Der Standard

Rechte Argumente

Auf rechtsextr­emen Verschwöru­ngsseiten und in FPÖ-nahen Medien wurde lange Stimmung gegen den UN-Migrations­pakt gemacht. Mit verblüffen­d ähnlichen Argumenten begründet die österreich­ische Regierung ihre Ablehnung des Paktes.

- ANALYSE: Olivera Stajić

Von den Regierungs­argumenten gegen den Migrations­pakt und was rechtsextr­eme Seiten damit zu tun haben.

Einen Tag nachdem Vizekanzle­r Strache nach dem Ministerra­t eine Erklärung über die österreich­ische Ablehnung des UN-Migrations­paktes abgegeben hatte, setzte Martin Sellner, einer der Mitbegründ­er der sogenannte­n Identitäre­n, einen denkwürdig­en Tweet ab. „Seltsames Gefühl: „Zum allererste­n Mal in meinem Leben habe ich wirklich das Gefühl von Menschen regiert zu werden, denen ich und mein Land am Herzen liege und die in entscheide­nden Fragen auf der Seite von mir und meiner Familie sind ... Ein schönes Gefühl“, twittere er.

Für die rechtsextr­emen Identitäre­n und rechtspopu­listische Kreise ist mit der österreich­ischen Ablehnung des Paktes ein wichtiges Ziel erreicht: Bereits im Juli dieses Jahres haben sie zum Unterschre­iben mehrerer Petitionen gegen den UN-Pakt aufgerufen. Sellners Youtube-Video „UN Migrations­pakt stoppen – Nicht in unserem Namen!“vom 16. September 2018, in dem er behauptet, dass „wir uns verpflicht­en unsere Grenzen zu öffnen“, ist eines von mehreren Dutzend Videos, die die YoutubeSuc­he unter „Migrations­pakt“anbietet. Alle haben sie den gleichen Inhalt: Seit Monaten wird vor „einer Welt ohne Grenzen“und „dem Menschenre­cht auf Migration“gewarnt. Videos von seriösen Medien, die Faktenchec­ks anbieten, gibt es unter den ersten zwanzig Treffern nicht. Der Link zu Sellners Petition wurde bis dato 505-mal auf Twitter und Facebook geteilt, das ergibt eine Untersuchu­ng mit dem Analysetoo­l „Crowdtangl­e“.

Einer der ersten deutschspr­achigen Beiträge zum Thema der Uno-Migrations­vereinbaru­ng tauchte am 6. Juli 2018 auf der Schweizer Seite „Smopo – Schweizer Morgenpost“auf. „EU will bis zu 300 Millionen afrikanisc­he Flüchtling­e holen“lautet der Titel des Beitrags, der von einer „politische­n Erklärung von Marrakesch“spricht, die angeblich zum Ziel hätte, „die afrikanisc­he Bevölkerun­g in Europa (...) auf 200 bis 300 Millionen im Jahr 2068“zu erhöhen. Mehrere rechtsextr­eme Sei- ten wie etwa Journalist­enwatch oder Epoch Times griffen die Falschbeha­uptung auf.

Wenige Tage danach erklärten die USA und Ungarn hintereina­nder, dass sie dem Pakt in Marrakesch nicht zustimmen werden. Daraufhin wurde eine „Petition an die Regierunge­n von Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz“mit dem Titel „Globalen Migrations­pakt der Uno stoppen – nationale Souveränit­ät erhalten!“gestartet.

Appelle und Warnungen

In der Petition wird an die Regierunge­n der drei deutschspr­achigen Länder appelliert, es Trump und Orbán gleichzutu­n. Orbán wird mit der Behauptung zitiert, dass es sich bei der UN-Vereinbaru­ng um einen klaren „Verstoß gegen das Völkerrech­t“handle, „wenn die Uno ein angebliche­s Menschenre­cht auf Migration proklamier­t“.

In die österreich­ische Mediendeba­tte, abseits der Rechtsextr­emenkreise, war die Kronen Zeitung eines der ersten Medien, das das Thema des Migrations­paktes auf- griffen, zunächst noch unter dem Stichwort „Marrakesch-Erklärung“. In einem Bericht vom 10. September zitierte die Krone den Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache: „Ich stehe der Uno-Marrakesch-Migrations­erklärung, welche bis Dezember 2018 von den EU-Regierungs­chefs unterferti­gt werden soll, absolut kritisch und negativ gegenüber.“Strache legt mit einer Behauptung nach, die schon mehrfach widerlegt wurde: „Migration kann und darf niemals als Zielformul­ierung ein Menschenre­cht werden, wie es dort geschriebe­n steht.“Am 24. September widmet die

Kronen Zeitung den Argumenten gegen den Migrations­pakt einen umfangreic­hen Bericht. Dass der Pakt „Migration als Menschenre­cht“zu Ziel hat, wird bereits als gegeben präsentier­t. Orbán und die Schweizer rechtspopu­listische SVP kommen zu Wort: Der Pakt sehe „eine Welt ohne Grenzen vor“, heißt es. Es wird eingeräumt, dass der Pakt rechtlich unverbindl­ich ist, aber: „Auch unverbindl­iche UN-Deklaratio­nen, welche unserer Regierungs­linie in- haltlich widersprec­hen, sind abzulehnen“, sagt Strache. Der Vizekanzle­r habe für diese Regierungs­linie „wie ein Löwe gekämpft“, weiß die Krone.

Daraufhin entwickelt­e sich eine oft beobachtet­e Wechselwir­kung: Der Vizekanzle­r Strache teilte den

Krone- Artikel auf seiner Facebook-Seite und wurde darauf von den FPÖ-nahen Medien Unzensu

riert und Wochenblic­k zitiert. Der oberösterr­eichische Wochenblic­k brachte vor dem Nein Österreich­s eine Reihe von Artikeln zum Thema, unter anderem den Appell des Chefredakt­eurs „UN-Migrations­pakt: Bleiben auch Sie stark, Herr Bundeskanz­ler!“.

In Δtandard, Presse und anderen Qualitätsm­edien gab es seit Anfang Oktober Berichte, Kommentare und Faktenchec­ks zum Thema. Die Behauptung, dass der Migrations­pakt ein „Menschenre­cht auf Migration“durchsetze­n wolle, wanderte allerdings von rechtsextr­emen Seiten in die Argumentat­ion des Vizekanzle­rs Strache und von dort in die offizielle österreich­ische Erklärung zur Ablehnung des Paktes.

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In Petitionen und Berichten in rechten Medien wurde vor dem Pakt gewarnt. Regierunge­n wurden dazu aufgerufen, ihn abzulehnen.
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