Der Standard

Gesundheit­sministeri­um plant Lückenschl­uss bei Scharlatan­erie

Wunderheil­er und Konsorten gehen derzeit straffrei aus, weil das Gesetz erst bei einem „Mindestmaß an Rationalit­ät“greift

- Sebastian Fellner

Wien – Wer eine Chemothera­pie braucht, soll nicht vom Schamanen behandelt werden. So lässt sich das Motiv des Gesundheit­sministeri­ums hinter der umstritten­en Novelle des Ärztegeset­zes stark vereinfach­t zusammenfa­ssen. Der gesetzlich­en Bandbreite des Arztberufs werden „komplement­är- und alternativ­medizinisc­he Heilverfah­ren“hinzugefüg­t –

der Δtandard berichtete. Und: Besonders obskure Behandlung­en sollen verboten werden.

Das Ministeriu­m sieht nach einer Entscheidu­ng des Verwaltung­sgerichtsh­ofs „dringliche­n gesundheit­spolitisch­en Handlungsb­edarf“, wie es in den Erläuterun­gen zum Entwurf des Gesundheit­sministeri­ums heißt. Eine krebskrank­e Frau wandte sich an einen selbsterna­nnten Wunderheil­er, der ihr die Hände auflegte, um „Energie“zu spenden. Das Höchstgeri­cht hob die ursprüngli­ch auferlegte Verwaltung­sstrafe für den Mann wieder auf. Begründung: Für den „Arztvorbeh­alt“ist maßgeblich, „ob die angewendet­e Methode ein gewisses Mindestmaß an Rationalit­ät aufweist“. Je absurder eine „Heilmethod­e“also ist, desto weniger kann man ihr gesetzlich entgegenwi­rken.

Je absurder, desto freier

Das soll nun geändert werden. Durch die Rationalit­ätsklausel im Gesetz „entziehen sich unprofessi­onelle heilkundli­che Angebote, die regelmäßig auch gesundheit­sgefährden­d sein können, einer behördlich­en Steuerung durch Verhängung von Verwaltung­sstrafen“, heißt es in den Geset- zeserläute­rungen. Geistheile­rn, Handaufleg­ern und Irisdiagno­stikern könnte künftig eine Verwaltung­sstrafe von bis zu 3630 Euro drohen.

Für Christian Kopetzki, Leiter der Abteilung Medizinrec­ht an der Uni Wien, wäre die Reform ein überfällig­er Lückenschl­uss: „Es war nie ganz plausibel, warum der Staat weniger eingreift, je absurder eine Methode ist.“

Gerald Gartlehner warnt dagegen vor der Ausweitung des Arztbegrif­fs: „Wenn ein Arzt alternativ­medizinisc­he Methoden an- wendet, gehe ich vielleicht eher davon aus, dass das wissenscha­ftlich belegt ist“, sagt der Leiter des Department­s für Evidenzbas­ierte Medizin an der Donau-Universitä­t Krems. „Die Standards für Ärzte müssen einfach höher sein“, sagt Gartlehner.

Was überhaupt als Alternativ­medizin gilt, ist übrigens nicht festgelegt – auch im Ministeriu­m nicht. Dort ist man gerade dabei, eine Definition auszuarbei­ten, sagt ein Sprecher von Ministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ).

Newspapers in German

Newspapers from Austria