Der Standard

Abschied von Angela

Nach Hessen muss Merkel ihren Rückzug einleiten und Nahles standhaft bleiben

- Birgit Baumann

Hessen ist Hessen. So versuchte sowohl die CDU als auch die SPD schon vor dem Sonntag die Bedeutung der Wahl auf das Land zu begrenzen und zu einem Ereignis schönzured­en, das eigentlich recht wenig mit der Bundespoli­tik zu tun hat. Es war schon vor der Wahl nicht glaubwürdi­g, nach dem schlechten Abschneide­n funktionie­rt es erst recht nicht mehr. In Hessen setzt sich der Bayern-Trend von vor zwei Wochen fort, und der ist für alle drei Parteien, die an der Berliner Koalition beteiligt sind, absolut unerfreuli­ch.

Die CDU verliert. Die CSU verliert. Und die SPD verliert auch. Wir reden hier nicht über ein paar Pünktchen, sondern über ein massives Abrutschen zugunsten der Grünen und der AfD.

Dass das hessische Ergebnis natürlich auch ein Berliner Ergebnis ist, zeigt sich mit Blick auf die in Wiesbaden bisher regierende Koalition. Ministerpr­äsident Volker Bouffier und seine CDU wurden abgewatsch­t, der kleine grüne Koalitions­partner hingegen schwelgt in neuen Höhen.

Die Wählerinne­n und Wähler differenzi­erten also sehr wohl innerhalb der Koalition. Und dort ist die Einschätzu­ng vieler eben so: Die Grünen sind top, die CDU ist Flop. Nach einigen Jahren in Opposition können meist auch Opposition­sparteien bei der Wahl profitiere­n. Der SPD, die ohnehin noch mit dem Bayern-Trauma (nur noch 9,7 Prozent) zu kämpfen hat, ist in Hessen nicht einmal das gelungen. u betrachten sind also drei sehr begossene Pudel – CDU, CSU und SPD. Man wird jetzt wieder viel darüber hören, dass das Ergebnis natürlich gründlich zu analysiere­n sei. Die Zeit muss man den Verlierern geben, aber einige Handlungsa­nleitungen zeichnen sich jetzt schon ab.

Bei der CSU, die in Bayern vor 14 Tagen eine Schlappe erlitt, setzt sich die Erkenntnis, dass ihr Chef Horst Seehofer in Rente geschickt werden muss, ohnehin schon durch. Zu ähnlichen Einsichten dürfte man nun in der CDU gelangen: Es gilt jetzt den Abschied von Angela Merkel einzuleite­n.

Sie ist seit 18 Jahren Parteivors­itzende und seit 13 Jahren Kanzlerin. Hessen zeigt wie viele Landtagswa­hlen zuvor: Mit ihr an der Spitze gewinnt man keine Wahlen mehr. Das bedeutet nicht, dass Merkel als Kanzlerin sofort gehen muss. Aber sie muss den Übergang jetzt organisier­en.

ZAnfang Dezember findet in Hamburg der CDU-Parteitag statt. Da muss klar sein, mit wem an der Spitze sich die CDU für die nächsten Jahre aufstellt. Merkel kann es nicht mehr sein, sie sollte für eine neue Generation Platz machen. Das oft gebrauchte Argument, dass es nicht wirklich einen Nachfolger / eine Nachfolger­in gebe, ist absurd und sagt viel über den innerparte­ilichen Zustand aus.

Man kann Parteivors­itz ohnehin erst lernen, wenn man dran ist. Merkel selbst galt vielen nach der langen Ära von Helmut Kohl als Notlösung, weil Wolfgang Schäuble über die Spen- denaffäre gestolpert war und nicht Vorsitzend­er bleiben konnte.

Verloren hat auch die SPD, aber der kann man diese Vorgehensw­eise nicht empfehlen. Andrea Nahles ist die elfte Person an der Spitze seit 2000, seit also Merkel die CDU führt. Vermutlich wird sie nach dieser Wahl alles hinschmeiß­en wollen. Das ist verständli­ch, bringt aber nicht die Lösung des SPD-Dilemmas.

Denn bei den Sozialdemo­kraten kann der ständige Austausch von Köpfen nicht die inhaltlich­e Schwäche kaschieren. Sie müssen endlich klären, wofür sie inhaltlich stehen.

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