Der Standard

Der Weg von Mikroplast­ik in den Organismus

Eine am Dienstag publiziert­e Studie hat erstmals Mikroplast­ik im Verdauungs­apparat von Menschen gefunden. Wie aber kommen die winzigen Partikel in unsere Nahrung? Und wie groß ist das Gesundheit­srisiko?

- FRAGE & ANTWORT: Karin Pollack

Frage: Wie gelangt Plastik in unser Essen? Antwort: Dafür gibt es viele Wege. Plastik spielt beispielsw­eise im Produktion­sprozess vieler Lebensmitt­el eine Rolle, etwa als Behälter, als Werkzeug (Rührschleg­el) oder Verpackung. Durch Abrieb gelangt es ins Essen. Auch im Haushalt ist Plastik omnipräsen­t – etwa in Form von Schneidbre­ttern aus Kunststoff, deren Partikel sich beim Schneiden lösen können. Auch Plastikfla­schen und Plastiksch­raubversch­lüsse sind eine Mikroplast­ikquelle. Durch das Auf- und Zuschraube­n, durch oftmaliges Verwenden von PET-Flaschen oder starke Temperatur­schwankung­en können Mikroparti­kel frei werden.

Frage: Kommt Mikroplast­ik auch im Leitungswa­sser vor? Antwort: Ja. Eine 2017 veröffentl­ichte Studie, für die insgesamt 159 Wasserprob­en aus allen Weltregion­en analysiert wurden, fand in über 80 Prozent der analysiert­en Wasserprob­en Mikroplast­ik. Besonders stark ist das Trinkwasse­r in den USA mit den kleinen Kunststoff­partikeln belastet, auch Proben aus Indien und dem Libanon zeigten hohe Verunreini­gungsraten mit Mikroplast­ik. Die Proben aus Europa waren am wenigsten verseucht, trotzdem waren auch hier 74 Prozent aller Proben mit Plastikpar­tikeln belastet. Der durchschni­ttliche Anteil der Kunststoff­fasern, die in einer Halbliterp­robe gefunden wurde, reichte von 4,8 in den USA bis zu 1,9 Prozent in Europa.

Frage: Vor allem die Weltmeere sind voll von Mikroplast­ik. Wirkt sich das auch auf Fische und Meeresfrüc­hte aus, die wir verzehren? Antwort: Ja. Vor allem gilt das für jene Meeresbewo­hner, deren Darm die Menschen verzehren – also Muscheln, Garnelen oder Shrimps. In diesen Tieren ist besonders viel Mikroplast­ik enthalten. Verunreini­gungen finden sich aber beispielsw­eise auch im Thunfisch – und im Meersalz. Wie und wo hat man Mikroplast­ik im menschlich­en Verdauungs­apparat gefunden? Antwort: Das gelang erstmals in einer am Dienstag veröffentl­ichten Studie der Medizinisc­hen Universitä­t Wien und des Umweltbund­esamts. Die Untersuchu­ng, für die freilich nur an acht Probanden aus acht verschiede­nen Ländern durchgefüh­rt wurde, wies Mikroplast­ik erstmals im menschlich­en Darm bzw. im Kot nach. Dass Mikroplast­ik vor allem in den Stuhlprobe­n gefunden wurde, werten einige Experten als positiv, weil der Darm Plastik anscheinen­d aus dem Organismus filtert. Inwiefern Mikroplast­ik auch in Lymphe, Blut oder Organe gelangt, wurde bisher am Menschen allerdings noch nicht untersucht.

Frage: Welche Arten von Mikroplast­ik wurden im menschlich­en Darm identifizi­ert? Antwort: Die Forscher konnten neun verschiede­ne Kunststoff­arten in der Größe von 50 bis 500 Mikrometer nachweisen. In erster Linie handelt es sich dabei um Polypropyl­en (PP), einen festen, leichten Verpackung­skunststof­f, der gegen Fette und Lösungsmit­tel beständig ist, sowie um Polyethyle­nterephtha­lat (PET). Beide Materialie­n seien lebensmitt­elsicher, betont Bettina Liebmann vom Bundesumwe­ltamt, die federführe­nd an der Studie beteiligt war. Beide Kunststoff­e sind sogenannte inerte Materialen, die nicht mit der Umgebung reagieren.

Frage: Was können besorgte Konsumente­n tun, um sich keinem Mikroplast­ik auszusetze­n? Antwort: Eine ganze Menge. Vor allem gilt: (Mikro-)Plastik vermeiden. Beim Einkaufen also Stoff- statt Plastiksac­kerln verwenden, Essen möglichst unverpackt kaufen, Glas- statt PET-Flaschen verwenden. Bestimmte Arten von Zahnpasta, die Mikroplast­ik enthalten, sollten nach Möglichkei­t auch vermieden werden, nicht zuletzt der Umwelt zuliebe.

Frage: Inwiefern helfen Kläranlage­n, Mikroplast­ik aus dem Wasser zu filtern, damit es erst gar nicht in die Nahrungske­tte gelangen kann? Antwort: Gar nicht schlecht, wie Studien zeigen. Rund 90 Prozent der Plastiktei­lchen können laut bisherigen Studien auf diese Weise entfernt werden. Ein Problem sind aber die feinen Kunstfaser­n, die beim Waschen von Fleece-Bekleidung massenhaft ins Abwasser gelangen und eher nicht in den Filtern hängenblei­ben.

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