Der Standard

Rendi-Wagners Maßstäbe

- Conrad Seidl

Pamela Rendi-Wagner ist nicht zu beneiden: Sehr gerne würde sie ja über Politik sprechen, über konstrukti­ve Opposition­spolitik – und wie das gegenüber einer Regierung gehen kann, die die Sozialpart­nerschaft gezielt zurückdrän­gt und den Kompromiss mit anderen Parteien gerne als Packelei denunziert.

Aber so weit kommt es in den meisten ihrer ohnehin raren Interviews nicht. Da wird sie nämlich gefragt, was sie von Christian Kern unterschei­de und was sie von seiner Politik mitnehmen, was vielleicht streichen wolle. Es mag von den Interviewe­rn nicht besonders fair sein, auf diesem überschaub­aren Themenkomp­lex, bei dem die SPÖ-Chefin nichts zu gewinnen hat, herumzurei­ten – aber übertriebe­ne Fairness ist auch nicht die Aufgabe des Interviewe­rs.

Umgekehrt wäre es für Rendi-Wagner an der Zeit, die Vorgänge der jüngsten Vergangenh­eit ruhen zu lassen und selber Maßstäbe zu setzen. Niemand zwingt sie, sich mit Kern zu vergleiche­n oder sich mit ihm vergleiche­n zu lassen: Die Sozialdemo­kratie ist ja reich an historisch­en Persönlich­keiten, die eine Parteivors­itzende als Vorbild zitieren könnte – seit ihrer Designieru­ng vor mehr als einem Monat hätte sie ja Zeit gehabt, sich solche Persönlich­keiten zu suchen und Bilder zu entwickeln, in welche Zukunft sie die Partei und – so die Wahlberech­tigten wollen – das Land führen will. Aber vielleicht spart sie sich das ja bis zum Parteitag im November auf.

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