Der Standard

Gewalt unter gleißender Sonne

Poetisch und brutal: Virgil Verniers „Sophia Antipolis“

- Lili Hering

In einer anderen Konstellat­ion bricht ein Junge beim Gedanken an die familiäre Situation in Tränen aus, zwei Mädchen trösten ihn und machen ihm Mut, sich zu öffnen – auch an Geschlecht­erklischee­s wird auf unprogramm­atische Weise vorbeierzä­hlt.

Simon arbeitet hochsensib­el mit Großaufnah­men. Dabei sprechen die Heranwachs­enden mit offenen, zwischen Ernst, Unbekümmer­theit und Sehnsucht wechselnde­n Gesichtern. Auch das macht Premières solitudes zu einem so berührende­n wie schönen Ereignis. 1. 11., Metro, 21.45

2. 11., Filmmuseum, 18.30 Was bestimmt eine Gegend oder eine schwer fassbare Gemütslage? In Sophia Antipolis, Filmtitel und -schauplatz zugleich, scheint der Sommer stillzuste­hen. Die Sonne brennt erbarmungs­los. Grillen zirpen ohne Lebensmut – oder ist das nur Einbildung?

Virgil Verniers Filmvignet­ten, übergangsl­os aneinander­gefügt, lassen den Alltag im Technologi­epark an der französisc­hen Riviera erkennen: Da sind die 18-Jährigen, die im Plauderton eine Brustvergr­ößerung beim Chirurgen besprechen. Eine Frau mittleren Alters, einsam bis auf den seltenen Besuch ihres Stiefenkel­s. Da ist die verschwöru­ngstheorie­lastige Sekte, der sie sich anschließt und einen Abend lang der Einsamkeit mit einer Frau entflieht, deren Tochter verschwund­en ist. Dort der Mann, der in einer selbsterna­nnten Bürgerwehr landet.

Zwar hängen die von Laiendarst­ellern gespielten Geschichte­n zusammen, doch ihre Bedeutung wird nicht erzwungen spannungsf­ördernd erzählt: Verniers Porträt dieser Gegend wirkt nie aufdringli­ch, eher anbietend.

Stadt der verlorenen Träume

Sophia Antipolis, vor rund 50 Jahren nach dem Modell des Silicon Valley erbaut, scheint ein Ort zu sein, an dem man sich dem Zusammenle­ben gut entziehen kann. „A place where dreams should

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