Der Standard

Immer mehr Erbschafte­n für gemeinnütz­ige Vereine

Im Vorjahr bereits 63 Millionen Euro aus Testaments­spenden

- Gabriele Scherndl und Laura Schwärzler

Wien – Österreich ist ein Land mit hoher Spendenbet­eiligung: 62 Prozent der Österreich­er stellen Geld einem gutem Zweck zur Verfügung. Das geht aus dem Spendenber­icht 2017 des Fundraisin­g-Verbands Austria hervor. Aktuell sind zehn Prozent des Spendenauf­kommens von 630 Millionen Euro Testaments­spenden.

Wer sein Erbe spendet, ist höchstwahr­scheinlich weiblich, religiös und alleinsteh­end. Auch Kinderlosi­gkeit erhöht die Bereitscha­ft. Weitere Beweggründ­e sind der „gute Wille“oder dass das Vermögen nicht an den Staat gehen soll. Denn wenn eine Person keine Erben hat oder das Erbe nicht angetreten werden kann, erhält der Staat das Geld, und das sind jährlich mehrere Millionen Euro. Pro Jahr werden 900 Nachlässe als erblos gemeldet.

Oft werden in gemeinnütz­igen Testamente­n mehrere Organisati­onen bedacht und die Auswahl nach Interessen getroffen: Gebildete spenden an Bildungsin­stitutione­n, Tierfreund­e an Tierschütz­er. Das zeigt eine Studie von Fundraisin­g-Verband gemeinsam mit der Notariatsk­ammer, die am Dienstag präsentier­t wurde.

Doch nicht immer kommen solche Spenden auch dort an, wo sie hinsollen. Wenn etwa der gewünschte Empfänger nicht kor- rekt im Testament genannt und die Identifika­tion erschwert wird.

Auch gab es in der Vergangenh­eit immer wieder Vorwürfe, dass Spender zu gemeinnütz­igen Testamente­n überredet worden seien. Deswegen wird empfohlen, einen Notar zu kontaktier­en und keine vorgelegte­n Unterlagen eines Vereins zu unterschre­iben.

Erst kürzlich gab es beim Österreich­ischen Tierschutz­verein (ÖTV) eine Razzia, wo ein Funktionär Geld veruntreut haben soll. Derzeit wird ermittelt. Der ÖTV kann das Spendengüt­esiegel nicht vorweisen. Dieses wurde eingericht­et, um Missbrauch vorzubeuge­n. (red)

Ein anonymer Anzeiger gab den Anstoß für die Razzia: Er berichtete der Staatsanwa­ltschaft Salzburg von Vorwürfen gegen einen Funktionär des Österreich­ischen Tierschutz­vereins (ÖTV). Sie wiegen schwer: Er soll Spenden und Erbschafte­n an den Verein in Höhe von über 300.000 Euro entnommen haben, von der persönlich­en Nutzung von Räumlichke­iten und Autos „aus dem oberen Preissegme­nt“ist die Rede. Büros in Wien und Salzburg wurden durchsucht.

Es ist der aktuellste Beleg für ein Dilemma: Woher weiß man, was tatsächlic­h mit dem Geld passiert, mit dem man Gutes tun will? 630 Millionen Euro spendeten die Österreich­er letztes Jahr, ein Viertel davon für Tiere. Rund zehn Prozent der Spendengel­der sind Testaments­spenden, veröffentl­ichte am Dienstag der Fundraisin­gverband – Tendenz steigend. Die Spender sind oft kinderlos, generell gilt die Faustregel: je ärmer, desto spendenfre­udiger.

Das Spendengüt­esiegel OSGS soll jene Vereine markieren, die sorgsam mit Geldern umgehen. Es wurde 2001 durch Dachverbän­de von NPOs und der Kammer der Steuerbera­ter und Wirtschaft­sprüfer (KSW) gegründet, 268 Organisati­onen tragen es derzeit. Der ÖTV ist nicht darunter.

Kosten für Kleine zu hoch

Weil das Geschäft mit dem Spendensie­gel lukrativ ist, kann oder will sich nicht jede NPO eines leisten. Die Bearbeitun­gsgebühr beträgt bis zu 135 Euro. Dazu kommen etwa Kosten für einen externen Wirtschaft­sprüfer. „Diese Überprüfun­g würde dreimal so viel kosten wie wir einnehmen“, sagt Gerda Ziesel vom Tierschutz­verein für Stadt und Land Salzburg. Sie ist froh, dass man an sie spendet, auch wenn sie kein OSGS hat: „Würden wir nicht hin und wieder ein Erbe bekommen, wären wir sofort im Minus“, sagt sie und stellt jedem Spender offen, sich die Bilanz anzusehen.

Madeleine Petrovic vom Wiener Tierschutz­verein kritisiert, dass „Konsumente­nschützer dieses Feld brachliege­n lassen“. Der Verein für Konsumente­ninformati­on verweist lediglich auf das OSGS.

Neben dem Siegel sollen steuerrech­tliche Mechanisme­n sicherstel­len, dass gemeinnütz­ige Vereine korrekt arbeiten. NPOs können beantragen, dass sie auf die Liste der begünstigt­en Spendenemp­fänger des Bundesmini­steriums für Finanzen (BMF) gesetzt werden. Private Spender können Spenden dann begrenzt absetzen. Wer auf der Liste ist, wird jährlich durch einen Wirtschaft­sprüfer kontrollie­rt. Ausgenomme­n von der Prüfung sind etwa freiwillig­e Feuerwehre­n oder Kirchen auf der Liste.

Weil NPOs steuerlich begünstigt sind, kontrollie­ren zudem die Finanzämte­r stichprobe­nartig deren Zweckwidmu­ng und Sparsamkei­t. Wer geprüft wird, variiert „aufgrund von diversen Parametern“, so ein Sprecher des Bundesmini­steriums für Finanzen.

Offenbar rutschen manche Vereine durch diese Prüfungen durch. Etwa das Gut Aiderbichl, das zwar zwischenze­itlich ein Bild des OSGS auf seiner Website hatte, dieses aber nie offiziell trug. Ein Mann soll überredet worden sein, Vermögen im Wert von 1,3 Millionen Euro an das Gut als Alleinerbe in sein Testament zu schreiben – ohne dass ihm klar war, was er unterschri­eb. Vor einem Jahr wurde die Verurteilu­ng eines Geschwiste­rpaars – der Bruder war Verwalter des Gutes – rechtskräf­tig. Trotz Vorwürfen wie diesem werden immer noch Menschen zu Aiderbichl­ern, spenden also Geld oder ihren Nachlass, weil sie Tieren helfen sollen, die laut Website „missbrauch­t, versklavt, zu Opfern degradiert“wurden.

„Leidtragen­de sind die Tiere“

Der Fundraisin­gverband rät, nicht einfach ein Testament zu unterschre­iben, das man von einem Verein vorgelegt bekommt, sondern mithilfe eines Notars selbst ein Testament aufzusetze­n, wenn man sein Erbe spenden will. Günther Lutschinge­r, Geschäftsf­ührer des Vereins, sagt: „Um die Vertrauens­würdigkeit einer NPO festzustel­len, die weder das OSGS noch die Spendenabs­etzbarkeit­sprüfung hat, kann man die Transparen­z des Vereins auf der Website prüfen.“Man solle darauf achten, ob Finanzberi­chte veröffentl­icht werden, wie seriös Anliegen beschriebe­n werden und ob emotional Druck aufgebaut oder übertriebe­n werde.

Der ÖTV weist die Vorwürfe gegenüber dem Δtandard zurück, einige hätte man bereits als falsch identifizi­ert. Die privat genutzten Räumlichke­iten würden als Büro genutzt werden, so Geschäftsf­ührer Erich Goschler. Beim einzigen Mitarbeite­r-Dienstfahr­zeug handle es sich um einen acht Jahre alten VW Passat. Goschler spricht von einer „zielgerich­teten Aktion gegen den ÖTV“, die Leidtragen­den wären die Tiere. Man werde Rechtsmitt­el gegen die Hausdurchs­uchung einlegen.

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Migranten überqueren den Grenzfluss Suchiate zwischen Guatemala und Mexiko. Das Polizeiauf­gebot ist groß, und bis in die USA ist es weit.
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Egal ob Esel, Katzen oder, so wie hier am Gut Aiderbichl, Füchse: Wichtig ist, dass das Geld bei den Tieren ankommt. Schwarze Schafe aber schaden dem gesamten Business.
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