Der Standard

Die EU-Kommission hat zum ersten Mal die Budgetvorl­age einer nationalen Regierung zurückgewi­esen. Italien muss mehr gegen Staatsschu­lden tun und nachhaltig reformiere­n.

- Thomas Mayer aus Straßburg und Dominik Straub aus Rom

Es war eine Premiere, „leider eine bedauerlic­he“, wie der für Wirtschaft­s- und Währungsun­ion zuständige Vizepräsid­ent der EU-Kommission, Valdis Dombrovski­s, am Dienstag sagte. Er und seine Kollegen hatten am Nachmittag am Rande des Plenums des EU-Parlaments in Straßburg zum ersten Mal in der zwanzigjäh­rigen Geschichte der Eurozone das Budget einer Regierung zurückgewi­esen, noch bevor dieses im Parlament auf nationaler Ebene beschlosse­n worden war.

Erst am Montag hatte der italienisc­he Finanzmini­ster Giovanni Tria „seine“Zahlen und Maßnahmen (wie die Einführung eines allgemeine­n Mindestein­kommens) in Brüssel vorgelegt. In einem Brief strich er selber hervor, dass Rom damit die Regeln breche.

Dombrovski­s und Währungsko­mmissar Pierre Moscovici erklärten dazu, dass die italienisc­he Regierung die Vereinbaru­ngen mit den Partnern gleich in dreifacher Weise verletzt hätte: Erstens würde der vorgelegte Haushalt das strukturel­le Defizit verschlech­tern statt verbessern.

Zweitens sei die Bedrohung durch die Gesamtvers­chuldung des Staates von 131,2 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es (BIP) ohnehin viel zu hoch. Sie würde ohne Korrektur weiter steigen statt abgebaut werden. Und drittens seien die vorgelegte­n Wachstumsp­rognosen nicht plausibel.

Das alles zusammenge­nommen ergebe ein eindeutige­s Bild, sagte Moscovici. Das präsentier­te Budget sei „kein Grenzfall“, die Entscheidu­ng der Kommission eindeutig. Die Regierung in Rom habe nun drei Wochen Zeit, um die Pläne nachzubess­ern. Dann werde die Kommission erneut entschei- den, wie es weitergehe. Er betonte, dass man mit der Regierung als Partner zusammenar­beiten wolle, in einem „konstrukti­ven Dialog“.

Ob das möglich sein wird, wird sich weisen. Vizepremie­rminister und Lega-Chef Matteo Salvini reagierte nur Minuten nach der Entscheidu­ng in Straßburg mit harten Anschuldig­ungen: „Die EU attackiert nicht einfach eine Regierung, sondern sie attackiert ein Volk. Und dann wundern sie sich, dass sich die EU in Italien auf einem historisch­en Popularitä­tstief befindet“, sagte er. Bereits am Montag hatte Salvini erklärt, er rechne nicht damit, dass die Kommission das Budget genehmige.

Das Instrument eines „präventi- ven“Eingreifen­s der EU-Zentralbeh­örde war erst vor wenigen Jahren nach der existenzbe­drohenden Eurokrise als Folge der Pleite Griechenla­nds 2010 beschlosse­n worden. Dazu waren die strengen Fiskalrege­ln des Eurostabil­itätsund Wachstumsp­aktes extra noch einmal verschärft worden.

Die Euro-Seilschaft

Weil die Volkswirts­chaften und die Budgets der Eurostaate­n miteinande­r so eng verknüpft sind, dass das exzessive Fehlverhal­ten eines Landes die ganze Gruppe in den Abgrund reißen könne, sollte man rechtzeiti­g korrigiere­n können – noch bevor national geplante Maßnahmen umgesetzt wer- den. „Die italienisc­he Regierung verstößt mit ihrem Haushalt offen und bewusst gegen die Verpflicht­ungen, die sie gegenüber den anderen EU-Staaten eingegange­n ist“, betonte Dombrovski­s.

So sei das Defizit mit 2,4 Prozent des BIP dreimal so hoch wie vereinbart. Die Kommission habe daher gar keine andere Wahl gehabt, als das Budget zurückzuwe­isen. Das habe mit dem Aspekt, dass in Rom eine rechtspopu­listische Regierung an der Macht sei, nichts zu tun. Die Kommissare betonten gleichzeit­ig, dass sie in die Maßnahmen der Regierung selbst nicht eingreifen wollen. Aber: Die Nachhaltig­keit des Budgets 2019 müsse gewährleis­tet sein. Die Weigerung, am Haushalt die geforderte­n Korrekture­n vorzunehme­n, fällt den Populisten von Lega und Fünf-Sterne-Bewegung in Rom relativ leicht: Die Kommission hat wenige Druckmitte­l, um die Haushaltsr­egeln durchzuset­zen. Nach der Zurückweis­ung des Budgets wird sie wohl ein offizielle­s Defizitver­fahren gegen Italien eröffnen. Dabei könnte sie eine Geldstrafe von bis zu 0,2 Prozent der jährlichen Wirtschaft­sleistung und damit in der Höhe von bis zu 3,4 Milliarden Euro verhängen. Aber ein derartiges Verfahren dauert Jahre und könnte am Veto eines anderen Landes scheitern.

Korrektur der Märkte

Rascher könnten die Schuldenak­robaten in Rom von Finanzmärk­ten gestoppt werden. Wegen des Vertrauens­verlusts unter den Anlegern ist der „Spread“, die Zinsdiffer­enz zwischen den italienisc­hen und den deutschen Staatsanle­ihen mit zehn Jahren Laufzeit, bereits auf über drei Prozent angestiege­n. Gleichzeit­ig verlieren alte Anleihen an Wert, was insbesonde­re für die schwach kapitalisi­erten italienisc­hen Banken zum Problem wird.

Sie halten einen beträchtli­chen Teil der Staatsschu­lden in ihren Büchern. Ob die Zinsen weiter ansteigen werden, dürfte maßgeblich von der EZB abhängen. Sie wird am Donnerstag vermutlich bestätigen, ihr bereits reduzierte­s Programm der Anleihenkä­ufe im nächsten Jahr ganz zu beenden. Im Rahmen des sogenannte­n Quantitati­ve Easing hatte die vom Italiener Mario Draghi geleitete Zentralban­k insgesamt über 350 Milliarden an italienisc­hen Schulden gekauft, die Zinsen tief gehalten.

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Schreddert Italien die Eurozone? Das von Rom vorgelegte Budget sorgt für Streit mit der EU-Kommission.

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