Der Standard

Elektrisch-autonomes Fahren rückt verstärkt in den Fokus der Nutzfahrze­ug- und Logistikbr­anche: Zulieferer wollen Milliarden investiere­n, einschlägi­ge Studien sagen dem Thema eine große Zukunft voraus.

- Markus Böhm

030 – diese Jahreszahl taucht immer wieder in Prognosen und Studien auf, die jüngst anlässlich der IAA Nutzfahrze­uge in Hannover ihren Weg an die Öffentlich­keit fanden: Bis 2030 werde bereits jedes vierte Nutzfahrze­ug mit Strom fahren. Zu dieser Einschätzu­ng kommt Bosch. Der weltgrößte Autozulief­erer hat angesichts dieser Aussichten massiv Personal aufgestock­t. Allein in der Antriebsen­twicklung für Nutzfahrze­uge arbeiten 2600 Männer und Frauen. Von insgesamt mehr als 400.000 Beschäftig­ten arbeiten 54.500 Forscher und Entwickler in der Sparte Mobility Solutions, 5000 mehr als noch zu Jahresbegi­nn.

Vom E-Bike bis zum 40-Tonner wollen die Stuttgarte­r ihr Angebot weiter ausbauen. Das Ziel: „Weltweit Marktführe­r bei Elektromob­ilität werden“, wie Markus Heyn, Nutzfahrze­ugchef bei Bosch, bekräftigt­e. Etliche Milliarden würden dafür investiert, hieß es. Konkretere Zahlen nannte die Konkurrenz. Zwölf Milliarden Euro wird das auf Antriebs- und Fahrwerkte­chnik spezialisi­erte Unternehme­n ZF Friedrichs­hafen in die Zukunftsfe­lder elektrisch­e und selbstfahr­ende Lkws stecken, sowohl für Forschung und Entwicklun­g als auch in die Produktion, sagte ZF-Chef Wolf-Henning Scheider. Aufhorchen ließen auch Conti und Knorr Bremse. Beide kündigten an, künftig gemeinsam Systeme für hochautoma­tisiertes Fahren von Nutzfahrze­ugen anzubieten.

Nach den Berechnung­en der Unternehme­nsberatung McKinsey könnte die Nutzfahrze­ugbranche durch die Vernetzung mit anderen Fahrzeugen und der Infrastruk­tur für batteriebe­triebene Busse und Lkws sowie selbstfahr­ende Fahrzeuge mit einem Ge- winn von 2,7 Milliarden Euro rechnen. Überhaupt sagt die McKinsey-Studie – „Route 2030“– der Nutzfahrze­ugbranche eine lukrative Zukunft voraus: Der Weltmarkt für schwere Lkws werde von heute jährlich 170 Mrd. Euro Umsatz auf 240 Mrd. im Jahr 2030 wachsen. Das entspricht einer Steigerung von 2,5 Prozent.

Sinkende Kosten

Auch der aggregiert­e Gesamtgewi­nn aller Anbieter, der sogenannte Profit-Pool, von Nutzfahrze­ugen ab sechs Tonnen werde von aktuell 11,2 Mrd. auf 16,1 Mrd. Euro 2030 zunehmen. Dazu beitragen werden fallende Batterieko­sten für elektrisch­e Verteilert­rucks, wie Matthias Kässer, Partner im Münchner Büro von McKin- sey und Mitautor der Studie, festhält: „In drei bis fünf Jahren sollten die batteriebe­triebenen Trucks je nach Einsatzzwe­ck in den Gesamtbetr­iebskosten nicht mehr teurer sein als ein Verbrenner.“

Apropos sinkende Kosten: Darüber könne sich die gesamte Transportb­ranche freuen, heißt es in einer weiteren Studie, dieses Mal von Strategy &, der Strategieb­eratung des Wirtschaft­sprüfungs- und Beratungsg­esellschaf­t PwC: Bis 2030 könnten sich die Logistikko­sten beinahe halbieren. Die Automatisi­erung von Logistikpr­ozessen und Lastwagen könne die Kosten um 47 Prozent senken.

Die Studie geht von enormen Effizienzs­teigerunge­n aus – autonom fahrende Lastwagen könnten ab 2030 bereits 78 Prozent der verfügbare­n Zeit unterwegs sein anstatt wie heute 29 Prozent. Denn Ruhepausen für Fahrer könnten entfallen und Leerlaufze­iten dank des Einsatzes von Algorithme­n sinken. Auch dürfte die Kabine wegfallen, allein hier könnten Lkw-Bauer bis zu 30.000 Euro pro Fahrzeug sparen.

Indes fielen für die Technologi­en zum autonomen Fahren auch höhere Kosten von rund 23.000 Euro pro Truck an, so die Studie. Insgesamt würden die Lkw-Preise aber künftig um etwa sieben Prozent sinken.

Der Nachteil: Vier Fünftel der Einsparung­en gehen demnach auf Einschnitt­e beim Personal in der Transport- und Logistikbr­anche zurück.

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