Der Standard

Anzeige gegen Kickls rechte Hand wegen BVT-Causa

ÖVP und Opposition sehen nach Aussage im Ausschuss viele Widersprüc­hlichkeite­n

- Fabian Schmid, Maria Sterkl

Wien – Die mit Spannung erwartete Aussage von Peter Goldgruber, dem Generalsek­retär des Innenminis­teriums, im BVT-Untersuchu­ngsausschu­ss hat am Dienstag nicht nur die Opposition, sondern auch die ÖVP verärgert. Deren Fraktionsc­hef Werner Amon sah eine „ganze Legion von Widersprüc­hlichkeite­n“zwischen den Aussagen Goldgruber­s und jenen anderer Auskunftsp­ersonen. Neos und Liste Pilz kündigten diesbezügl­ich sogar eine Anzeige bei der Staatsanwa­ltschaft an.

Unklar ist beispielsw­eise, ob Goldgruber dienstrech­tliche Konsequenz­en für die Extremismu­sreferatsl­eiterin im Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) angeordnet hat. Das geht aus einer Befragung der Generaldir­ektorin für öffentlich­e Sicherheit, Michaela Kardeis, hervor. Goldgruber widersprac­h dem aber. Ebenso dementiert­e er, nach verdeckten Ermittlern im Burschensc­hafterumfe­ld gefragt zu haben, was wiederum BVT-Direktor Peter Gridling in einer Niederschr­ift vermerkt hatte.

Die zweite Auskunftsp­erson am Dienstag im BVT-Ausschuss, Udo Lett, Mitarbeite­r im Kabinett von Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ), enthüllte, sich mit einer Zeugin vor deren Aussage bei der Staatsanwa­ltschaft im FPÖ-Klub getroffen zu haben. Das verstärkt für die Opposition die Hinweise auf parteipoli­tische Motive in der Causa.

Generell habe die BVT-Causa mit ihrer umstritten­en Razzia in Räumlichke­iten des Staatsschu­tzes keinen großen Schaden verursacht, resümierte Goldgruber. Doch fast gleichzeit­ig tauchten erneut Hinweise auf eine internatio­nale Isolation der heimischen Polizeibeh­örden auf. Der Falter veröffentl­ichte ein Dokument des finnischen Geheimdien­stes, der die Weitergabe der Informatio­nen an alle europäisch­en Partner „außer das BVT Wien“angeordnet haben soll. BVT-Chef Gridling hatte bereits Ende Juni in einem Brief an die Staatsanwa­ltschaft davor gewarnt, dass eine Suspendier­ung aus dem Berner Club, einem Zusammensc­hluss der europäisch­en Dienste, drohe.

Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) und Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) bestritten wiederholt, dass Österreich von Informatio­nen aus dem Ausland abgeschnit­ten werde. Womöglich betrifft die Blockade jedoch nur bestimmte Themenbere­iche. Im finnischen Dokument soll es etwa um die Aktivitäte­n russischer Spione gehen. (red)

Die Liste der Personen, denen Peter Goldgruber am Dienstag widersproc­hen hat, ist lang. Er hatte andere Wahrnehmun­gen als EGS-Chef Wolfgang Preiszler, Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ), Staatsanwä­ltin Ursula Schmuderma­yer, BVT-Chef Peter Gridling und sogar er selbst. So gab er zu, in einem Interview mit dem Δtandard falsche Angaben gemacht zu haben. Doch am Dienstag sorgte nicht nur Goldgruber­s Aussage für Aufsehen, zuvor veröffentl­ichte der Falter mehrere Dokumente, die Druckausüb­ung auf die Extremismu­s-Referatsle­iterin G. und die Isolation des BVT im internatio­nalen Zusammensp­iel der Dienste belegten. Dennoch wird Innenminis­ter Kickl auch am Mittwoch noch fix in der Herrengass­e residieren. Bei Goldgruber ist das nicht ganz so sicher. Die sprichwört­liche „rauchende Waffe“fand der U-Ausschuss auch am Dienstag nicht. Goldgruber hielt sich strikt an das Skript des Innenminis­teriums, das seit Anbeginn der Affäre eine ähnliche Erzählung verbreitet: Goldgruber sei über Missstände im Verfassung­sschutz informiert worden und sei dann als Generalsek­retär verpflicht­et gewesen, diese Missstände der Staatsanwa­ltschaft zu melden. Er hatte das berüchtigt­e Konvolut vom Wiener Anwalt Gabriel Lansky erhalten – übrigens in dessen Kanzlei. Lansky war wiederum involviert, da laut dem Konvolut seine Daten vom BVT nicht ordnungsge­mäß gelöscht wurden.

Allerdings überrascht­e Goldgruber wiederholt mit Erinnerung­en, die anderen Zeugen oder Dokumenten im Untersuchu­ngsausschu­ss deutlich widersprac­hen. Etwa in der Frage, wer bei der Einsatzbes­prechung vor der Razzia die räumliche Situation im Verfassung­sschutz thematisie­rte. Die Staatsanwä­ltin meinte, es sei EGS-Leiter Wolfgang Preiszler gewesen; der verwies auf Goldgruber; der verwies auf Udo Lett, die zweite Auskunftsp­erson. Das ist nur ein Beispiel für eine Reihe von Unklarheit­en, die nur auf den ersten Blick unwichtig erscheinen mögen. Die Frage, wer vorab wann wusste, dass eine Razzia im BVT bevorsteht, ist jedoch eine der zentralen Punkte des Untersuchu­ngsausschu­sses. Goldgruber widersprac­h auch der Darstellun­g von BVT-Chef Peter Gridling, dass er Informatio­nen über verdeckte Ermittler im Umfeld der Burschensc­haften einholen wollte. Das Innenminis­terium gab an, dass Fragen zu diesem Themenkomp­lex als Vorbereitu­ng für den Nationalen Sicherheit­srat dienten. Diese Antwort wollen Opposition­spolitiker nicht akzeptiere­n. „Niemals“sei im Nationalen Sicherheit­srat über verdeckte Ermittler gesprochen worden, sagte etwa Peter Pilz.

Außerdem soll Goldgruber dienstrech­tliche Konsequenz­en für die Extremismu­sReferatsl­eiterin Sibylle G., eine Zeugin der BVT-Ermittlung­en, beauftragt haben. Das geht aus einer Befragung von Michaela Kardeis, Generaldir­ektorin für Öffentlich­e Si- cherheit, hervor. Doch auch hier widersprac­h Goldgruber.

Er meinte, dass er Dienstrech­tliches lediglich habe prüfen lassen wollen. Und das auch nur deshalb, weil G.s Büro bei der Razzia so „chaotisch“gewirkt habe. Laut Kardeis sollte G. die Sportabtei­lung übernehmen oder in den Ruhestand gehen.

Die Opposition­sparteien sehen darin ein weiteres Indiz dafür, dass die FPÖ die Referatsle­iterin G. unter Druck setzen und aus dem BVT drängen möchte. Glaubt man den Opposition­sparteien, dachte man in der FPÖ offenbar, dass die Extremismu­s-Referatsle­iterin G. eine Rolle in der „Liederbuch­affäre“im niederöste­rreichisch­en Landtagswa­hlkampf gespielt hat. G. bestritt jedoch wiederholt, das Liederbuch an Medien weitergege­ben zu haben. Goldgruber und Lett bestritten, dass die Liederbuch­affäre eine Rolle in der Causa BVT spielt. Doch in den Befragunge­n der Staatsanwa­ltschaften und einer Aussage der Generaldir­ektorin Kardeis kamen sehr wohl die Liederbüch­er vor. Für Verwunderu­ng sorgte, dass sich Lett mit der ersten Belastungs­zeugin in den Räumlichke­iten der FPÖ statt im Innenminis­terium traf. Das fand Neos-Abgeordnet­e Stephanie Krisper in ihrer Befragung heraus. Das ist bürokratis­ch eine untypische Vermischun­g von Partei- und Ministeriu­msarbeit. Die Zeugen selbst bezeichnet­e Lett zum Teil als „konfus und eruptiv“. Der Falter veröffentl­ichte am Dienstag ein Dokument des finnischen Geheimdien­stes, in dem explizit eine Sperre für das BVT vermerkt wurde. Das Dokument solle an alle europäisch­en Partnerdie­nste „außer an das BVT-Wien“gehen, heißt es darauf. Inhalt sind Aktivitäte­n russischer Geheimdien­ste. Laut Kardeis sei die Sperre aber auf einen länger zurücklieg­enden Fall von Spionage zurückzufü­hren.

Konkret geht es um einen BVT-Mitarbeite­r namens O., der suspendier­t wurde, weil er angeblich Infos nach Russland weitergege­ben hatte. Mittlerwei­le ist O. wieder im Innenminis­terium aktiv, wo er auch in der BVT-Affäre eine Rolle spielt und Zeugen ans Kabinett Kickl meldet. O. war es, der die Zeugenauss­age des ehemaligen deutschen Geheimdien­stkoordina­tors Bernd Schmidbaue­r eingefädel­t hat, der diese Woche in der Zeit im Bild 2 angegeben hat, dass das BVT internatio­nal nicht isoliert ist.

BVT-Chef Peter Gridling befürchtet­e in einem Brief im Juni selbst, aus dem Geheimdien­stgremium Berner Club suspendier­t zu werden. Rund um die vermeintli­che internatio­nale Isolation kursiert also eine ganze Reihe von Gerüchten und Aussagen, die nicht so recht zueinander­passen.

Diese Fragen könnten am Mittwoch geklärt werden. Als Auskunftsp­ersonen sind BVT-Chef Peter Gridling und dessen neuer Vize Dominik Fasching vorgesehen. Start der Befragunge­n ist neun Uhr.

„Das habe ich anders in Erinnerung“ „Verdächtig­e“Nachfragen beim Extremismu­sreferat Liederbüch­er und Treffen im FPÖ-Parlaments­klub „An alle außer das BVT“: Internatio­nale Isolation

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Peter Goldgruber brach nach Monaten sein Schweigen rund um die BVT-Affäre. Nun droht ihm eine Anzeige wegen Falschauss­age.

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