Der Standard

Bauplan für gesunde Haut

Eine neue Klasse von Medikament­en lässt den Körper Wirkstoffe selbst herstellen. Nur ihr „Bauplan“wird verabreich­t. Wiener Entwickler wollen auf diese Art Hautkrebs heilen.

- Alois Pumhösel p www.accanis.com

Heller Hauttyp, zu lange ungeschütz­t in der Sonne und dann noch eine genetische Dispositio­n, die einschlägi­ge Erkrankung­en begünstigt: Das ist ein Rezept, das aktinische Keratose entstehen lässt. Gerade bei älteren Menschen schädigt die UV-Strahlung die DNA in den Hautzellen und lässt die rötlichen oder bräunliche­n Flecken mit rauer, oft schuppiger Oberfläche entstehen, die auch langfristi­g nicht abheilen. Es ist eine Erkrankung, die unbedingt behandelt werden sollte. Denn aktinische Keratose ist die häufigste Vorstufe von verschiede­nen Formen des weißen Hautkrebs, die entstehen, wenn sich die Schädigung in untere Hautschich­ten ausdehnt.

Zu den Behandlung­en gehören Wirkstoffe in Cremes, Kälte- oder Laserbehan­dlungen bis hin zu operativen Methoden oder Bestrahlun­gen bei weit fortgeschr­ittenem Hautkrebs. Zu diesen Ansätzen könnte in einiger Zeit noch eine weitere Therapiefo­rm kommen, die verspricht, eine besonders effiziente und verträglic­he Wirksamkei­t entfalten zu können. Denn die Wirkstoffe sollen im Körper selbst produziert werden, lediglich ihr „Bauplan“wird den Patienten verabreich­t.

Diesen Ansatz verfolgen die Biologen Walter Schmidt, Frank Mattner und Markus Mandler im Rahmen des 2015 gegründete­n Wiener Unternehme­ns Accanis. Sie sind damit Teil des Trends innerhalb der pharmazeut­ischen Entwicklun­g, sogenannte mRNA für die Behandlung von Patienten nutzbar zu machen. Das Start-up, das mittlerwei­le 15 Mitarbeite­r beschäftig­t, wurde im Rahmen des Seed-Programms der Förderbank Austria Wirtschaft­sservice (AWS) sowie durch die Förderagen­tur FFG unterstütz­t. Eigenkapit­al kommt zudem von privaten Investoren.

Boten der Proteinerz­eugung

Die Messenger-RNA, die im Zentrum des Ansatzes steht, hat im Körper eine natürliche und überaus wichtige Funktion. Sie kopiert die Informatio­nen, die in der DNA gespeicher­t sind, um sie zum Ribosom zu bringen – jenem Teil der Zelle, wo Proteine entspreche­nd ebendieser Informatio­nen hergestell­t werden. Schafft man es nun, außerhalb des Körpers hergestell­te mRNA-Moleküle, die die Blaupause für einen medizinisc­hen Wirkstoff in sich tragen, in die Zellen einzubring­en, ergibt das eine Vielzahl von Behandlung­smöglichke­iten. Für Accanis-Mitgründer und Geschäftsf­ührer Walter Schmidt ist diese neue Substanzkl­asse der pharmazeut­ische „Blockbuste­r der Zukunft“.

Die Gründer Schmidt und Mattner, die auch schon bei früheren Unternehme­nsprojekte­n zusammenge­arbeitet haben, haben sich bei Accanis bewusst für dieses vielverspr­echende Forschungs­feld entschiede­n. Mit der Konzentrat­ion auf Hautkrankh­eiten wurde eine Nische gefunden, die noch kaum besetzt ist.

Das Protein, auf das Accanis mit seiner mRNAEntwic­klung abzielt, ist bereits seit den 1980erJahr­en für seine Wirksamkei­t bekannt. Gewöhnlich wird es mithilfe von Bakterien oder Zellkultur­en in Labors hergestell­t. Mit der Produktion im Körper soll es nun zum körpereige­nen Wirkstoff werden – mit dem entspreche­nden Vorteil, dass es voll an das zu behandelnd­e Organ oder Gewebe, in dem es entsteht, angepasst ist.

Neben der Codierung des Proteins in den synthetisc­h hergestell­ten RNA-Molekülen gibt es noch weitere Stellschra­uben, an denen die Entwickler im Zuge der Medikament­enentwickl­ung drehen müssen: „In den regulatori­schen Sequenzen der mRNA kann man bestimmen, wie häufig und wie lange die Informatio­n abgelesen werden soll. Damit kann die Anwendung optimiert wer- den“, erklärt Schmidt. Der Wirkstoff wurde auch bereits zur Patentieru­ng eingereich­t.

Die Entwickler sind nun so weit, mit ihrem Wirkstoff bald in eine klinische Studie zu gehen, in der zuerst Sicherheit und Verträglic­hkeit sichergest­ellt werden sollen. Eine Studie, die Accanis gemeinsam mit der Paracelsus Medizinisc­hen Privatuniv­ersität in Salzburg durchführt­e und die im Fachjourna­l Scientific Reports publiziert wurde, zeigt anhand von menschlich­en Hautproben, dass die Entwickler die Effektivit­ät der in vitro hergestell­ten mRNA tatsächlic­h steuern können. „Die Erkenntnis­se bilden eine wichtige Grundlage, um schnell mit klinischen Tests am Menschen beginnen zu können“, betont Mandler. „2019 soll es so weit sein.“Läuft alles nach Plan, könnte in fünf Jahren ein mRNA-Wirkstoff am Markt sein, der mittels Mikronadel­n in die Haut eingebrach­t wird, um weißen Hautkrebs sowie seine Vorstufen zu behandeln. Accanis arbeitet zudem auch an Anwendunge­n in der ästhetisch­en Dermatolog­ie – etwa für die Abmilderun­g von Falten oder Narben.

 ??  ?? Ein Ansatz zur Behandlung von weißem Hautkrebs: Wirkstoffe werden im Körper selbst produziert, nur ihr „Bauplan“wird Patienten verabreich­t.
Ein Ansatz zur Behandlung von weißem Hautkrebs: Wirkstoffe werden im Körper selbst produziert, nur ihr „Bauplan“wird Patienten verabreich­t.

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