Der Standard

Die vielen Gesichter des Antisemiti­smus

Judenhass gedeiht in den USA auf den unterschie­dlichsten Böden

- Michael Vosatka

Washington/Wien – Donald Trump fand klare Worte nach dem Massaker von Pittsburgh: „Das abscheulic­he, hasserfüll­te Gift des Antisemiti­smus muss verurteilt und bekämpft werden, immer und überall, wo es auftaucht“, sagte der US-Präsident Samstagabe­nd vor Mitglieder­n einer Jugendorga­nisation. Die Aussage Trumps dürften sowohl seine Anhänger als auch seine Gegner unterschre­iben können – es sei denn, es handelt sich um Antisemite­n.

Von diesen gibt es in den USA nicht wenige: Bis zu 15 Prozent vertreten antisemiti­sche Ansichten, die Zahl der Übergriffe steigt. Der Antisemiti­smus gedeiht auf sehr unterschie­dlichen Böden. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Antisemiti­smus mit religiös verbrämten Verschwöru­ngstheorie­n bei den Evangelika­len verbreitet. Der Judenhass nährte sich darüber hinaus in der McCarthy-Ära aus dem Kampf gegen den „jüdischen Bolschewis­mus“. Das Ende der Sowjetunio­n änderte nur die Bezugspunk­te, aber nicht den Antisemiti­smus selbst.

In den Fokus rückten nun die „Hochfinanz“und der angebliche Einfluss der Juden auf internatio­nale Organisati­onen. Beim Pittsburgh-Attentäter handelt es sich um einen Vertreter dieser klassische­n Antisemi- tismusform – weswegen er sich auch in Gegnerscha­ft zu Trump sah. Ihn nannte er einen „Globaliste­n“– ein typisches Schlagwort. Der Urheber der gegen Demokraten, CNN und George Soros gerichtete­n Briefbombe­nserie wiederum dürfte seinen Judenhass aus Ideen der „White Supremacy“schöpfen. Mit Trump hat er im Gegensatz zum Pittsburgh-Attentäter kein Problem.

„Antitermit­ismus“

Antisemiti­smus ist jedoch nicht nur bei rechtsextr­emen Anhängern der „weißen Vorherrsch­aft“zu finden. Am anderen Ende des Spektrums steht die extremisti­sche „Nation of Islam“mit ihrem Anführer Louis Farrakhan. Dieser ist für seine antisemiti­schen Tiraden berüchtigt. Erst kürzlich erklärte er, er sei nicht antisemiti­sch, sondern „antitermit­isch“. Twitter sieht darin aber keinen Grund, ihn zu sperren. Der Hasspredig­er ist auch mit der Bewegung Black Lives Matter und mit Organisato­rinnen des „Frauenmars­chs“gegen Trump vernetzt. Zu den Demokraten pflegt Farrakhan beste Beziehunge­n, etwa mit der Abgeordnet­en Maxine Waters – just sie war nun Ziel einer Briefbombe. Doch so wie für die Republikan­er die Stimmen der Rechten wichtig sind, können die Demokraten nicht auf ihre schwarze Wählerbasi­s verzichten.

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