Der Standard

Opas selektive Geschichte

- Colette M. Schmidt

Was der Großvater des Welser Bürgermeis­ters im Krieg gemacht hat, interessie­rte bis vor kurzem niemanden. Es war der 1972 geborene Enkel Andreas Rabl, der die Biografie seines 1964 verstorben­en Großvaters Max Rabl zum Thema machte. Im Vorwort zu einem Buch über die NS-Zeit schrieb der FPÖ-Stadtchef, dass sein Großvater „wegen kritischer Äußerungen zum NS-Regime gleich mehrmals verhaftet“wurde. Schon im nächsten Satz geht es dann um Verfolgte, die ins KZ deportiert wurden.

Wer das liest und nicht weiß, dass Max Rabl schon 1921 der NSDAP beitrat, dafür nach 1938 mit einem leitenden Verlagspos­ten belohnt wurde und zu Kriegsende Offizier war, könnte denken, Großvater Max war im Widerstand – oder zumindest NS-Gegner. Warum der Mann, der nach dem Krieg Bundesrat für den VdU wurde, tatsächlic­h vorübergeh­end inhaftiert war, ist derzeit nicht zweifelsfr­ei zu klären. Eine NS-Zeitung schrieb 1939 über „finanziell­e Unregelmäß­igkeiten“, der Enkel beruft sich auf Familienqu­ellen, wonach es politische Gründe gewesen seien. Beide Quellen sind – aus ganz verschiede­nen Gründen – wenig objektiv.

Dass sich Rabl nun über Rücktritts­aufforderu­ngen des Mauthausen-Komitees, das tatsächlic­he NS-Opfer vertritt, empört, ist peinlich. Er hätte einen Historiker beauftrage­n sollen, bevor er mit der Geschichte des Opas hausieren ging. Mit der selektiven Erwähnung lieferte er sich selbst dem Vorwurf der geschönten Familienge­schichte aus.

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