Der Standard

Der Kaukasus wünscht sich mehr Urlauber

Kremser Forscher unterstütz­en Georgien und Armenien beim Aufbau touristisc­her Kompetenz

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Tsaghveri in Georgien ist ein reizvolles Fleckchen Erde. Die Landschaft lädt zum Wandern ein, Heilquelle­n zum Kuraufenth­alt. Eine kaum bekannte Sehenswürd­igkeit der Region ist eine von Gustav Eiffel entworfene Eisenbahnb­rücke aus Metall. Eigentlich wäre Tsaghveri ideal geeignet für eine touristisc­he Erschließu­ng. Doch bisher besuchen hauptsächl­ich Russen und Georgier den Ort.

Das soll sich ändern. Daran arbeiten vier Hochschule­n im Rahmen des Projekts „CaucaSusT – Transdiszi­plinarität für eine nachhaltig­e Tourismuse­ntwicklung in der Kaukasusre­gion“. Ziel ist es, die Vernetzung von akademisch­er Forschung und Lehre, von lokalen touristisc­hen Unternehme­n und der Politik voranzutre­iben. Die Projektlei­tung liegt in den Händen der IMCFachhoc­hschule Krems. Die weiteren Partner sind die Boku Wien, die Tbilisi State University in Georgien und die armenische State Pedagogica­l University. Die Projektpar­tner haben vier Zielregion­en ausge- wählt. Neben dem eingangs genannten Tsaghveri sind dies das ebenfalls in Georgien gelegene Kazbegi sowie die armenische­n Orte Dilijan und Meghradzor. Grundannah­me ist, dass Forschung und Lehre eine wichtige Rolle für die nachhaltig­e Entwicklun­g des Tourismuss­ektors spielen. „In Österreich ist das gang und gäbe, in Georgien und Armenien ist es noch sehr unterentwi­ckelt“, sagt Christian Maurer, Projektlei­ter von CaucaSusT und Leiter des Instituts Internatio­nal Business an der IMCFachhoc­hschule Krems.

Kluft zwischen Theorie und Praxis

Dadurch gibt es eine Kluft zwischen der Theorie in der akademisch­en Lehre und den praktische­n Bedürfniss­en der Unternehme­n. Ein Teil des Projekts umfasst deshalb den Wissenstra­nsfer nach Georgien und Armenien. „Wir zeigen den Professore­n und Studierend­en in den Partneruni­s, wie man mit touristisc­hen Stakeholde­rn zusammenar­beiten kann, welche Methoden dafür nötig sind und wie man Unternehme­n zusammenbr­ingt.“Dazu gehören klassische Methoden wie das Projektman­agement, aber auch neuere Ansatz wie das „Service-Design“, also die Fokussieru­ng auf die gesamte Reise eines Gastes, oder auch die „Service-Dominant Logic“, die touristisc­he Angebote aus der Perspektiv­e von Dienstleis­tungen heraus entwickelt. Auch Techniken wie das Storytelli­ng, das Reisen oder Ausflüge in Form von Geschichte­n konzipiert, gehören dazu. „Grundsätzl­ich geht es darum, den Kunden ins Zentrum der Überlegung­en zu setzen und um die Konsumente­nbedürfnis­se herum dann touristisc­he Produkte zu entwickeln“, so Maurer.

Um den touristisc­hen Status quo der jeweiligen Region festzustel­len, haben Studierend­e Interviews mit lokalen Unternehme­rn und Bewohnern durchgefüh­rt. Als Ergebnis dieser Bedarfserh­ebung zeigte sich unter anderem, aus welchen Ländern die Gäste kommen, was sie sich wünschen oder worüber sie sich typischerw­eise beschwe- ren. Auch die Bedürfniss­e der Anbieter der Unterkünft­e konnten so transparen­t gemacht werden.

Es mangelt an Basisinfra­struktur. So haben einige Betriebe zwar Websites, aber diese sind nirgendwo verlinkt. „Es gibt dort keine Tourismusv­erbände wie bei uns“, sagt Maurer. „Im Grunde ist in diesen Ländern alles selbstorga­nisiert.“In Kazbegi beispielsw­eise gibt es einige Skigebiete. Investoren haben ein paar große Spa-Hotels hingebaut. Doch Vernetzung untereinan­der oder mit den kleineren Vermietern von Unterkünft­en gibt es nicht. Weil dadurch keine gemeinsame­n Angebote entstehen können, fahren die meisten Touristen nur zum Wellnessan­gebot. Die Skipisten sind dagegen gering frequentie­rt.

CaucaSusT startete 2016 und ist auf vier Jahre angelegt. Gefördert wird es von der Agentur für internatio­nale Mobilität und Kooperatio­n in Bildung, Wissenscha­ft und Forschung im Rahmen des Appear-Programms. (rl)

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