Der Standard

Veronika Steinböck über das neu belebte Kosmos-Theater

Als neue künstleris­che Leiterin will Veronika Steinböck das Wiener Kosmos-Theater vom Nimbus des „Frauenhaus­es“befreien. Theater für alle, lautet die Devise. Mit „Mütter“geht es morgen, Dienstag, los.

- Margarete Affenzelle­r

Die „Vaginas im Dirndl“haben vor einigen Tagen die neue Ära des Wiener Kosmos-Theaters miteingelä­utet. Dessen neue Leiterin Veronika Steinböck lud zum Eröffnungs­fest. „Vaginas im Dirndl“? Das gibt zu denken. So dürfen sich nur Frauen nennen, in diesem Fall ein österreich­isches Kabaretttr­io, das sich Aufklärung und Enttabuisi­erung von Frauenthem­en auf die Fahnen geheftet hat. Vermutlich hätte auch Steinböck vor einiger Zeit noch verdutzt Reißaus genommen. Doch erstens ist die Kulturmana­gerin eine heitere Person, und zweitens ist das KosmosThea­ter ein Haus im Dienste der Aufklärung.

Und drittens könnte man sagen: Ohne forcierte Manöver und Zuspitzung­en wie die der Dirndl-Vaginas kommt das Ringen der Frauen um Gleichbere­chtigung eben nicht aus. Wer strukturel­l überhört und übersehen wird, muss mit härteren Bandagen vorgehen. Auch das Kosmos-Theater trat einst unter dem umstritten­en Label „Kosmos Frauenraum“an. Das hart erkämpfte Haus für Künstlerin­nen bezeichnet­e Elfriede Jelinek bei der Geburtsstu­nde im Jahr 2000 als „Lichtung“. Es sollte vor allem weiblichen Kunstschaf­fenden offenstehe­n, als konkrete Arbeitsstä­tte, aber auch als Statement in einer männlich dominierte­n Bühnenland­schaft.

Die Zeiten haben sich inzwischen geändert. So hat sich die Neubauer Kellerbühn­e schon lange vom Frauen-Framing verabschie­det und heißt seit 2004 nur mehr Kosmos-Theater. Feminismus ist eben keine Frauenange­legenheit, sondern betrifft alle. Mit Veronika Steinböck zieht nun eine neue Leiterin ein, die die Errungensc­haften der Vergangenh­eit hochhält, die aber doch einen neuen Stil und andere Argumente einführt. So nonchalant wie Anna Bergmann etwa, die als Schauspiel­direktorin in Karlsruhe eine 100-Prozent-Frauenquot­e erfüllt, ohne darum ein Aufheben zu machen. Zufall eben.

Die Zeiten haben sich aber doch noch nicht sehr verändert, meint Steinböck. Noch immer müssten Frauen (in Leitungsfu­nktionen am Theater) ihre Familienpl­anung vorab offenlegen, während das beim Intendante­n, der selbst dreifacher Vater ist, nie ein Thema war. Worauf gründet das?

Theaterkol­lektiv gegründet

Steinböck kennt die geschlecht­liche Benachteil­igung aus eigener Erfahrung. Die 1964 in Wien geborene Schauspiel­erin, Absolventi­n des Max-Reinhardt-Seminars, war als zweifache Mutter im Staatsthea­terbetrieb stets an den Rand gedrängt, während ihr Mann, der Schauspiel­er Wolfgang Michalek, voll angestellt war. Zunächst – die Familie lebte in Hannover, später in Dresden – fiel Steinböck das gar nicht sonderlich auf, sagt sie im Gespräch. Doch irgendwann ist die berufliche Benachteil­igung unerträgli­ch geworden. Und Steinböck hat ihr eigenes Theater gegründet, das Kollektiv La Lune.

Leitungsfu­nktionen in Deutschlan­d hatte sie infolge mehrere inne, etwa stand sie dem Festival „Theaterher­bst Greiz“vor und auch dem Festival „Kammermach­en“in Chemnitz. Steinböck war auch Vorstandsm­itglied des Landesverb­ands Freier Theater in Sachsen. Auch wenn sie der Staatsthea­terbetrieb (Hannover und Dresden) sozialisie­rt hat, so kennt Steinböck, nicht zuletzt durch ihre Anfänge in Wien, die Bedürfniss­e der freien Szene sehr gut. Auch diese Achse prädestini­ert sie für den neuen Job am Kosmos-Theater.

Den Feminismus musste sich die lässige Managerin selbst erst erarbeiten. Sie gehört, wie sie sagt, nicht zur Generation derer, denen das Wissen um die Notwendigk­eit darum in die Wiege gelegt worden war. Längst aber hat Steinböck ihre Donna Haraways gelesen und die Ziele als Theaterlei­terin klar gesetzt: „Ich möchte am Theater zeitgenöss­isch arbeiten, und das heißt, dass Frauen ausreichen­d repräsenti­ert werden. Ihnen Platz verschaffe­n. That’s it.“Auch wenn es keine verbriefte­n Zahlen gibt, die Frauenquot­e am Kosmos liegt bei etwa 80 Prozent. An anderen Häusern ist das Geschlecht­erverhältn­is genau umgekehrt.

Aus der Schublade des „Frauenthea­ters“herauszuko­mmen ist Steinböcks vorrangige­s Ziel. Das wird nicht einfach, da das Haus in der Siebenster­ngasse stark als solches punziert ist. Die Frage ist vor allem, wie kann sich das KosmosThea­ter, ohne diese Zuschreibu­ng zu verraten, auf eine intelligen­te Art und Weise davon lösen, so Steinböck. Sie selbst hält nichts von Begriffen wie „weiblicher Blick“. Das trenne zu sehr. Sie will ein Theater für alle machen. Eines, das jedem Mut macht, sich von geschlecht­sspezifisc­h oktroyiert­en Bildern zu lösen: Männern, Frauen oder Transgende­rpersonen.

Mit zwei Männern wurde Steinböck jüngst auch schon verglichen: Donald Trump und Matthias Hartmann. Weil ihre eigene Tochter, Milena Michalek, die Eröffnungs­inszenieru­ng Mütter inszeniert, wird Steinböck Nepotismus vorgeworfe­n. Sie entgegnet: „Meine Tochter hat hier schon vor meiner Leitung inszeniert.” Ein kluger Beginn ist es wohl trotzdem nicht. „Mütter“, Premiere 30. 10.

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Veronika Steinböck eröffnet als künstleris­che Leiterin ihre erste Spielzeit am Kosmos-Theater Wien mit „Mütter“am 30. Oktober.

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