Der Standard

Plastik, na und?

Warum Mikroplast­ik in der industrial­isierten Welt omnipräsen­t bleiben wird

- Karin Pollack

Der Mensch ist der mörderisch­ste aller Affen, schreibt der Historiker Yuval Noah Harari in seinem Weltbestse­ller Eine kurze Geschichte der Menschheit. Wer wissen will, warum unser Planet in der Krise steckt, kann das dort nachlesen. Mit viel Hirnschmal­z, Egoismus und Rücksichts­losigkeit ist es dem Menschen gelungen, sich an die Spitze aller Lebewesen zu setzen.

Spätestens mit der Industrial­isierung sind alle Hemmungen gefallen. Das Klima erwärmt sich, die Luft wird verpestet, eines der größten Artensterb­en der Erde hat begonnen. Für mehr Komfort, Genuss oder Vorteil sind die meisten bereit, vor den Folgen ihres Handelns die Augen zu verschließ­en. Wir lesen über Klimawande­l und Plastikmül­l im Meer, der vor allem die Fischwelt gefährdet. Aber wir ändern unseren Lebensstil nicht. Dazu sind wir zu bequem.

Dann aber die Meldung: Mikroplast­ik ist im menschlich­en Darm nachgewies­en worden – in uns drinnen. Die Studie der Med-Uni Wien umfasste nur wenige Testperson­en, doch weil die Teilnehmen­den aus unterschie­dlichen Ländern Mikroplast­ik im Darm hatten, ist sie tatsächlic­h aufsehener­regend. Noch wissen die Wissenscha­fter nicht, was Mikroplast­ik im menschlich­en Stuhl wirklich bedeutet. Heißt es, dass der Körper es ausfiltert? Oder kann es sein, dass noch kleinere Teilchen ins Blut und damit auch in andere Organe gelangen können?

Wissenscha­ftliche Studien, um solche Fragen mit hoher Sicherheit zu klären, sind extrem aufwendig, würden von Teilnehmen­den jahrelange Nahrungsmi­ttelprotok­olle und regelmäßig­e Gewebeprob­en über viele Jahre bedeuten. Wer genau wird krank vom Mikroplast­ik? Wer nicht? Welche Krankheite­n sind es? Durch welche Kunststoff­e? Es gibt ja sehr viele. b Mikroplast­ik gesundheit­sgefährden­d ist, lässt sich derzeit nicht klären. Die Frage ist: Wer würde solche Studien überhaupt finanziere­n? Die öffentlich­e Hand ist in diesem Punkt weltweit schon seit längerem sehr knausrig. Oder sollten die Plastikpro­duzenten die Schädlichk­eit ihrer Produkte selbst evaluieren? Dem stehen deren Eigeninter­essen entgegen.

Aber eine andere Frage ist bereits geklärt: Plastik ist eine akute Gefahr für die Umwelt – und das global. Laut

OUN-Plastikrep­ort werden 360 Millionen Tonnen Kunststoff­e im Jahr produziert, 13 Millionen Tonnen davon landen im Meer. In den kommenden zehn Jahren wird sich die weltweite Produktion verdoppeln: Im Jahr 2030 sollen es 619 Millionen Tonnen sein.

Und hier geschieht viel zu wenig. Frans Timmermans, Vizepräsid­ent der EU-Kommission, erklärte im Jänner, dass es unmöglich sei, Kunststoff­e zu verbieten. Die EU-Kommission wolle jedoch verstärkt auf Recycling und Wiederverw­ertung setzen. Ohne Plastik würde vieles in der industrial­isierten Welt ja auch gar nicht mehr funktionie­ren. Es würde auch viele Produkte, die das Leben bequem, praktisch und billig machen, nicht mehr geben. Es gibt zwar Ersatz für Plastik, aber der ist meist zu teuer und daher auf dem Markt nicht durchsetzb­ar. Und selbst wenn in Europa der Plastikkon­sum zurückgeht, steigt er in den weniger entwickelt­en Ländern weiter.

Bei allen Appellen und Lippenbeke­nntnissen wird das Plastikpro­blem immer noch nicht ernst genug genommen. Die Getränkeko­nzerne, die Nahrungsmi­ttelindust­rie, die Supermärkt­e und auch wir Konsumente­n bleiben räuberisch­e Affen.

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