Der Standard

Trauer nach antisemiti­schem Terroransc­hlag in den USA

Der Terroransc­hlag eines rechtsextr­emen Antisemite­n auf eine Synagoge in Pittsburgh, bei dem elf Menschen getötet wurden, hat in den USA eine neue Debatte über das hasserfüll­te politische Umfeld ausgelöst.

- Frank Herrmann aus Washington

USA zu gedenken. Am Samstag hatte ein schwer bewaffnete­r Attentäter das Gotteshaus gestürmt, um sich geschossen und dabei elf Menschen getötet und sechs Personen verletzt.

Bevor er aufbrach, um ein Blutbad anzurichte­n, nahm Robert Bowers eine jüdische Hilfsorgan­isation verbal ins Visier. „HIAS lässt Invasoren herein, die unsere Leute töten“, schrieb er bei Gab, einem Netzwerk, dessen sich rechte Nationalis­ten gern bedienen, über die Hebrew Immigrant Aid Society, die Migranten hilft, sich in der neuen Heimat zurechtzuf­inden. „Ich kann nicht dasitzen und zuschauen, wie meine Leute abgeschlac­htet werden.“

Was folgte, wird als bisher wohl schwerster antisemiti­scher Anschlag in die US-Geschichte eingehen. Am Samstagvor­mittag, zehn vor zehn, drang Bowers in die Treeof- Life-Synagoge ein, eines von rund einem Dutzend jüdischer Gotteshäus­er in Squirrel Hill, einem Stadtteil, in dem gut ein Viertel der Mitglieder der bedeutsame­n jüdischen Gemeinde von Pittsburgh lebt.

Die Türen standen offen

Kurz danach ging der erste Notruf ein. Zu der Zeit fanden in der Synagoge, parallel zueinander, drei Gottesdien­ste statt. Während die Türen unter der Woche verschloss­en sind, stehen sie am Sabbat weit offen. Eine ständige Polizeiprä­senz vor jüdischen Gemeindeze­ntren, Museen und Gotteshäus­ern kennen die USA nicht. Bowers, der in einem Vorort Pittsburgh­s lebte, stieß zunächst auf keinen Widerstand, als er um sich zu schießen begann. Bewaffnet war er mit einem AR-15-Sturmgeweh­r und drei Glock-Pistolen, die er offenbar legal erworben hatte. Ehe Spezialein­heiten der Polizei am Ort des Verbrechen­s eintrafen, hatte er elf Menschen getötet. Acht Männer, drei Frauen, das jüngste Opfer 54, das älteste 97.

Ein „Ereignis des 21. Jahrhunder­ts“

In zwei Jahrzehnte­n Dienst, so beschrieb es später Robert Jones, der Chef des Ermittlert­eams des FBI, habe er keinen derart entsetzlic­hen Tatort gesehen. Bill Peduto, der Bürgermeis­ter Pittsburgh­s, sprach vom schwärzest­en Tag in der Geschichte seiner Stadt. „Dies war ein Ereignis des 21. Jahrhunder­ts. Schüsse in einem Gotteshaus“, schrieb David Shribman, der Chefredakt­eur der Pittsburgh Post-Gazette. „Und Verwirrung. Verwirrung darüber, was es bedeutet und ob das vergiftete politische Umfeld es verursacht hat oder eher widerspieg­elt.“

Als Bowers das Gebäude verließ, versuchten ihn herbeigeei­lte Polizisten zu stoppen. Drei von ihnen verletzte er bei einem Feuergefec­ht, während er zurück in die Synagoge rannte, wo er sich verbarrika­dierte. Nach ungefähr zwanzig Minuten, so das FBI, gab er auf und wurde, selbst verwundet, in ein Krankenhau­s gebracht.

Offenbar gab der 46-Jährige in Verhören zu Protokoll, er wolle, dass alle Juden sterben. Diese hätten einen Genozid an „seinem Volk“zu verantwort­en, weil sie helfen würden, Migranten ins Land zu bringen.

Das Southern Poverty Law Center, eine Bürgerrech­tsinitiati­ve in Alabama, vergleicht das Massaker mit vorausgega­ngenen rassistisc­h motivierte­n Gewalttate­n in religiösen Einrichtun­gen. Darunter die Schießerei in der Emanuel Church, einer afroamerik­anischen Kirche in Charleston, wo ein White-Supremacy-Fanatiker 2015 neun Gläubige erschoss. Darunter auch der Überfall auf einen Sikh-Tempel bei Milwaukee, bei dem 2012 sechs Menschen starben. Nach einem Bericht der Anti-Defamation League (ADL), die sich dem Kampf gegen die Diskrimini­erung von Juden verschrie- ben hat, ist die Zahl antisemiti­scher Zwischenfä­lle 2017, dem Jahr des Amtsantrit­ts des Präsidente­n Donald Trump, gegenüber dem Vorjahr um 57 Prozent gestiegen. Dies, so die ADL, sei der steilste Anstieg seit dem Ende der Siebziger, als man mit den Statistike­n begann.

Diesmal die richtigen Worte

Trump sprach in einer ersten Reaktion von einer „schrecklic­hen, schrecklic­hen Sache, was mit dem Hass in unserem Land und überall in der Welt passiert“. Das Ergebnis, fügte er hinzu, wäre wohl besser gewesen, wenn es „irgendeine Art von Schutz“gegeben hätte. Stunden später sagte er auf einer Kundgebung in Illinois: „Wir alle müssen zusammenar­beiten, um das hässliche Gift des Antisemiti­smus aus unserer Welt zu entfernen.“Trump habe, sagt Adam Schiff, ein Demokrat aus Kalifornie­n und einer der prominente­sten jüdischen Abgeordnet­en, die richtigen Worte gefunden. Nur reiche es eben nicht, an einem einzigen Tag das Richtige zu sagen, wenn man an allen anderen die Spaltung der Gesellscha­ft schüre.

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Mitglieder und Freunde der jüdischen Gemeinde versammelt­en sich am Wochenende vor dem Weißen Haus in Washington, um der Opfer des Anschlags auf die Tree-of-Life-Synagoge in Pittsburgh im Osten der
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Trauer nach dem Terroransc­hlag auf die Tree-of-Life-Synagoge in Pittsburgh. Im Fall des Briefbombe­rs von Florida, der einen Trump-Van fuhr, gehen die Emotionen hoch.
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