„Schauspieler werden in der Regel besser bezahlt“
In der neuen Krimiserie „Meiberger“auf Servus TV spielt Ulrike C. Tscharre eine Staatsanwältin. Die Schauspielerin spricht über die FPÖ, politisches Engagement, zwei Pässe und die #MeToo-Debatte.
INTERVIEW:
Nach Trakehnerblut ist Meiberger – Im Kopf des Täters die zweite fiktionale Serie von Servus TV. Fritz Karl geht als Gerichtspsychologe Thomas Meiberger auf Verbrecherjagd, Ulrike C. Tscharre spielt die Staatsanwältin Barbara Simma. Dabei sind noch Cornelius Obonya, Hilde Dalik und Otto Schenk. Die achtteilige Serie spielt in St. Gilgen am Wolfgangsee und in der Stadt Salzburg – zu sehen ist sie ab Dienstag, 6. November, 20.15 Uhr.
Sie nennen Fritz Karl „Herr Magister“. Sie sind Frau Doppeldoktor. Ist das der österreichischen Titelgeilheit geschuldet? Tscharre: Meine Bekannten, die Magister oder Doktoren sind, sagen, dass sie es nur verwenden, wenn sie zum Beispiel auf Wohnungssuche sind. Dieses „Herr Magister“in der Serie benutzen sie mehr als Spiel. Mit einem Augenzwinkern, um einander zu frotzeln.
Typisch Österreich? Tscharre: So wie das in Österreich ist, ist das bei uns bestimmt nicht. Die Frau, die mit einem Arzt verheiratet ist, ist nicht automatisch die Frau Doktor. Ich finde das im Vergleich sehr lustig, dass in Österreich die Adelstitel abgeschafft sind, in Deutschland hingegen nicht. Das müsste andersrum sein (lacht).
Sie sind aus Deutschland, aber Halbösterreicherin und waren noch nie bei einer österreichischen Produktion dabei. Tscharre: Ich habe zwei Pässe und zwei Staatsbürgerschaften. Für mich war das ein Mitgrund, diese Serie zu machen. Ich fand es so schön, einmal in Österreich arbeiten zu können. Bisher fand mein Berufsleben immer in deutschen Produktionen statt. Jetzt hat es sich so angefühlt, als hätte sich meine österreichische Seite komplettiert. Ich werde als deutsche Schauspielerin wahrgenommen, und häufig sind es einfach Zufälle, wo man lebt und wo man sich gerade aufhält.
Sie sind ja politisch engagiert. Auf Ihrer Facebook-Seite haben Sie zur Hetze in Chemnitz geschrieben: „Schämt euch! Ihr seid nicht das Volk!“Tscharre: Nach Chemnitz habe ich überlegt, ob ich mich äußern soll oder nicht. Ich hatte aber das Bedürfnis, nachdem ich die Bilder gesehen und die Schilderungen gehört hatte. Wenn ich in meinem kleinen, bescheidenen Umfeld einen Beitrag leisten kann, dass der eine oder andere Follower denkt: „Hm, stimmt, darüber könnte man nachdenken, ob man blind etwas nachplappert.“, würde mich das sehr freuen. Wobei ich selbstverständlich nicht glaube, dass alle Chemnitzer so denken. Es geht mir ganz klar um diese sehr rechten Leute, die solche Veranstaltungen für ihre Zwecke benutzen. Was ihnen leider sehr gut gelingt.
Macht Entwicklung Angst?
Ihnen
diese Tscharre: Ja. Man beobachtet plötzlich auch im Freundeskreis, über welche Themen gesprochen wird. Bei den Facebook-Kommentaren merke ich das sehr schnell: Jemand wirft seine Angel aus, fischt nach Gleichgesinnten und versucht, seine Tiraden loszuwerden. Einer kommt immer aus der Deckung und schreibt: „Scheiß Flüchtlinge“, „Merkel muss weg“oder „Doofe Ausländer“. Ich bin rigoros und blockiere diese Leute.
Verfolgen Sie auch die politische Entwicklung in Österreich? Als österreichische Staatsbürgerin und Wahlkärntnerin waren Sie ja bereits früher mit der FPÖ unter Jörg Haider konfrontiert. Tscharre: Über das, was in Österreich passiert, mache ich mir schon Gedanken. Heute passiert das in Österreich, morgen vielleicht schon in Deutschland. Länder sind ja nicht mehr abgekapselt. Diese Brexit-Geschichte hat ja auch sehr stark mit dem Wunsch nach Nationalität zu tun. Ungarn oder Polen sind andere Beispiele. Kärnten steht durch die HypoAlpe-Adria-Geschichte wirtschaft- lich nicht so toll da, das ist fast alles FPÖ-gemacht, und trotzdem wird diese Partei weiter gewählt. Ich denke mir: Aber sieh mal – dass du jetzt keine Arbeit hast und dein Kind keinen Ausbildungsplatz finden wird, da hilft dir die FPÖ nicht weiter, sondern hat das wahrscheinlich mitverschuldet. Ich merke schon, dass ich mir hier unter den Blauen keine Freunde mache.
Unsere Leser sind tendenziell eher FPÖ-kritisch ... Tscharre: ... Ehrlich gesagt brauche ich keine blauen Freunde. Womöglich nehmen sie mir meinen Pass weg wie den türkischen Doppelstaatsbürgern? Ich war immer sehr stolz und froh, zwei Heimaten zu haben. Das war auch als Kind sehr schön, ich habe mich als etwas Besonderes gefühlt. Ich habe nicht das Gefühl, einem Land etwas wegzunehmen, weil ich noch den Pass eines anderen Landes habe.
#MeToo ist jetzt ein Jahr alt. Hat sich etwas zum Positiven verändert? Tscharre: Ich finde die gesamte MeToo-Diskussion wichtig, weil eine größere Sensibilisierung stattfindet. MeToo-Vorfälle gibt es in jeder Branche. Trotzdem müssen sich Frauen von einigen Männern anhören, dass diese ja gar nichts mehr sagen dürfen. Doch, man durfte immer schon alles sagen. Jeder Mann hat immer schon gewusst, was okay ist und was nicht. Eine Gleichberechtigung haben wir noch lange nicht. Ich verstehe etwa, dass unterschiedliche Berufsgruppen unterschiedlich bezahlt werden, aber nicht Männer und Frauen. Schauspieler werden in der Regel besser bezahlt.
Ihr Serienpartner Fritz Karl erhält mehr Geld als Sie? Tscharre: Ich nehme an, dass Fritz Karl mehr bekommt als ich, weil es immer so ist. Als Frau nimmt man das irgendwann so hin. Aber das geht nicht.
ULRIKE C. TSCHARRE (46) ist Schauspielerin und Hörspielsprecherin. Sie spielte in „Tatort“, „Im Angesicht des Verbrechens“und „Zielfahnder“. p Langfassung: derStandard.at/Etat