Kurz empfängt NS-Überlebende
Republik lud einst Vertriebene zu Wien-Besuch ein
Wien – Am 9. November jährt sich zum 80. Mal der Beginn der Novemberpogrome: Damals fanden im gesamten Deutschen Reich Übergriffe gegen die jüdische Bevölkerung statt – und allein in Wien, wo der braune Mob besonders wütete, gingen 1938 insgesamt 42 Synagogen und Bethäuser in Flammen auf, unzählige Geschäfte und Wohnungen wurden geplündert und zerstört. Binnen kürzester Zeit wurden außerdem mehr als 6500 Juden verhaftet, knapp 4000 von ihnen in Konzentrationslager überstellt.
Im heurigen Gedenkjahr empfangen Kanzler Sebastian Kurz und Bildungsminister Heinz Faßmann (beide ÖVP) rund 70 HolocaustÜberlebende, deren Einladung wurde im Juni bei einem Besuch in Israel ausgesprochen. Im Rahmen eines einwöchigen Aufenthalts will man den betagten Menschen ermöglichen, die Orte ihrer Kindheit und die Familiengräber aufzusuchen. Ebenfalls auf dem Programm stehen Schulbesuche, um einen Austausch zum dunkelsten Kapitel der Geschichte zwischen Zeitzeugen und Jugendlichen zu ermöglichen. Auch eingeplant ist der Besuch des Stadttempels, einiger Museen und eines Heurigen.
Neben Kurz und Faßmann wird auch Nationalratspräsident Wolf- gang Sobotka (ÖVP) die Überlebenden begrüßen, denn am Freitag findet im Großen Redoutensaal der Hofburg, wo nun das Parlament untergebracht ist, ein Gedenkakt für die Opfer der Pogrome statt. Am Donnerstag wiederum hält Esra, ein Verein, der bis heute unter anderem traumatisierte NS-Opfer betreut, ein Gedenken im zweiten Bezirk ab, wo einst der Leopoldstädter Tempel stand.
Dass die Republik jüdische Vertriebene zu einem Heimatbesuch animiert, brauchte einst mehrere Jahrzehnte – und geht vor allem auf das Engagement des 2007 verstorbenen Überlebenden Leon Zelman zurück, der als Kind und Jugendlicher die Konzentrationslager Auschwitz, Ebensee und Mauthausen überlebte. Mit seinem Jewish Welcome Service, das er 1980 mit den roten Stadtvätern Leopold Gratz und Heinz Nittel gründete, war der rührige Wiener bis zu seinem Tod bestrebt, jährlich hunderte emigrierte Juden mit der Stadt zu versöhnen.
Wegen der Kürzung der Fördermittel für Zelmans Verein schaffte es die schwarz-blaue Koalition zur Jahrtausendwende übrigens zu internationalen Schlagzeilen, weil man – wie in anderen Bereichen – auch da einfach den Sparstift angesetzt hatte. (mte, nw)