Rechte Argumente
Auf rechtsextremen Verschwörungsseiten und in FPÖ-nahen Medien wurde lange Stimmung gegen den UN-Migrationspakt gemacht. Mit verblüffend ähnlichen Argumenten begründet die österreichische Regierung ihre Ablehnung des Paktes.
Von den Regierungsargumenten gegen den Migrationspakt und was rechtsextreme Seiten damit zu tun haben.
Einen Tag nachdem Vizekanzler Strache nach dem Ministerrat eine Erklärung über die österreichische Ablehnung des UN-Migrationspaktes abgegeben hatte, setzte Martin Sellner, einer der Mitbegründer der sogenannten Identitären, einen denkwürdigen Tweet ab. „Seltsames Gefühl: „Zum allerersten Mal in meinem Leben habe ich wirklich das Gefühl von Menschen regiert zu werden, denen ich und mein Land am Herzen liege und die in entscheidenden Fragen auf der Seite von mir und meiner Familie sind ... Ein schönes Gefühl“, twittere er.
Für die rechtsextremen Identitären und rechtspopulistische Kreise ist mit der österreichischen Ablehnung des Paktes ein wichtiges Ziel erreicht: Bereits im Juli dieses Jahres haben sie zum Unterschreiben mehrerer Petitionen gegen den UN-Pakt aufgerufen. Sellners Youtube-Video „UN Migrationspakt stoppen – Nicht in unserem Namen!“vom 16. September 2018, in dem er behauptet, dass „wir uns verpflichten unsere Grenzen zu öffnen“, ist eines von mehreren Dutzend Videos, die die YoutubeSuche unter „Migrationspakt“anbietet. Alle haben sie den gleichen Inhalt: Seit Monaten wird vor „einer Welt ohne Grenzen“und „dem Menschenrecht auf Migration“gewarnt. Videos von seriösen Medien, die Faktenchecks anbieten, gibt es unter den ersten zwanzig Treffern nicht. Der Link zu Sellners Petition wurde bis dato 505-mal auf Twitter und Facebook geteilt, das ergibt eine Untersuchung mit dem Analysetool „Crowdtangle“.
Einer der ersten deutschsprachigen Beiträge zum Thema der Uno-Migrationsvereinbarung tauchte am 6. Juli 2018 auf der Schweizer Seite „Smopo – Schweizer Morgenpost“auf. „EU will bis zu 300 Millionen afrikanische Flüchtlinge holen“lautet der Titel des Beitrags, der von einer „politischen Erklärung von Marrakesch“spricht, die angeblich zum Ziel hätte, „die afrikanische Bevölkerung in Europa (...) auf 200 bis 300 Millionen im Jahr 2068“zu erhöhen. Mehrere rechtsextreme Sei- ten wie etwa Journalistenwatch oder Epoch Times griffen die Falschbehauptung auf.
Wenige Tage danach erklärten die USA und Ungarn hintereinander, dass sie dem Pakt in Marrakesch nicht zustimmen werden. Daraufhin wurde eine „Petition an die Regierungen von Deutschland, Österreich und der Schweiz“mit dem Titel „Globalen Migrationspakt der Uno stoppen – nationale Souveränität erhalten!“gestartet.
Appelle und Warnungen
In der Petition wird an die Regierungen der drei deutschsprachigen Länder appelliert, es Trump und Orbán gleichzutun. Orbán wird mit der Behauptung zitiert, dass es sich bei der UN-Vereinbarung um einen klaren „Verstoß gegen das Völkerrecht“handle, „wenn die Uno ein angebliches Menschenrecht auf Migration proklamiert“.
In die österreichische Mediendebatte, abseits der Rechtsextremenkreise, war die Kronen Zeitung eines der ersten Medien, das das Thema des Migrationspaktes auf- griffen, zunächst noch unter dem Stichwort „Marrakesch-Erklärung“. In einem Bericht vom 10. September zitierte die Krone den Vizekanzler Heinz-Christian Strache: „Ich stehe der Uno-Marrakesch-Migrationserklärung, welche bis Dezember 2018 von den EU-Regierungschefs unterfertigt werden soll, absolut kritisch und negativ gegenüber.“Strache legt mit einer Behauptung nach, die schon mehrfach widerlegt wurde: „Migration kann und darf niemals als Zielformulierung ein Menschenrecht werden, wie es dort geschrieben steht.“Am 24. September widmet die
Kronen Zeitung den Argumenten gegen den Migrationspakt einen umfangreichen Bericht. Dass der Pakt „Migration als Menschenrecht“zu Ziel hat, wird bereits als gegeben präsentiert. Orbán und die Schweizer rechtspopulistische SVP kommen zu Wort: Der Pakt sehe „eine Welt ohne Grenzen vor“, heißt es. Es wird eingeräumt, dass der Pakt rechtlich unverbindlich ist, aber: „Auch unverbindliche UN-Deklarationen, welche unserer Regierungslinie in- haltlich widersprechen, sind abzulehnen“, sagt Strache. Der Vizekanzler habe für diese Regierungslinie „wie ein Löwe gekämpft“, weiß die Krone.
Daraufhin entwickelte sich eine oft beobachtete Wechselwirkung: Der Vizekanzler Strache teilte den
Krone- Artikel auf seiner Facebook-Seite und wurde darauf von den FPÖ-nahen Medien Unzensu
riert und Wochenblick zitiert. Der oberösterreichische Wochenblick brachte vor dem Nein Österreichs eine Reihe von Artikeln zum Thema, unter anderem den Appell des Chefredakteurs „UN-Migrationspakt: Bleiben auch Sie stark, Herr Bundeskanzler!“.
In Δtandard, Presse und anderen Qualitätsmedien gab es seit Anfang Oktober Berichte, Kommentare und Faktenchecks zum Thema. Die Behauptung, dass der Migrationspakt ein „Menschenrecht auf Migration“durchsetzen wolle, wanderte allerdings von rechtsextremen Seiten in die Argumentation des Vizekanzlers Strache und von dort in die offizielle österreichische Erklärung zur Ablehnung des Paktes.