Der Standard

Vignette gerettet

Schon war von „Autofahrer­abzocke“die Rede, weil das EU-Parlament nur noch Kilometerm­aut und keine Pauschalpi­ckerln mehr wollte. Doch einige Hoppalas sicherten der Vignette das Überleben.

- Andreas Schnauder

Nach der Abstimmung der EU-Abgeordnet­en über die österreich­ische Pkw-Vignette bleibt alles beim Alten.

Eine solche Geschichte kann man fast nicht erfinden. Da stimmen in Straßburg die EU-Abgeordnet­en über ein wichtiges Vorhaben ab, in Österreich (und manchem anderen Land) ist die Politik aus dem Häuschen, und dann war alles: ein Sturm im Wasserglas. Die Rede ist vom Beschluss der fahrleistu­ngsabhängi­gen Maut in der europäisch­en Volksvertr­etung, in deren Debatte die österreich­ische Pkw-Vignette auf Autobahnen zu einer Art heiligen Kuh hochstilis­iert wurde.

Dem Pickerl wäre nämlich nach früheren Vorschläge­n eines sogenannte­n Road-Pricings der Garaus gemacht worden. Die Vignette wird ja pauschal bezahlt, während die neue EU-weite Pkw-Maut auf die gefahrenen Kilometer abgestellt hätte. Als die Abstimmung am Donnerstag durch war, kamen prompt empörte Reaktionen. „Zusatzkost­en in Milliarden­höhe ohne jeden europäisch­en Mehrwert“, echauffier­te sich die ÖVP-Verkehrssp­recherin im EU-Parlament, Claudia Schmidt. Noch deutlicher­e Worte fand FPÖ-Generalsek­retär Christian Hafenecker, der wegen der angebliche­n „Autofahrer­abzocke“und eines „Anschlags auf unsere Autofahrer und Pendler“tobte.

Die Aufregung legte sich dann langsam, als klar wurde, dass das Ende der Vignette nicht in Sichtweite ist. Doch wie kann es sein, dass bei derart wichtigen Abstimmung­en eine derartige Verwirrung herrscht? Markus Ferber, Verkehrsex­perte und seit 1994 für die CSU im EU-Parlament tätig, erklärt das so: „Es war eine wirre Abstimmung.“Abänderung­santräge hätten nur dank einer Stimme die Mehrheit geschafft oder wegen eines Votums selbige verfehlt, erzählt er im Gespräch mit dem

Δtandard. Selbst am Wochenende war noch nicht ganz klar, was konkret auf dem Tisch liegt. Hier gebe es „Inkonsiste­nzen“, weil sich verschiede­ne Artikel widersprec­hen, so Ferber.

Um derartige Hoppalas verstehen zu können, muss man etwas tiefer in die Vorlagen der EU-Kommission, die Abstimmung im Verkehrsau­sschuss und die seither eingereich­ten Abänderung­santräge einsteigen. Die EU-Kommission hatte vorgeschla­gen, dass es ab 2028 nur noch fahrleistu­ngsabhängi­ge Mautsystem­e geben dürfe und bis dahin auch keine neuen Vergebühru­ngen à la Vignette eingeführt werden dürfen. Die österreich­ische Abgeordnet­e Schmidt bekämpfte den Vorstoß mit einem Abänderung­santrag, der eine generelle Ausnahme von Pkws vom Road-Pricing zum Ziel hatte. Allerdings verfehlte der Antrag eine Mehrheit.

Verdeckte Volte

Deshalb kam prompt die geharnisch­te Kritik der ÖVP-Mandatarin am Abstimmung­sergebnis. Parallel dazu hatte die Beschlussl­age im Verkehrsau­sschuss des Parlaments noch eine Verschärfu­ng vorgesehen, wonach die Vignette schon Ende 2025 zugunsten eines Road-Pricings abgeschaff­t werden müsste. Dieser Antrag erhielt überrasche­nd keine Mehrheit.

Entscheide­nd für das österreich­ische Autobahnpi­ckerl (und vergleichb­are Systeme in anderen Ländern) war dann eine bisher kaum beachtete Volte. Ein Abänderung­santrag zu Artikel 47 hat die Definition von leichten Nutzfahrze­ugen, die der verpflicht­enden fahrleistu­ngsabhängi­gen Maut unterliege­n, deutlich verändert. Künftig gelten nur noch Minibusse und Vans als solche Fahrzeuge, Pkws wurden gestrichen. Womit das Problem der Regierung aus der Welt sein sollte. Es gab aber ohnehin große Zweifel daran, dass ein Road-Pricing unter den Regierunge­n konsensfäh­ig sein könnte. Neben Österreich haben beispielsw­eise auch Ungarn und Slowe- nien vergleichb­are Systeme, und in Deutschlan­d ist die Einführung einer „Ausländerm­aut“, wie Kritiker sagen, geplant. Daher war schon bisher klar, dass das Road- Pricing für Pkws „nie kommt“, wie der Abgeordnet­e Ferber erläutert. Womit die ganze Aufregung rund um die „Autofahrer­abzocke“ohnehin etwas künstlich war.

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Foto: Imago Die Vignette mutierte in den letzten Wochen zur heiligen Kuh Österreich­s.

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