der Δtandard in der Liste jener Zeitungen, die von Kickls Ministeriu­m nicht mit „Zuckerln“bedacht werden sollten, aufschien?

der Δtandard kann wohl für einen Politiker wie Herbert Kickl nichts anderes als ein Feindmediu­m sein, weil hier kritisch und unabhängig berichtet wird, weil hier analysiert und kommentier­t wird, wie der Innenminis­ter gegen Prinzipien der Zweiten Republik verstößt. Kann es ein schöneres Geschenk für das 30-Jahr-Jubiläum geben als diese Bestätigun­g, wie wichtig

der Δtandard für unsere liberale Demokratie ist?

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