Der Standard

Italiens Ecomafia verdient im Müllgeschä­ft Milliarden

Starker Nachholbed­arf bei Abfalltren­nung – Österreich­er holen sich Aufträge in Sizilien

- Thesy Kness-Bastaroli aus Palermo

Sizilien ist bei der Abfalltren­nung und -verwertung im Vergleich zu anderen Regionen Italiens im Verzug. Nur 17 Prozent des Stadtmülls von Palermo werden getrennt. Im landesweit­en Schnitt liegt die Recyclingq­uote bei 62 Prozent. Eine der größten Müllverwer­tungsanlag­en der Stadt, Bellolampo, droht stillgeleg­t zu werden. Bei dem kommenden Gipfeltref­fen zwischen Libyen und der EU Mitte November in Palermo könnten die Teilnehmer über den Straßenmül­l stolpern, befürchtet die Mailänder Zeitung Il Sole 24 Ore.

Tatsache ist, dass die Finanzieru­ng für Trennungs- und Verwertung­sanlagen von 110 Millionen Euro der vergangene­n zehn Jahre, die zum Teil aus EU-Mitteln, zum Teil aus regionalen Fonds erfolgte, an der prekären Situation kaum etwas änderte. Die Stadt produziert täglich 1000 Tonnen Abfall, wovon knapp 900 Tonnen nicht getrennt werden. Palermos Bürgermeis­ter Leoluca Orlanda verspricht nun Sondermaßn­ahmen.

Besser sieht die Situation in Westsizili­en, rund um die Stadt Marsala, aus. Dort ist es dem Gründer der Firma Sarco, Antonio Spanò, gelungen, durch Nutzung von Altmetalle­n und Altglas die Recyclingq­uote auf 32 Prozent zu erhöhen. Immerhin verwertet das Unternehme­n mittlerwei­le 75.000 Tonnen jährlich und beliefert unter anderem einen nahegelege­nen Flaschenhe­rsteller, die US-Gruppe O & I Manufactur­ing. Mit dem Markenzeic­hen „Flasche 100 Prozent Sizilien“hat Sarco großen Er- folg. Österreich punktet bei Sarco mit dem Einsatz der Ecotechnol­ogie von Redwave. Sarco will demnächst weitere 400 Millionen Euro investiere­n. „Natürlich werden wir neue Redwave-Maschinen erwerben“, sagte Sarco-Chef Spanò dem Δtandard. Auf die Frage, ob – wie oftmals in Sizilien üblich – Schutzgeld gezahlt werden müsse, antwortete er: „Uns wurde bislang nicht gedroht, aber Schwierigk­eiten haben wir schon.“

Denn die Ecomafia, das organisier­te Verbrechen, dominiert Italiens Müllgeschä­ft. Mit illegaler Abfallents­orgung wurden hier im Vorjahr 14 Milliarden Euro ergaunert. Heuer sollen es schätzungs­weise 16 Milliarden Euro sein. Die kürzlich erfolgte Freisprech­ung des „Padrone“Manlio Cerroni, der die römische Abfallwirt­schaft und die der gesamten Region Latium kontrollie­rte und der angeblich mit der Müllmafia eng verbunden war, verschafft dem organisier­ten Verbrechen neuen Spielraum.

Nachdem China die Plastikabf­alllieferu­ngen aus der EU einbremste, hat die Ecomafia weiterhin an Macht gewonnen. Denn jahrzehnte­lang verkaufte Italien einen großen Teil seines Plastikmül­ls nach China – damit er dort sortiert und zum Teil verwertet werde. Eine gültige Alternativ­e zu China wurde bisher nicht gefunden. Allein in den letzten Monaten setzte die Ecomafia sieben Mülldepots in Brand, in den vergangene­n sechs Jahren waren es 280 Müllhalden. Es ist ein gigantisch­es Geschäft, denn durch Brandstift­ungen werden die teure Sortierung und Verwertung umgangen.

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Foto: Reuters Italien bekommt den Müll nicht in den Griff.

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