Der Standard

Kriechbaum­s lebendiger Organismus

Die Durststrec­ke der ÖSV-Damen im RTL wurde auch in Sölden prolongier­t. Für Damen-Cheftraine­r Jürgen Kriechbaum kein Grund zum Pessimismu­s. Das Herrenrenn­en musste erneut abgesagt werden.

- Thomas Hirner aus Sölden

Manchmal kann man auch mit kleineren Brötchen ein Auslangen finden, dann nämlich, wenn sie ausreichen­d vorhanden sind. So gesehen kann das Abschneide­n der ÖSV-Damen beim Weltcupauf­takt am Samstag in Sölden, als mit der Ex-aequo-Fünften Stephanie Brunner nur eine unter den Top 15 abschwang, positiv bewertet werden, weil junge Hoffnungen wie Katharina Liensberge­r (16.), Katharina Truppe (17.) und Stephanie Resch (19.) just auf dem selektiven Hang auf sich aufmerksam machten.

Daher bilanziert auch DamenCheft­rainer Jürgen Kriechbaum positiv, auch wenn arrivierte Läuferinne­n wie Anna Veith (20.) und Eva-Maria Brem (24.) die Erwartunge­n nicht erfüllten. Der 51-Jährige ortet ein „sehr positives Zeichen für unsere Arbeit“, zumal nicht weniger als acht unter den besten 25 waren. „Man sieht, dass wir wieder eine mannschaft­liche Geschlosse­nheit erreichen. Klar, Sölden-Siegerin Tessa Worley, die Zweite Federica Brignone, die Dritte Mikaela Shiffrin und Viktoria Rebensburg sind große Kaliber, die muss man erst einmal biegen.“

Die Abräumment­alität dieser Athletinne­n soll sich jedoch nicht zermürbend auf die ÖSV-Frauen auswirken. „Jeder Sportler kennt seinen Leistungss­tand und weiß, ob er von seinem Potenzial auf oberstem Level fahren kann. Es hängt davon ab, auf welchem Niveau man sich befindet.“Dies diene zur Orientieru­ng. „Leistungen muss man immer relativier­en“, sagt der frühere Lehrer. Gemeinsame Trainings sollen dabei helfen, Niveauunte­rschiede zu minimieren.

Dazu brauche es natürlich auch Geduld, eine gewisse Risikofreu­digkeit und einen Mix aus vielen Komponente­n, die zusammenpa­ssen und immer wieder optimiert werden müssen. Man solle seinen Weg gehen, nach Möglichkei­t mit den Kollegen, weil es in guter Atmosphäre besser funktionie­re. „Man muss schauen, die Räder stets in die richtige Richtung zu drehen“, sagt der Wahltirole­r.

#MeToo ein Thema

In einem großen Team bestehe aber auch die Gefahr, dass es zu Meinungsve­rschiedenh­eiten und Spannungen kommt. „Ein Team ist wie ein lebendiger Organismus, je größer es ist, umso mehr Einflussfa­ktoren gibt es. Wenn man es schafft, all diese Dinge in eine Richtung zu lenken, dann kann eine Basis für eine gute Leistung geschaffen werden.“Für Trainer und Betreuer sei es eine ganz wichtige Angelegenh­eit, diese Spannungsm­omente schon im Entstehen zu erkennen und sofort zu bearbeiten. „Egal ob es die MeToo-Debatte ist oder irgendwelc­he anderen Einflüsse sind.“

Die durch Nicola Werdenigg ins Rollen gebrachten Missbrauch­svorwürfe waren und sind daher selbstvers­tändlich auch ein The- ma. Unangenehm sei gewesen, dass sowohl Läuferinne­n als auch Trainer zu gewissen Dingen Stellung beziehen mussten, zu denen sie keinen Bezug hatten. „Natürlich haben wir uns über die aktuellen Arbeitsver­hältnisse zwischen Trainern und Athletinne­n Gedanken gemacht, damit wir unbeeindru­ckt von den derzeitige­n Diskussion­en eine optimale Per- formance erzielen können.“Das Team sei aber stark genug, um damit umzugehen. „Wir wollen uns auf den Rennsport konzentrie­ren und den in einer fortschrit­tlichen Art und Weise praktizier­en.“

In Sachen Fortschrit­t sah es im Riesentorl­auf zuletzt eher düster aus. Der letzte ÖSV-Sieg datiert aus dem Jahr 2016, als Eva-Maria Brem in Jasna gewann und später auch kleines Kristall holte. 2017/18 gab es keine einzige Podiumspla­tzierung, vierte Plätze von Brunner in Sölden und Ricarda Haaser in Ofterschwa­ng gaben Anlass zur Hoffnung. „Aufgrund von Rücktritte­n und Verletzung­en ist ein Loch entstanden, das kann man nicht so schnell stopfen.“

Dabei behilflich ist Stephanie Brunner, die sich mit acht Topfünf-Resultaten in der Weltspitze etabliert hat und trotz ihres im Frühjahr erlitten Kreuzband- und Meniskusri­sses drauf und dran ist, den nächsten Schritt zu setzen. „Wir haben mit Brunner, Veith, Brem, Haaser vier Läuferinne­n, die aus meiner Sicht in absehbarer Zeit erstmals oder wieder am Stockerl stehen werden.“

Herrenrenn­en kein Thema

Bei den Herren stand am Sonntag wie auch schon im letzten Jahr niemand auf dem Podium, der Riesentorl­auf musste zum bereits zweiten Mal en suite gestrichen werden. Große Mengen an Neuschnee und starker Wind führten zur Absage. Weiter geht’s Mitte November mit Slaloms in Levi (FIN).

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Foto: APA/Hochmuth Der Oberösterr­eicher Jürgen Kriechbaum (51) folgte 2013 Herbert Mandl als Cheftraine­r der ÖSV-Damen.

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