Schwere Schlappe für Berliner Koalition auch in Hessen
Hohe Verluste für CDU und SPD Grüne und AfD können stark zulegen
Wiesbaden – Nur zwei Wochen nach den Wahlen in Bayern haben die bundesweit regierenden Koalitionsparteien erneut eine schwere Schlappe erlitten. Die CDU von Ministerpräsident Volker Bouffier und die SPD von Thorsten Schäfer-Gümbel verloren bei den Landtagswahlen in Hessen jeweils fast zehn Prozentpunkte und landeten laut Hochrechnungen von Sonntagabend bei rund 28 bzw. 20 Prozent.
Das Ergebnis ist besonders für die Sozialdemokraten ein harter Schlag, die ihr historisch schlechtestes Ergebnis in Hessen einfuhren. Die von Spitzenkandidat Tarek Al-Wazir angeführten Grünen, die bisher eine Koalition mit der CDU bildeten, legten abermals massiv zu.
Platz vier konnte die AfD für sich beanspruchen. Die Rechtspopulisten zogen mit rund zwölf Prozent erstmals in den Landtag von Wiesbaden ein – es war das letzte deutsche Landesparlament, in dem sie bisher noch nicht vertreten gewesen waren. Zuwächse erzielten auch die Linke und die FPD, die beide klar in das Abgeordnetenhaus wiedereinziehen.
Eine Fortsetzung von SchwarzGrün hatte laut Hochrechnung eine knappe Mehrheit. Denkbar wäre zudem eine Jamaika-Koalition aus CDU, Grünen und FDP. Auch eine schwarz-rote Landesregierung wäre theoretisch möglich.
Obwohl sich beide Großparteien bemüht hatten, die Wahl als lokales Ereignis zu bewerten, galt sie doch als wegweisend für die Bundespolitik. Auch von einem Schicksalstag für die Berliner Koalition war teils die Rede gewesen. Kritische Mitglieder beider Regierungsfraktionen hatten nach der enttäuschenden Bayern-Wahl das Festhalten an der großen Koalition auch vom Votum im 6,5 Millionen Einwohner starken südwestlichen Bundesland abhängig gemacht.
In der SPD gärt es ohnehin seit Wochen. Parteichefin Andrea Nahles, die bisher für eine Fortsetzung der Regierungskoalition plädiert hat, steht nach den schweren Verlusten besonders unter Druck. Sie führte die Verluste auf die Bundespolitik zurück. „Der Zustand der Regierung“sei „nicht akzeptabel“, sagte sie. Nahles forderte einen Fahrplan für die Regierung, von dessen Einhaltung sie abhängig machen werde, ob die SPD weiterregieren wolle. Und auch in der eigenen Partei wächst der Druck auf Kanzlerin Angela Merkel. Es wird erwartet, dass Rufe lauter werden, sie möge zumindest die Parteiführung in absehbarer Zeit abgeben. (red)
Berlin – Hessen war – aus Sicht der AfD-Spitze – der letzte Streich. Auch dort hat die Partei nun den Einzug in den Landtag geschafft. Somit sitzt sie jetzt, mehr als fünfeinhalb Jahre nach ihrer Gründung, in allen 16 deutschen Landesparlamenten.
Allerdings ist die „Alternative“in den einzelnen Landtagen unterschiedlich stark vertreten. Ihr bestes Ergebnis erzielte sie 2016 in Sachsen-Anhalt, dort kam sie auf 24,3 Prozent. Die Stärke der AfD führte dort zu einer Premiere: Erstmals erzielten CDU und SPD, auch aufgrund einer starken Linken, nicht mehr genug Stimmen für eine große Koalition. Sie mussten die Grünen mit ins Boot holen. Seither regiert in Magdeburg die „Kenia-Koalition“, benannt nach der rot-schwarz-grünen Flagge.
Ein Blick auf die politische Landkarte Deutschlands zeigt, dass die AfD im Osten des Landes stärker ist als im Westen. In MecklenburgVorpommern kam sie 2016 auf 20,8 Prozent. Überhaupt war das Jahr 2016 ein sehr erfolgreiches für die AfD. 2017, als die Anzahl der neu ankommenden Flüchtlinge stark zurückging, schlug sich das auch in bescheideneren Wahlergebnissen nieder. Im Bundestag gelang der Einzug im Herbst 2017 mit 12,4 Prozent.
Nun, da die AfD im Bundestag und in allen Landtagen vertreten ist, richtet sich ihr Blick nach vorn. In der Frage, ob man noch längere Zeit nur Opposition sein will oder mittelfristig auch (mit)regieren möchte, ist die Partei allerdings gespalten. Ein wichtiger Meilenstein wird die Landtagswahl in Sachsen im Herbst 2019.
Stärkste bei Bundestagswahl
Dort war die AfD schon bei der Bundestagswahl im Vorjahr mit 27 Prozent der Stimmen die stärkste Kraft, bei der Landtagswahl 2019 will sie es ebenfalls werden. Doch selbst wenn sie das schafft, wird sie einen Koalitionspartner brauchen.
Und eigentlich will keiner mit ihr koalieren: nicht die SPD, nicht die Linke, nicht die Grünen, nicht die FDP. Bei der CDU aber konnte man sich nicht so sicher sein.
Grundsätzlich gilt das Wort von Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel, die eine Zusammenarbeit „kategorisch“ausschließt. Doch der neue sächsische CDUFraktionschef Christian Hartmann wollte dies nicht tun. Ende September erklärte er auf entsprechende Fragen, es werde von ihm kein Nein zu einer CDU-AfD-Zusammenarbeit geben.
Die Aufregung war groß, und wenige Tage später korrigierte sich Hartmann – wie es in der Partei heißt, auf Druck aus Berlin: „Ich habe weder ein Interesse noch das Ziel, mit der AfD zusammenzuarbeiten.“(bau)