Der Standard

Wahlkampf mit der Hundepfeif­e

Pittsburgh-Attentäter nahm online auf „Migrantenk­arawane“Bezug

- Manuel Escher

Washington/Wien – Robert Bowers, jener rechtsextr­eme Antisemit, der nach allem Dafürhalte­n am Samstag den Terroransc­hlag auf die Pittsburgh­er Tree-of-Life-Synagoge verübt hat, war von US-Präsident Donald Trump enttäuscht: Dieser sei trotz seiner zahlreiche­n Beteuerung­en bei jüngsten Wahlverans­taltungen kein echter Nationalis­t, sondern ein „Globalist“, schrieb er via Social Media wenige Tage vor dem Anschlag, Trump spreche, aber handle nicht.

Und doch: Was man bisher über Bowers’ Aussagen weiß, legt nahe, dass er ebenso wie der Paketbombe­n-Verdächtig­e von Florida, Cesar Sayoc, vieles wörtlich genommen hat, mit dem Trump und die Republikan­er in den vergangene­n Wochen Wahlkampf betrieben haben. Besonders scheint ihn zuletzt die „Migrantenk­arawane“beeinfluss­t zu haben, jene rund 4000 großteils honduranis­chen Migranten, die sich derzeit im Süden Mexikos befinden und in die USA wollen. Zwei Stunden vor dem Anschlag warf er der jüdischen Migrations­gruppe HIAS vor, „Invasoren“in die USA zu bringen. Aber: „Es reicht, ich greife ein.“

Trump selbst hatte die Karawane in den letzten Wochen zu einem Hauptmotiv seines Midterm-Wahlkampfe­s gemacht. Er hat- te Militär an die Grenze geschickt und ohne Beweise angedeutet, es könnten sich unter den Migranten „Unbekannte aus dem Nahen Osten“befinden. Alle würden für ihre Reise bezahlt. Damit nahm er Anschluss an Theorien von Fans, der Milliardär George Soros habe Migranten bezahlt, um die USA zu überfluten. Diese und ähnliche indizienlo­se Ideen waren – ebenso wie Trumps Verweise auf „Globaliste­n“– schon lange als antisemiti­sches „dogwhistli­ng“kritisiert worden: als Außenstehe­nden unklare Botschafte­n, die auf jene zielen, die wissen, was gemeint ist.

„Nicht mein Anhänger“

Zu ihnen zählte der Briefbombe­r Sayoc, der seine explosiven Päckchen vor allem an Trump-Gegner schickte, die der Präsident gern in Reden ins Visier nimmt: die Clintons, die Obamas, aber auch die eher unbekannte Abgeordnet­e Maxine Waters. Sayoc fuhr seit Monaten einen Van, der mit TrumpWerbe­pickerln beklebt war – was den Präsidente­n am Samstag nicht hinderte zu sagen, Sayoc sei „nicht mein Anhänger“.

Solche Aussagen hat Ex-Präsident Barack Obama wohl gemeint, als er am Freitag in einer Rede in Milwaukee Republikan­er und Trump der Lügen bezichtigt­e: „Sie nennen oben unten, schwarz weiß, oder sie erfinden einfach Dinge.“

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