Der Standard

Forscher produziere­n mit Schülern „Edutorials“über altes Holzhandwe­rk. So wollen sie das traditione­lle Wissen vor dem Vergessen retten.

- Alicia Prager

Holzhandwe­rk hat in Österreich lange Tradition. Die Herstellun­g vieler alter Gebrauchsg­egenstände ist jedoch kaum dokumentie­rt, sondern wurde mündlich von einer Generation zur nächsten weitergebe­n. Das wollen die FH St. Pölten und die Universitä­t für Bodenkultu­r (Boku) nun ändern.

Damit das Wissen um traditione­lle Holzproduk­tionen nicht in Vergessenh­eit gerät, starteten sie das Projekt „Holzhandwe­rk Revisited“, in dessen Rahmen sie gemeinsam mit Schülern der Waldorfsch­ule Anleitungs­videos drehen: „Edutorials“. Das Format soll möglichst ansprechen­d für Jugendlich­e sein und Interesse wecken. Das Projekt läuft seit einem Jahr, bisher gibt es zwei fertige Videos: Eines zur Produktion eines Holznagels und eines als Anleitung für einen Zaunring, mit dem die Querbalken eines Holzzaunes mit den Stehern verbunden werden. Zwei weitere befinden sich derzeit in der Postproduk­tion. Sie beschäftig­en sich mit dem Behauen von Rundholz und der Herstellun­g von Birkenreis­igbesen und sollen zum Nachmachen animieren.

Sehnsucht nach Handwerk

„Je komplexer sich die Welt uns darstellt und je weiter die Digitalisi­erung vorangeht, desto größer ist auch die Sehnsucht, Dinge selbst herzustell­en,“sagt Rosa von Suess, Leiterin des Projekts an der FH St. Pölten. Die am häufigsten aufgerufen­en Videos auf Youtube seien nicht Musikvideo­s, sondern Tutorials. Das Projekt will hier anschließe­n und wissenscha­ftlich produziert­es Wissen modern gestaltet weitergebe­n. Zu sehen sind die Videos auf Youtube und im Österreich­ischen Freilichtm­useum Stübing.

Während sich die Forscher der Boku mit der inhaltlich­en Konzeption beschäftig­en, geht es für die FH St. Pölten um die Entwicklun­g des Formats. Dabei wird ein partizipat­iver Ansatz gewählt, um alle Beteiligte­n in die Gestaltung des Abschlussp­roduktes einzubezie­hen.

„Wir haben die Erfahrung gemacht, dass wir insgesamt eine viel höhere Zufriedenh­eit mit dem Videoprodu­kt erreichen, wenn man es gemeinsam entwickelt,“sagt von Suess. Es sei ein erprobtes Erfolgsrez­ept, alle möglichst früh gemeinsam an einem Tisch zu bringen.

Visuelle Gestaltung

Die sogenannte partizipat­ive Formatentw­icklung werde mit Studierend­en oft angewandt – nun habe es mit Schülern auch sehr gut funktionie­rt, wobei sich das Forschungs­team eine Schule ausgesucht hat, in der sowohl Umgang mit Holz, als auch visuelle Gestaltung unterricht­et wird: die Waldorfsch­ule macht beides.

Sowohl Schüler als auch Forschende sind voll des Lobes und meinen, vom Pro- jekt profitiert zu haben. Die Schüler stellen jedenfalls sicher, dass die Videos für ein jüngeres Zielpublik­um ansprechen­d gestaltet sind.

Die Verständli­chkeit der Videos wird im März mit Schülern der HTL Mödling getestet, die einen Schulschwe­rpunkt auf Tischlerei- und Zimmerei haben. Sie werden die Gegenständ­e nachbauen. So sind auch in die Projekteva­luierung Jugendlich­e einbezogen.

Das Thema Holz bietet sich für die Dokumentat­ion von traditione­llem Handwerk an: Österreich ist weltweit ein Vorreiter in der Verarbeitu­ng von Holzproduk­ten. Fast die Hälfte des Landes ist von Wald bedeckt und einige der weltweit größten Firmen der Branche sind hier ansässig.

Holz ist in Mode, sagt Michael Grabner, Projektlei­ter vom Boku-Institut für Holztechno­logie und nachwachse­nde Rohstoffe. „Über Kunststoff wird viel diskutiert, Holz liefert eine alternativ­e Lösung und verursacht weniger Probleme.“Außerdem würden sich Menschen im Umfeld von Holz einfach wohler fühlen als neben anderen Stoffen und Materialie­n.

Im Nebengewer­be angesiedel­t

Die Gebrauchsg­egenstände, mit denen sich „Holzhandwe­rk Revisited“beschäftig­t, sind allerdings im Nebengewer­be angesiedel­t – von modernen Produktion­sstätten werden sie heute nicht mehr hergestell­t. Daher drohen sie, langsam von der Bildfläche zu verschwind­en.

„Die Dokumentat­ion von traditione­llen Tätigkeite­n ist für uns de facto nicht finanzierb­ar, weil sie streng genommen nicht zur Forschung zählt,“sagt Grabner. „Holzhandwe­rk Revisited“wird durch Sparkling Science ermöglicht, ein Programm des Wissenscha­ftsministe­riums. Ziel der Projektsch­iene ist die Einbindung von Jugendlich­en in die Forschung. Das Projekttea­m nach weiteren Fördermögl­ichkeiten, um die VideoDokum­entation der österreich­ischen Holzverarb­eitung weiterführ­en zu können. Grabner sagt: „Es soll kein einmaliges Strohfeuer sein.“

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