Gesundheitsministerium plant Lückenschluss bei Scharlatanerie
Wunderheiler und Konsorten gehen derzeit straffrei aus, weil das Gesetz erst bei einem „Mindestmaß an Rationalität“greift
Wien – Wer eine Chemotherapie braucht, soll nicht vom Schamanen behandelt werden. So lässt sich das Motiv des Gesundheitsministeriums hinter der umstrittenen Novelle des Ärztegesetzes stark vereinfacht zusammenfassen. Der gesetzlichen Bandbreite des Arztberufs werden „komplementär- und alternativmedizinische Heilverfahren“hinzugefügt –
der Δtandard berichtete. Und: Besonders obskure Behandlungen sollen verboten werden.
Das Ministerium sieht nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs „dringlichen gesundheitspolitischen Handlungsbedarf“, wie es in den Erläuterungen zum Entwurf des Gesundheitsministeriums heißt. Eine krebskranke Frau wandte sich an einen selbsternannten Wunderheiler, der ihr die Hände auflegte, um „Energie“zu spenden. Das Höchstgericht hob die ursprünglich auferlegte Verwaltungsstrafe für den Mann wieder auf. Begründung: Für den „Arztvorbehalt“ist maßgeblich, „ob die angewendete Methode ein gewisses Mindestmaß an Rationalität aufweist“. Je absurder eine „Heilmethode“also ist, desto weniger kann man ihr gesetzlich entgegenwirken.
Je absurder, desto freier
Das soll nun geändert werden. Durch die Rationalitätsklausel im Gesetz „entziehen sich unprofessionelle heilkundliche Angebote, die regelmäßig auch gesundheitsgefährdend sein können, einer behördlichen Steuerung durch Verhängung von Verwaltungsstrafen“, heißt es in den Geset- zeserläuterungen. Geistheilern, Handauflegern und Irisdiagnostikern könnte künftig eine Verwaltungsstrafe von bis zu 3630 Euro drohen.
Für Christian Kopetzki, Leiter der Abteilung Medizinrecht an der Uni Wien, wäre die Reform ein überfälliger Lückenschluss: „Es war nie ganz plausibel, warum der Staat weniger eingreift, je absurder eine Methode ist.“
Gerald Gartlehner warnt dagegen vor der Ausweitung des Arztbegriffs: „Wenn ein Arzt alternativmedizinische Methoden an- wendet, gehe ich vielleicht eher davon aus, dass das wissenschaftlich belegt ist“, sagt der Leiter des Departments für Evidenzbasierte Medizin an der Donau-Universität Krems. „Die Standards für Ärzte müssen einfach höher sein“, sagt Gartlehner.
Was überhaupt als Alternativmedizin gilt, ist übrigens nicht festgelegt – auch im Ministerium nicht. Dort ist man gerade dabei, eine Definition auszuarbeiten, sagt ein Sprecher von Ministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ).