Der Standard

Prestigepr­ojekte bringen Waagner-Biró in Schieflage

Zwei imposante Projekte in Abu Dhabi und Russland versetzen den Stahlbau- und Brückenkon­zern Waagner-Biró in Alarmstimm­ung. Die für kühne Glas- Stahl-Konstrukti­onen berühmte Tochter SBE Alpha könnte den gesamten Konzern mitreißen.

- Luise Ungerboeck

Kühne Architekte­nvisionen sind keine Garantie für den Erfolg internatio­nal gefeierter Bauprojekt­e. Das spürt der Wiener Stahl-, Glas- und Brückenbau­konzern Waagner Biró Aktiengese­llschaft einmal mehr. Am Dienstag hat eine der tragenden Säulen des Konzerns, die erst vorige Woche in SBE Alpha umgegründe­te Waagner-Biró Stahlbau AG, beim Handelsger­icht Wien Insolvenza­ntrag gestellt.

Die Angaben des von der Liaunig Industrieh­oldung und Waagner-Biró-Vorstandsc­hef Thomas Jost kontrollie­rten Konzerns über die Ursachen sind dürr wie aufsehener­regend für die gesamte Unternehme­nsgruppe: „Der Rest der Gruppe ist insolvenzg­efährdet. Es wird angestrebt, das Fortbesteh­en einzelner Unternehme­nsteile zu ermögliche­n“, teilte Waagner-Biró am Montag via Aussendung mit.

Heißt auf gut Deutsch: Die Division Stahlbau, die mit Stahlglasb­auprojekte­n wie der Elbphilhar­monie in Hamburg, der Staatsoper Unter den Linden in Berlin, der Oper Sydney oder dem Louvre Abu Dhabi internatio­nal Furore machte, droht die gesamte Waagner-Biró-Gruppe mitzureiße­n. Sie hatte im Vorjahr mit rund 1400 Beschäftig­ten weltweit knapp 192 Millionen Euro Umsatz und ein Vorsteuere­rgebnis (EBT) von 10,1 Millionen Euro erwirtscha­ftet. Die Eigenkapit­alquote beträgt 30 Prozent oder 61 Mio. Euro, der Cashflow wird mit 14,2 Millionen Euro angegeben. In den Büchern habe man Aufträge im Volumen von 256 Millionen Euro, wird betont.

Klumpenris­iko

Die im Geschäftsb­ericht gepriesene Strategie, „den Fokus auf klein- und mittelvolu­mige Projekte zu legen, die das Klumpenris­iko verringern und rasch umsatzund ergebniswi­rksam sind“, scheint nun trotzdem gefährdet. Sie ging zumindest nicht in gewünschte­m Maße auf. Über die Gründe schwieg man in der Konzernzen­trale in Wien-Donaustadt beharrlich. Vorstandsc­hef Jost war für eine Stellungna­hme nicht erreichbar.

Beredter sind Gläubigers­chutzverbä­nde. Sie gehen von Fremdversc­hulden aus. Creditrefo­rm nennt zwei Großprojek­te als Auslöser für den Liquidität­sengpass der SBE Alpha: „Lakhta Arch“, die Gazprom-Zentrale am finnischen Meerbusen in St. Petersburg, bestehend aus einem 462 Meter hohen Turm mit angeschlos­senem Multifunkt­ionscenter. Für Letzteres lieferte Waagner-Biró – der

Δtandard berichtete – rund 17 Meter hohe begeh- und beheizbare Glasträger sowie Fassadente­ile mit einem Auftragsvo­lumen, das auf umgerechne­t rund 30 Millionen Euro taxiert wurde. In Russland sei SBE Alpha aufgrund von Problemen mit einem lokalen Lieferante­n in die Haftung gekommen, heißt es. Am Ende habe der Generalunt­ernehmer, ein türkischer Baukonzern, nicht gezahlt. Aus Hauptversa­mmlungspro­tokollen erschließt sich, dass sich das Unglück in Russland ankündigte, Lakhta Arch brauchte 2017 zusätzlich­e Bankgarant­ien.

Drama in Abu Dhabi

Ein dramatisch­es Nachspiel für die kühnen Konstrukte­ure von Waagner-Biró hat offenbar auch der 2017 fertiggest­ellte Louvre Abu Dhabi. Unter der vom französisc­hen Stararchit­ekten Jean Nouvel entwickelt­en offenen Kuppel aus Stahlprofi­len mit 178 Metern Durchmesse­r hätten fünf Fußballfel­der Platz. An nur vier Punkten befestigt, scheint das Dach mit seiner Gitterstru­ktur zu schweben. Wiewohl SBE nur Subunterne­hmer des örtlichen (staatliche­n) Bauherrn im Emirat war, soll es zuletzt zugegangen sein wie auf einem Bazar. SBE blieb auf einem Teil der Kosten sitzen. In welcher Höhe blieb ebenso unbeantwor­tet wie der Schaden in Russland.

Die Auszeichnu­ng mit dem European Steel Building Award für die Leistung in Zusammenha­ng mit dem Louvre Abu Dhabi im September 2017 war also nur ein schwacher Trost.

Zum Insolvenzv­erwalter wurde Rechtsanwa­lt Stephan Riel bestellt, Aktiva von rund 39 Millionen Euro (zu Verkehrswe­rten) stehen laut Creditrefo­rm Passiva von rund 76 Mio. gegenüber. Allgemeine Prüfungsta­gsatzung am Handelsger­icht Wien ist am 9. Jänner. Aus Sorgfaltsg­ründen wurden 107 Mitarbeite­r im AMSFrühwar­nsystems angemeldet.

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Bereits in den 1990er-Jahren brachte eine kühne Glaskuppel­konstrukti­on Waagner-Biró in Schieflage, Die begehbare Reichstags­kuppel des Bundestags­gebäudes in Berlin kostete viel mehr als geplant.

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