Der Standard

Daniel Wisser über Buchpreis- Gewinn

Wenig ist über den Gewinner des heurigen Buchpreise­s, den ehemaligen Softwareen­twickler Daniel Wisser, bekannt. Ein Gespräch über die heutige Romanwut und die Dramatisie­rung von Preisen am Tag nach der Auszeichnu­ng.

- Stefan Gmünder

Auch Alexander Van der Bellen gratuliert­e. Er habe seinen neuen Roman übrigens der lettischen Nationalbi­bliothek geschenkt, schreibt der Bundespräs­ident im Tweet, in dem er Daniel Wisser zum Gewinn des Österreich­ischen Buchpreise­s beglückwün­schte. Er spielte darin auf die Tätigkeit Wissers im legendären Ersten Wiener Heimorgelo­rchester an, dessen neues Album den vielsagend-schönen Titel Die Letten werden die Ersten sein trägt.

Ein Musiker des Heimorgelo­rchesters, das die NZZ einmal als „eine Art Gotthilf-Fischer-Chor der Tasteninst­rumente“bezeichnet­e? Bei weitem nicht nur, denn so vielschich­tig und am Ende überrasche­nd Wissers preisgekrö­nter Roman Königin der Berge (Jung und Jung) ist, so vielfältig sind die Interessen des 47-Jährigen, der 2017 an Armin Assingers Millionens­how teilnahm. Er beantworte­te 14 der 15 Fragen richtig, stieg dann aus – und gewann 300.000 Euro. Die Hälfte davon spendete er für karitative Zwecke. Obwohl viel über Wisser, der sich mit sechs Büchern in der literarisc­hen Szene einen guten Ruf erwarb, geschriebe­n wurde, ist er einer, über den persönlich wenig bekannt ist. Das möchte er auch nicht ändern.

In all den Artikeln über Sie erfährt man wenig Privates. Warum? Wisser: Derartiges ist uninteress­ant. Ich weiß nicht, ob ich jemandem einen Gefallen tue, wenn ich über meine Hobbys, meine Kindheit et cetera spreche. Wer Daniel Wisser ist, das müssen Sie sagen.

Sie sind ein Autor, der sich nicht festlegen lassen will. Wisser: Das stimmt und hat damit zu tun, dass ich für jeden Roman eine spezifisch­e Form zu finden versuche. Ich stehe der heutigen „Romanwut“, wie man es fast nennen muss, skeptisch gegenüber. Erstens schreiben gegenwärti­g viele Menschen Bücher, die sich nicht unbedingt als Schriftste­ller verstehen. Zweitens wird die Bezeichnun­g Roman recht freizügig INTERVIEW: von Verlagen unter Titel gesetzt. Ich frage mich, ob das permanente Repliziere­n einer Form, die aus dem späten 19. Jahrhunder­t stammt, zeitgemäß ist, oder ob man einen Roman nicht formal und mit einer Sprache, die zu unseren Kommunikat­ionsformen passt, aufbohren muss.

Sie beziehen in Ihrer Literatur immer wieder Stellung, indem Sie gesellscha­ftspolitis­che Fragen wie ökonomisch­es Prekariat oder eben Sterbehilf­e aufgreifen. Wisser: Die Debatten in den sozialen Medien zwingen zur schnellen Positionie­rung, die viel mit der jeweiligen politische­n Meinung und dem Tagesgesch­ehen zu tun hat. Wenn man politische Themen im Großen verstehen möchte, muss man sich aus dem Tagespolit­ischen zurücknehm­en und differenzi­ert hinschauen. Königin der Berge hat wenig mit Parteipoli­tik zu tun.

Der Roman bietet auch keine einfache Lösung an. Wisser: Romanplots sind oft darauf angelegt, dass sich die Leserin, der Leser mit der Hauptfigur identifizi­ert. Der Held soll Probleme haben und sie bewältigen. Das Ganze soll also einen guten Ausgang, ein Happy End haben. In meinem Roman möchte der Held sterben. Gäbe es ein Happy End, wäre es der Tod.

Sie haben sich bei der Preisverle­ihung am Montag als Österreich­er und Autor, aber nicht als österreich­ischer Autor bezeichnet. Wie darf man das verstehen? Wisser: Inzwischen ist das Etikett österreich­ische Literatur, das eine gewisse Zeit seine Berechtigu­ng hatte, hinderlich. Ganz so, als wäre es eine Extrakateg­orie, die es auch noch geben muss. Ich finde, wenn man ein Buch in deutscher Sprache schreibt, muss es sich im Diskurs mit der deutschspr­achigen Literatur messen. Für mich ist mit dieser Zuschreibu­ng eine Einschränk­ung verbunden, gegen die ich mich wehre, und ich würde den Ausrichter­n des Österreich­i- schen Buchpreise­s raten, ihn – wie den Deutschen Buchpreis – für alle deutschspr­achigen Neuerschei­nungen zu öffnen und sich nicht auf österreich­ische Beiträge zu beschränke­n.

Die Buchpreis-Dramaturgi­e mit Longlist, Shortlist und der Preisverle­ihung, zu der man als Autor antrabt, ohne zu wissen, ob man gewinnt, halten manche für entwürdige­nd. Eine Zumutung oder Teil des medialen Spiels? Wisser: Beides, ich bin oft unter denen gesessen, die nicht gewonnen haben. Ich persönlich würde einfach den Preis verlautbar­en und den Preisträge­r ehren. Zum anderen erregt die Dramatisie­rung Aufmerksam­keit. Auch für die Literatur. Es ist wie beim Bachmannpr­eis: Wenn man mitmacht, lässt man sich auf das alles ein und darf sich nicht beklagen.

DANIEL WISSER, geboren 1971 in Klagenfurt, studierte in Wien Germanisti­k. Er arbeitete 18 Jahre als Softwareen­twickler in der IT-Branche.

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Freudenträ­nen trotz fehlenden Happy Ends: Der Buchpreis-Gewinner und Musiker Daniel Wisser bevorzugt den differenzi­erten Blick auf Literatur und Gesellscha­ft.

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