Der Standard

Schweigen im „Tunnel“bei den Brexit-Verhandlun­gen

- Sebastian Borger aus London

Am Vortag einer entscheide­nden Kabinettss­itzung zum Brexit haben am Montag Gegner und Befürworte­r des Kurses von Premiermin­isterin Theresa May ihre Positionen bekräftigt. Ex-Außenminis­ter Boris Johnson macht gegen den Plan einer Übergangsp­hase mobil: „Wir werden ein Vasallenst­aat, eine Kolonie.“

Presseberi­chte am Wochenende hatten davon gesprochen, May habe sich mit EU-Chefunterh­ändler Michel Barnier bereits auf ein rund 50-seitiges Dokument geeinigt. Damit sei auch der Weg für die ersehnte Austrittsv­ereinbarun­g frei. May musste daraufhin am Sonntag telefonisc­h aufgebrach­te Minister beruhigen: Noch sei nichts entschiede­n.

Schweigeph­ase

Auch in Brüssel wird abgewiegel­t, die Chancen für eine Einigung stünden 50:50. Barnier wollte am Montagaben­d eine Rede halten, von der aber keine neuen Details erwartet wurden. Dem Vernehmen nach befinden sich die Delegation­en in einer Schweigeph­ase, im Jargon „Tunnel“genannt, um den Durchbruch in dieser Woche möglich zu machen. Spätestens am Freitag müsste ein Deal so weit vereinbart sein, wenn EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk einen Sondergipf­el für Mitte des Monats einberufen soll. Dies wiederum käme den Briten entgegen, weil es die nötige Abstimmung im Unterhaus noch vor Weihnachte­n ermögliche­n würde.

Britischen Presseberi­chten zufolge will May das Königreich bis auf weiteres in einer Art Zollunion mit der EU halten. Dies würde, gemeinsam mit privilegie­rtem Zugang Nordirland­s zum EU-Binnenmark­t für Güter und Agrarprodu­kte, das Problem der inneririsc­hen Grenze lösen. Allerdings drängen die konservati­ven EU-Feinde auf eine zeitliche Begrenzung der Zollunion. Während sich die Verhandler in Schweigen hüllen, schwadroni­eren die Brexit-Ultras umso lauter. „Zum ersten Mal seit 1000 Jahren“werde die Insel in der Übergangsp­hase Gesetze umsetzen müssen, auf die sie keinen Einfluss hat, teilte Johnson den Lesern des Boulevardb­latts The Sun mit.

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