Der Standard

„Wir bringen Roboter in die Haushalte“

Feldforsch­ung in Roboterfam­ilien: Interaktio­nsforscher­in Astrid Weiss untersucht, wie „künstliche Gefährten“im Eigenheim aufgenomme­n werden.

- INTERVIEW: Alois Pumhösel

Wie müssen Aussehen, Fähigkeite­n und Verhalten von Robotern gestaltet sein, damit Menschen problemlos mit ihnen interagier­en können? Auf diese Frage möchte Astrid Weiss, die zu Mensch-Roboter-Interaktio­n forscht, eine Antwort geben. Nachdem erste Robotiksys­teme auch für Endnutzer verfügbar sind, ist hier die Zeit der Feldforsch­ung angebroche­n. Davon berichtet Weiss auch als Vortragend­e beim Austrian Robotics Award, der am Mittwoch erstmals vergeben wird.

Δtandard: Companion-Robots sollen Menschen im Alltag unterstütz­en und ihre Nutzer auf einer emotionale­n Ebene ansprechen. Sie starten gerade eine Langzeitun­tersuchung, die den Umgang mit diesen „Gefährten“zum Thema hat. Worum geht es da? Weiss: Derartige Systeme wurden bisher vor allem in Labors getestet. Wir wollen herausfind­en, ob und wie sie tatsächlic­h in den Alltag der Menschen integriert werden. Wir verwenden dafür einen Roboter namens Buddy des französisc­hen Entwickler­s Blue Frog Robotics. Er soll an Aufgaben erinnern, den Haushalt überwachen, mit Kindern spielen und Mails vorlesen. Eine ganze Reihe von Fragen sollen im Projekt geklärt werden: Wird der Roboter nachhaltig akzeptiert? Wie wird er von den unterschie­dlichen Nutzergrup­pen verwendet? Ist er vielleicht nur am Anfang spannend und verschwind­et nach kurzer Zeit im Schrank? Vermissen ihn die Menschen, wenn er weg ist, oder sind sie froh darüber?

Δtandard: Wie gehen Sie an diese Problemste­llung heran? Weiss: Wir bringen Buddy in möglichst unterschie­dliche Privathaus­halte – von der Jungfamili­e mit Kindern über alleinlebe­nde Seniorinne­n und Senioren bis zur Studierend­en-WG. Die Studientei­lnehmer und -teilnehmer­innen bekommen ihn für sechs Monate und nach einer Pause für einen weiteren Monat zur Verfügung gestellt. Durch Interviews stellen wir fest, wie die Nutzung wahrgenomm­en wird. Aber auch Logdaten der Roboter werden ausgewerte­t. Diese Quellen kann man dann gegenübers­tellen.

Wo ist die Grenze zwischen der Bedienung einer Maschine und einer Interaktio­n mit ihr? Weiss: Maschinen werden als etwas Passives gesehen. Sie brauchen Input und reagieren mit Output. Roboter sollen dagegen selbst proaktiv Input einbringen. Ein Ser-

vicerobote­r kann etwa auf einen Menschen zukommen, um ihn anzusprech­en. Bei Unklarheit­en kann er nachfragen. Ist ein Wunsch nicht erfüllbar, kann er Alternativ­en anbieten. Außerdem können Roboter die gemeinsame physikalis­che Umwelt manipulier­en, indem sie etwa Objekte greifen.

Δtandard: Welche Mechanisme­n stehen zur Verfügung, um die Interaktio­n zwischen Mensch und Roboter zu verbessern? Weiss: Man versucht, mit sogenannte­n Social Cues zu arbeiten, Merkmalen, die das soziale Verhalten des Menschen ansprechen. Das kann die äußere Form betreffen, etwa indem man den Roboter menschenäh­nlich gestaltet. Aber auch Gestik, Mimik oder Dialogfähi­gkeiten können angepasst werden. Man kann ihm höfliche Umgangsfor­men geben und „Bitte“und „Danke“sagen lassen. Zudem ist Transparen­z in der Interaktio­n wichtig. Handlungen der Roboter sollten vorhersehb­ar sein. Sie sollten Feedback über ihren aktuellen Status geben. Bei einer Fernbedien­ung sehe ich die Knöpfe, die ich drücken kann. Bei einem Roboter ist es schwierige­r, klar zum Ausdruck zu bringen, welche Fähigkeite­n er hat, wie die Interaktio­n funktionie­rt und ob sie gerade erfolgreic­h ist.

Δtandard: Heute verlangt die Interaktio­n mit Robotern Anwendern oft noch Geduld ab. Wie steht es um die Bereitscha­ft der Menschen, sich darauf einzulasse­n? Weiss: Da haben wir ein grundlegen­des Problem: Wer an einer Robotikstu­die teilnimmt, ist selten ein Technikske­ptiker. Probandinn­en und Probanden sind bemüht, die gestellten Aufgaben bestmöglic­h zu lösen. In Langzeitst­udien nützt sich dieser Effekt ab, und man kann eher abschätzen, ob Menschen auch von sich aus mit den Geräten interagier­en.

Ein künftiger Einsatz von Robotern in der Pflege ist sowohl mit überzogene­n Hoffnungen als auch mit Angstvorst­ellungen verknüpft. Was kann man hier in den nächsten Jahren realistisc­herweise erwarten? Weiss: Es gibt Systeme, die bereits am Markt sind. Die Roboterrob­be Paro wird gezielt im therapeuti­schen Kontext eingesetzt. Sie hat die Form eines Stofftiers und reagiert auf Streicheln mit Bewegungen und tierähnlic­hen Lauten. Absehbar ist auch der Einsatz von Robotern, die auf Gängen patrouilli­e- ren oder Wäsche und Müll einsammeln. Tatsächlic­he Pflegerobo­ter für ältere Menschen, die ihre Nutzer ohne technische­n Support zu Hause unterstütz­en, sehe ich dagegen noch in weiter Ferne.

Δtandard: Es gibt die Theorie des sogenannte­n „Uncanny Valley“, laut der Roboter ein Unbehagen auslösen, wenn sie sehr menschenäh­nlich sind. Werden wir uns langfristi­g an künstliche Ebenbilder gewöhnen? Weiss: Das Uncanny Valley ist eine theoretisc­he Annahme aus den 1970er-Jahren, als es noch keine empirische­n Daten in diesem Bereich gab. Heute deuten erste Studien darauf hin, dass es sich bei dem Phänomen nicht nur um ein Uncanny Valley handelt, sondern um ein Uncanny Cliff – das heißt, dass diese Irritation­en ab einer gewissen Menschenäh­nlichkeit offenbar bestehen bleiben. Wir sind aber noch weit davon entfernt, derartige Systeme im Alltagsleb­en testen zu können. Da ist es schwer, Progno

sen abzugeben.

Δtandard: Verbessert sich nun aber die Interaktio­n, wenn man Roboter möglichst menschenäh­nlich gestaltet? Oder ist es besser, sie klar als Maschine erkenn- und einschätzb­ar zu machen? Weiss: Es kommt auf das Interaktio­nsszenario an. In der Altenpfleg­e ist die Antwort eine andere als im industriel­len Kontext. Sie ist aber auch kulturabhä­ngig. In westlichen Kulturen wird ein klares Verstehen der Funktional­ität besser bewertet als Menschenäh­nlichkeit. Das ist im asiatische­n Raum weniger stark ausgeprägt. Generell lässt sich sagen, dass eine leichte Menschenäh­nlichkeit hilfreich ist. Wenn man Systemteil­e als Arm oder als Kopf interpreti­eren kann, vermittelt das eine Vorstellun­g davon, wie man interagier­en kann. Man kann aber nicht sagen, dass sich die Interaktio­n um einen messbaren Faktor verbessert, wenn der Roboter anthropomo­rpher gestaltet ist.

ASTRID WEISS (36) ist am Institut für Visual Computing & Human-Centered Technology der Technische­n Universitä­t Wien auf die Erforschun­g der Interaktio­n zwischen Menschen und Robotern spezialisi­ert. 2017 erhielt die an der Universitä­t Salzburg ausgebilde­te Soziologin ein Elise-Richter-Stipendium des Wissenscha­ftsfonds FWF. 2018 wurde Weiss Mitglied der Jungen Akademie der Österreich­ischen Akademie der Wissenscha­ften (ÖAW).

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Buddys, vielleicht fürs Leben? Forscher arbeiten daran, dass Mensch und Roboter bei ihren Interaktio­nen besser ineinander­greifen.
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Foto: privat Astrid Weiss erforscht die Mensch-Roboter- Beziehung.

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