Immer mehr Erbschaften für gemeinnützige Vereine
Im Vorjahr bereits 63 Millionen Euro aus Testamentsspenden
Wien – Österreich ist ein Land mit hoher Spendenbeteiligung: 62 Prozent der Österreicher stellen Geld einem gutem Zweck zur Verfügung. Das geht aus dem Spendenbericht 2017 des Fundraising-Verbands Austria hervor. Aktuell sind zehn Prozent des Spendenaufkommens von 630 Millionen Euro Testamentsspenden.
Wer sein Erbe spendet, ist höchstwahrscheinlich weiblich, religiös und alleinstehend. Auch Kinderlosigkeit erhöht die Bereitschaft. Weitere Beweggründe sind der „gute Wille“oder dass das Vermögen nicht an den Staat gehen soll. Denn wenn eine Person keine Erben hat oder das Erbe nicht angetreten werden kann, erhält der Staat das Geld, und das sind jährlich mehrere Millionen Euro. Pro Jahr werden 900 Nachlässe als erblos gemeldet.
Oft werden in gemeinnützigen Testamenten mehrere Organisationen bedacht und die Auswahl nach Interessen getroffen: Gebildete spenden an Bildungsinstitutionen, Tierfreunde an Tierschützer. Das zeigt eine Studie von Fundraising-Verband gemeinsam mit der Notariatskammer, die am Dienstag präsentiert wurde.
Doch nicht immer kommen solche Spenden auch dort an, wo sie hinsollen. Wenn etwa der gewünschte Empfänger nicht kor- rekt im Testament genannt und die Identifikation erschwert wird.
Auch gab es in der Vergangenheit immer wieder Vorwürfe, dass Spender zu gemeinnützigen Testamenten überredet worden seien. Deswegen wird empfohlen, einen Notar zu kontaktieren und keine vorgelegten Unterlagen eines Vereins zu unterschreiben.
Erst kürzlich gab es beim Österreichischen Tierschutzverein (ÖTV) eine Razzia, wo ein Funktionär Geld veruntreut haben soll. Derzeit wird ermittelt. Der ÖTV kann das Spendengütesiegel nicht vorweisen. Dieses wurde eingerichtet, um Missbrauch vorzubeugen. (red)
Ein anonymer Anzeiger gab den Anstoß für die Razzia: Er berichtete der Staatsanwaltschaft Salzburg von Vorwürfen gegen einen Funktionär des Österreichischen Tierschutzvereins (ÖTV). Sie wiegen schwer: Er soll Spenden und Erbschaften an den Verein in Höhe von über 300.000 Euro entnommen haben, von der persönlichen Nutzung von Räumlichkeiten und Autos „aus dem oberen Preissegment“ist die Rede. Büros in Wien und Salzburg wurden durchsucht.
Es ist der aktuellste Beleg für ein Dilemma: Woher weiß man, was tatsächlich mit dem Geld passiert, mit dem man Gutes tun will? 630 Millionen Euro spendeten die Österreicher letztes Jahr, ein Viertel davon für Tiere. Rund zehn Prozent der Spendengelder sind Testamentsspenden, veröffentlichte am Dienstag der Fundraisingverband – Tendenz steigend. Die Spender sind oft kinderlos, generell gilt die Faustregel: je ärmer, desto spendenfreudiger.
Das Spendengütesiegel OSGS soll jene Vereine markieren, die sorgsam mit Geldern umgehen. Es wurde 2001 durch Dachverbände von NPOs und der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer (KSW) gegründet, 268 Organisationen tragen es derzeit. Der ÖTV ist nicht darunter.
Kosten für Kleine zu hoch
Weil das Geschäft mit dem Spendensiegel lukrativ ist, kann oder will sich nicht jede NPO eines leisten. Die Bearbeitungsgebühr beträgt bis zu 135 Euro. Dazu kommen etwa Kosten für einen externen Wirtschaftsprüfer. „Diese Überprüfung würde dreimal so viel kosten wie wir einnehmen“, sagt Gerda Ziesel vom Tierschutzverein für Stadt und Land Salzburg. Sie ist froh, dass man an sie spendet, auch wenn sie kein OSGS hat: „Würden wir nicht hin und wieder ein Erbe bekommen, wären wir sofort im Minus“, sagt sie und stellt jedem Spender offen, sich die Bilanz anzusehen.
Madeleine Petrovic vom Wiener Tierschutzverein kritisiert, dass „Konsumentenschützer dieses Feld brachliegen lassen“. Der Verein für Konsumenteninformation verweist lediglich auf das OSGS.
Neben dem Siegel sollen steuerrechtliche Mechanismen sicherstellen, dass gemeinnützige Vereine korrekt arbeiten. NPOs können beantragen, dass sie auf die Liste der begünstigten Spendenempfänger des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) gesetzt werden. Private Spender können Spenden dann begrenzt absetzen. Wer auf der Liste ist, wird jährlich durch einen Wirtschaftsprüfer kontrolliert. Ausgenommen von der Prüfung sind etwa freiwillige Feuerwehren oder Kirchen auf der Liste.
Weil NPOs steuerlich begünstigt sind, kontrollieren zudem die Finanzämter stichprobenartig deren Zweckwidmung und Sparsamkeit. Wer geprüft wird, variiert „aufgrund von diversen Parametern“, so ein Sprecher des Bundesministeriums für Finanzen.
Offenbar rutschen manche Vereine durch diese Prüfungen durch. Etwa das Gut Aiderbichl, das zwar zwischenzeitlich ein Bild des OSGS auf seiner Website hatte, dieses aber nie offiziell trug. Ein Mann soll überredet worden sein, Vermögen im Wert von 1,3 Millionen Euro an das Gut als Alleinerbe in sein Testament zu schreiben – ohne dass ihm klar war, was er unterschrieb. Vor einem Jahr wurde die Verurteilung eines Geschwisterpaars – der Bruder war Verwalter des Gutes – rechtskräftig. Trotz Vorwürfen wie diesem werden immer noch Menschen zu Aiderbichlern, spenden also Geld oder ihren Nachlass, weil sie Tieren helfen sollen, die laut Website „missbraucht, versklavt, zu Opfern degradiert“wurden.
„Leidtragende sind die Tiere“
Der Fundraisingverband rät, nicht einfach ein Testament zu unterschreiben, das man von einem Verein vorgelegt bekommt, sondern mithilfe eines Notars selbst ein Testament aufzusetzen, wenn man sein Erbe spenden will. Günther Lutschinger, Geschäftsführer des Vereins, sagt: „Um die Vertrauenswürdigkeit einer NPO festzustellen, die weder das OSGS noch die Spendenabsetzbarkeitsprüfung hat, kann man die Transparenz des Vereins auf der Website prüfen.“Man solle darauf achten, ob Finanzberichte veröffentlicht werden, wie seriös Anliegen beschrieben werden und ob emotional Druck aufgebaut oder übertrieben werde.
Der ÖTV weist die Vorwürfe gegenüber dem Δtandard zurück, einige hätte man bereits als falsch identifiziert. Die privat genutzten Räumlichkeiten würden als Büro genutzt werden, so Geschäftsführer Erich Goschler. Beim einzigen Mitarbeiter-Dienstfahrzeug handle es sich um einen acht Jahre alten VW Passat. Goschler spricht von einer „zielgerichteten Aktion gegen den ÖTV“, die Leidtragenden wären die Tiere. Man werde Rechtsmittel gegen die Hausdurchsuchung einlegen.