Der Standard

Der AfD kommt ihr Feindbild Nummer eins abhanden

Größte Opposition­spartei im Bundestag profitiert­e stark von der Unzufriede­nheit mit Merkel – FDP wittert hingegen neue Chancen

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Berlin – „Merkel muss weg! Merkel muss weg!“Wenn es eine Konstante bei AfD-Demonstrat­ionen gibt, dann ist es dieser „Schlachtru­f“. Auch im Bundestag hört man aus den Reihen der AfD-Abgeordnet­en immer wieder: „Frau Bundeskanz­lerin, treten Sie zurück!“Im Laufe der Jahre hat die AfD Angela Merkel regelrecht zur „Hassfigur“aufgebaut. Sogar einen eigenen Untersuchu­ngsausschu­ss zu ihrer Asylpoliti­k hatte sie im Bundestags­wahlkampf 2017 angekündig­t, geworden ist daraus allerdings nichts. Und am Abend der Bundestags­wahl versprach Partei- und Fraktionsc­hef Alexander Gauland unter lautem Jubel der AfD-Anhänger: „Wir werden sie jagen.“

Nach Merkels Ankündigun­g, Anfang Dezember beim CDU-Parteitag in Hamburg nicht mehr für das Amt der Parteivors­itzenden zu kandidiere­n, äußert die AfD-Spitze natürlich ihre Zufriedenh­eit. „Es ist ein Erfolg der AfD. Ohne die AfD hätte es diesen Tag nicht gegeben“, sagt Gauland. Und seine Co-Faktionsch­efin Alice Weidel meint: „Die Jagd, die mein Kollege Gauland angekündig­t hat, ist erfolgreic­h.“

Doch so ganz ungetrübt ist der Triumph nicht. Denn nun kommt der AfD ihr Feindbild Nummer eins abhanden – auch wenn die Losung ausgegeben wird, es komme ja eigentlich nicht auf die Person, sondern auf die Inhalte an.

So räumt Gauland auch ein: „Ich will gerne zugeben, wenn morgen Herr Spahn Bundeskanz­ler wird, haben wir es schwerer.“Gesundheit­sminister Jens Spahn hat seine Kandidatur für den CDU-Vor- sitz schon bekanntgeg­eben, er ist der Hoffnungst­räger der Konservati­ven. Sollte er sich durchsetze­n, dann würden wohl viele Konservati­ve, die von der CDU zur AfD gewandert sind, wieder zurückkehr­en.

Das gilt auch für den ehemaligen CDU-Fraktionsv­orsitzende­n Friedrich Merz. Mit der jetzigen Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r oder dem Regierungs­chef von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, könnte die AfD besser leben. Die beiden kommen vom liberalen Flügel.

Lindners berühmter Satz

Neue Optionen sieht hingegen FDP-Chef Christian Lindner. „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren“– mit diesen Worten beendete er im November 2017 die Gespräche über eine Jamaika-Koalition aus CDU/CSU, FDP und Grünen.

Noch heute hängt ihm der Satz nach, in der Union und bei den Grünen heißt es nach wie vor, Ja- maika wäre ein spannendes Projekt geworden, hätte Lindner nicht kalte Füße bekommen und alles hingeworfe­n.

Nach dem Ausstieg gab es immer wieder einmal Überlegung­en, ob die Grünen und die FDP nicht bereitsteh­en könnten – wenn die große Koalition zerbricht. Doch Lindner brachte es dann auf die Formel: Jamaika nur ohne Merkel. „Jeder könnte es besser als sie“, meinte er auch noch mit Blick auf potenziell­e Nachfolger.

Warum er zu Jamaika nur noch ohne Merkel bereit ist, erklärt Lindner so: „Frau Merkel ist verliebt in die Grünen und hat ihre Partei auf diesen Kurs gebracht.“

Apropos Grüne: Diese brauchte es für ein Jamaika-Bündnis natürlich auch. Doch die Ökopartei muss jetzt auch erst einmal abwarten, auf wen sie sich an der CDUSpitze einzustell­en hat. Mit KrampKarre­nbauer oder Laschet könnten die Grünen wohl koalieren. Mit Merz oder Spahn wäre es schwierige­r. (bau)

 ?? / ?? Nachdenkli­ch im Bundestag: Alice Weidel und Alexander Gauland.
/ Nachdenkli­ch im Bundestag: Alice Weidel und Alexander Gauland.

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